Liraglutid
FDA, 2009

Moderner Appetitzügler

Wirkung

Liraglutid ist ein gentechnisch hergestelltes Polypeptid, das wie ein körpereigenes Inkretin wirkt. Inkretine sind Peptidhormone, die bei Nahrungsaufnahme von der Dünndarmwand freigesetzt werden. Liraglutid wirkt wie das «Glucagon-Like-Peptide-1» (GLP-1). Das GLP-1 stimuliert die Synthese und Sekretion von Insulin und hemmt die Freisetzung von Glukagon. Ausserdem bewirkt Liraglutid wie GLP-1 eine Verlangsamung der Magenentleerung. Zusammen mit zentralnervösen Mechanismen ergibt sich daraus ein verstärktes Sättigungsgefühl. Gesamthaft führt dies zu einer antidiabetischen Wirkung und zur Gewichtsabnahme.

Pharmakokinetik (subkutane Verabreichung)

Biologische Verfügbarkeit Max. Plasmaspiegel Halbwertszeit Aktive Metaboliten Elimination
Nach s.c. Verabreichung 55% 8-12 h 13 h keine teilw. renal*
Biologische Verfügbarkeit
Max. Plasmaspiegel
Halbwertszeit
Aktive Metaboliten
Elimination
* Liraglutid wird wie andere Polypeptide endogen metabolisiert (nicht in einem spezifischen Organ).

Indikationen

Liraglutid kann bei Typ-2-Diabetes als zusätzliche antidiabetische Therapie (in der Regel zu Metformin) oder auch als Monotherapie eingesetzt werden. So lässt sich oft eine Senkung des glykosylierten Hämoglobins (HbA1c) um 0,5 bis 1,0% erreichen, ähnlich wie mit anderen GLP-1-Agonisten. Unter Liraglutid ist auch eine Senkung des systolischen Blutdrucks und eine geringfügige Abnahme der Lipidwerte zu beobachten. Eine Kombination mit verschiedenen anderen Antidiabetika ist möglich; auch eine fixe Kombination mit Insulin- Degludec ist erhältlich.

Bei Diabeteskranken mit einer vorbestehenden Herz-Kreislauferkrankung oder mit einem höheren kardiovaskulären Risiko ergab Liraglutid im Zeitraum von knapp 4 Jahren eine gegenüber Placebo signifikante Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen.

Ob Liraglutid auch bei Typ-1-Diabetes ein vorteilhaftes Nutzen/Risiko-Profil hat, konnte mit den bisher vorliegenden Studien nicht gesichert werden.

Bei übergewichtigen Personen mit oder ohne Diabetes kann Liraglutid zur Gewichtsreduktion beitragen. In mehreren Studien ergab die regelmässige tägliche Liraglutid-Injektion im Vergleich mit Placebo langfristig eine Gewichtsreduktion von durchschnittlich 5 kg.

Unerwünschte Wirkungen

Besonders initial sind gastrointestinale Beschwerden (in erster Linie Brechreiz und Erbrechen, Durchfall oder Obstipation) sehr häufig (bei 10 bis 20% der Behandelten). Häufige Nebenwirkungen sind ferner: Schlafstörungen, Schwindel, Anstieg der Amylase- und Lipasewerte, Cholelithiasis und Cholezystitis. Pankreatitiden wurden häufiger als unter Placebo beobachtet; ob auch Pankreaskarzinome gehäuft vorkommen, ist nicht definitiv geklärt.

Meistens steigt die Ruhe-Herzfrequenz an. Auch Hautreaktionen und Schmerzen an der Injektionsstelle kommen vor. Hypoglykämien werden vorwiegend beobachtet, wenn auch noch mit anderen Antidiabetika behandelt wird.

Ob Liraglutid allgemein das Auftreten von malignen Tumoren begünstigt, ist nicht gesichert. In Tierversuchen war das Risiko eines C-Zell-Tumors der Schilddrüse unter Liraglutid dosisabhängig erhöht. Entsprechend sind auch beim Menschen Schilddrüsenveränderungen sorgfältig zu beobachten.

Kontraindikationen

Persönliche oder Familien-Anamnese eines medullären Schilddrüsenkarzinoms. Schwangerschaft.

