Vorsicht mit Methylphenidat
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 32
, Nummer 14, PK814
Redaktionsschluss: 18. April 2011
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2010.814 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Die Zeitschrift «La Revue Prescrire» macht in ihrer Ausgabe vom April 2011 auf Richtlinien aufmerksam, die bereits im Jahr 2009 vom «Committee for Medicinal Products for Human Use» der europäischen Arzneimittelbehörde veröffentlicht wurden.(1) Gemäss diesen Richtlinien sollte die offizielle Arzneimittelinformation zu Methylphenidat (Ritalin® u.a.) in allen EU-Ländern bestimmte Warnhinweise enthalten. Diese Hinweise umfassen namentlich die folgenden Punkte:(2)
Vor einer Behandlung mit Methylphenidat sollen Blutdruck und Herzfrequenz überprüft sowie eine Familienanamnese bezüglich kardiovaskulärer Probleme erhoben werden. Sollten sich Probleme finden, soll zuerst eine fachärzliche (kardiologische) Klärung erfolgen.
Während der Behandlung müssen Blutdruck und Herzfrequenz regelmässig überprüft und allfällige Probleme sogleich abgeklärt werden.
Da die Langzeitauswirkungen von Methylphendiat nicht genügend bekannt sind, soll die Methylphenidat-Behandlung bei langdauernder Therapie mindestens einmal jährlich unterbrochen werden, um über die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung entscheiden zu können.
Auch die Körpergrösse und das Gewicht der Behandelten sollen während der Behandlung regelmässig überprüft werden.
In «La Revue Prescrire» wird festgestellt, dass in Frankreich die offizielle Information zu mehreren Methylphenidat-Präparaten diesen Richtlinien bis Anfang 2011 noch nicht angepasst wurden. In Frankreich haben die Verschreibungen von Methylphenidat von 2006 bis 2009 um rund 40% zugenommen. Demgegenüber hält «La Revue Prescrire» ausdrücklich fest, dass eine Methylphenidat-Behandlung bei Kindern und Jugendlichen nur ausnahmsweise, als «ultima ratio» gerechtfertigt sei.
Kommentar
Dass Methylphenidat auch in der Schweiz wohl zu grosszügig verschrieben wird, haben wir in unserer Zeitschrift schon vor mehreren Jahren festgestellt.(3)
Wie steht es aber bei uns mit der offiziellen Fachinformation? Ein Blick auf die entsprechenden Texte zu den drei in der Schweiz verfügbaren Präparaten (Concerta®, Medikinet® und Ritalin®) ergibt ein disparates Bild. Dabei fällt auf, dass die in der EU empfohlenen Hinweise nur teilweise wiedergegeben werden. Noch auffälliger ist aber, dass die angebotene Information vom einen zum anderen Präparat erheblich abweicht, sowohl was den Inhalt als auch was die Darstellung (unter «Kontraindikationen» bzw. «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen») anbelangt. Es ist schlechterdings unverständlich, dass noch im Jahr 2011 zu ein und demselben Wirkstoff unterschiedliche Fachinformationen angeboten werden.
Literatur
- 1) Anon. Rev Prescr 2011; 31: 263
- 2) http://ema-methylph.notlong.com/
- 3) Kappeler T. pharma-kritik 2006; 28: 5-8
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