Dosierung (Erwachsene)

Indikation Verabreichung Initialdosis % Dosis | Intervall Erhaltungsdosis % Dosis | Intervall
Typ-2-Diabetes s.c. 0,6 mg 24 h 1,2 bis 1,8 mg* 24 h
Adipositas s.c. 0,6 mg 24 h 1,2 bis 3,0 mg* 24 h
Indikation
Verabreichung
Initialdosis Dosis | Intervall
Erhaltungsdosis Dosis | Intervall
* Die Tagesdosis kann jeweils nach frühestens 1 Woche um 0,6 mg gesteigert werden (als Antidiabetikum bis auf maximal 1,8 mg/Tag, als Antiadiposum bis auf maximal 3,0 mg/Tag.

Risikogruppen

Schwangere Frauen

Kontraindiziert. Im Tierversuch wurden fetotoxische Auswirkungen beobachtet.

Stillende Mütter

Keine Information zu einer möglichen Exkretion mit der Milch verfügbar. Besser vermeiden!

Kinder

Keine Daten bis zum Alter von 18 Jahren. Vermeiden!

Alte Menschen

Keine Dosisanpassung empfohlen. Wenig Erfahrungen bei Personen über 75 Jahren: nur bei Diabetes indiziert.

Niereninsuffizienz

Wenig Erfahrungen, Soll bei fortgeschrittener Insuffizienz (Kreatinin- Clearance unter 30 ml/min) nicht verwendet werden.

Leberinsuffizienz

Keine Dosisanpassung notwendig.

Interaktionen

Da Liraglutid die Magenentleerung etwas verlangsamt, kann es theoretisch die Resorption von oral verabreichten Medikamenten beeinflussen; bei einer Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten wird initial eine häufigere INR-Kontrolle empfohlen. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Sulfonylharnstoffen oder Insulin ist das Hypoglykämie- Risiko möglicherweise erhöht. Eine Beeinflussung von Zytochromen ist nicht anzunehmen.

Hinweise

Dass Liraglutid auch beim polyzystischen Ovarialsyndrom und bei nicht-alkoholbedingter Fettlebererkrankung nützlich sein kann, ist noch vergleichsweise wenig dokumentiert.

Alternativen

Aktuell sind neben Liraglutid vier weitere GLP-1-Agonisten (Dulaglutid, Exenatid, Lixisenatid, Semaglutid) erhältlich, die sich u.a. in ihrer Wirkungsdauer unterscheiden. Einen ähnlichen Wirkungsmechnismus weisen die oral verabreichbaren Gliptine (z.B. Sitagliptin) auf; diese haben aber keine Vorteile bezüglich der kardiovaskulären Komplikationen. Zur Zweitlinientherapie stehen ferner zahlreiche weitere orale Antidiabetika (z.B. Gliflozine), aber auch Insuline zur Verfügung.

Erhältlichkeit

«Fertigpens» (3 ml) mit Injektionslösung zu 6 mg/ml (unter zwei Markennamen erhältlich).

Kommentar

Dass es sich besonders für übergewichtige Diabeteskranke in mehrfacher Hinsicht lohnt, wenn möglich ihr Körpergewicht zu reduzieren, ist in Studien mit verschiedenartigen Interventionen gut nachgewiesen. Ob sich Liraglutid auf weitere Sicht gegen die Konkurrenz durch andere, ähnlich wirkende Mittel (z.B. das orale Semaglutid-Präparat) halten kann, wird sich noch zeigen. Zurzeit kann es jedenfalls als gutes Beispiel für eine sinnvolle Weiterentwicklung der antidiabetischen Therapie gelten, nicht gerade gut verträglich, aber immerhin mit einem Wirksamkeitsnachweis auch hinsichtlich kardiovaskulärer Komplikationen.
An diesem Beispiel sehen Sie die Kapitelstruktur, die in jedem der 100 Kapitel in diesem Medikamentenführer wiederholt wird. Das standardisierte Layout erlaubt Ihnen, Inhalte innerhalb der Kapitel schnell und einfach zu finden. Benutzen Sie auch die Lasche auf der rechten Seite, um direkt in die Unterkapitel zu scrollen.

Klicken Sie auf den blauen Button zuunterst, um zu sehen, wie "100 wichtige Medikamente" auf dem iPhone installiert werden kann und wie auch in der App dieselbe Kapitelstruktur erhalten bleibt.
Ich probiere 2 Wochen gratis! Ich kaufe!

Liraglutid