Fibromyalgie-Syndrom
- Autor(en): Urspeter Masche
- Reviewer: André Aeschlimann, Peter J. Keel, Dieter Pongratz, Urs Schlumpf
- pharma-kritik-Jahrgang 24
, Nummer 16, PK67
Redaktionsschluss: 8. Februar 2003
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2002.67 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Übersicht
Die Fibromyalgie ist ein Syndrom, das gekennzeichnet ist durch chronische, über den ganzen Körper verteilte muskuloskelettale Schmerzen, die nicht durch eine entzündliche oder degenerative Krankheit erklärt werden können. Sie manifestiert sich vor allem im mittleren Lebensalter und betrifft etwa 2% der Frauen und 0,5% der Männer. 1990 hat die amerikanische Fachgesellschaft «American College of Rheumatology» (ACR) Kriterien publiziert, mit denen sich eine Fibromyalgie definieren lässt: Die Schmerzen müssen während mindestens drei Monaten sowohl im Achsenskelett als auch in allen vier Körperquadranten – rechte und linke Körperhälfte, ober- und unterhalb der Taille – vorhanden sein; ferner müssen unter einem Fingerdruck von 4 kg in mindestens 11 von 18 sogenannten «Tender Points» Schmerzen angegeben werden.(1) Die Lokalisationen dieser Fibromyalgie- Punkte sind in Tabelle 1 aufgeführt (im Internet gibt es auch grafische Darstellungen, z.B. unter http://www.fibromyalgienetzwerk. de/page5.html). Die Schmerzverteilung und die Zahl der schmerzhaften Fibromyalgie-Punkte können im Krankheitsverlauf wechseln. Meistens sind die Schmerzen von anderen Symptomen begleitet wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Schwellungsgefühl, Kopfschmerzen oder Parästhesien. Abgesehen von den schmerzhaften Fibromyalgie- Punkten findet man bei der körperlichen Untersuchung keine abnormen Befunde; insbesondere fehlen Entzündungszeichen wie Rötung, Schwellung oder Überwärmung. Die Fibromyalgie ist oft von anderen Krankheiten – z.B. Migräne, Reizdarmsyndrom oder Depression – begleitet.(2)
Bei der Differentialdiagnose der Fibromyalgie muss an eine Hypothyreose, einen Hyperparathyreoidismus, eine Polymyalgia rheumatica, medikamenteninduzierte Myopathien (z.B. durch Statine), eine Lyme-Borreliose, einen Lupus erythematosus, ein Sjögren-Syndrom, eine beginnende rheumatoide Arthritis, eine Spondylitis ankylosans und ein «Chronic Fatigue»- Syndrom gedacht werden. Bei der Fibromyalgie sind die entsprechenden Laborwerte (Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein, Kalzium, Kreatinkinase, TSH und serologische Tests) normal. Zu unterscheiden gilt auch das myofasziale Schmerzsyndrom, bei dem Schmerzen in Triggerpunkten einzelner Muskeln entstehen und auf eine Muskelregion konzentriert bleiben. Wenn diese Triggerpunkte palpiert werden, spürt man häufig eine umschriebene Verhärtung und es lassen sich die der betroffenen Personen bekannten Schmerzen provozieren – Eigenschaften, die auf die Fibromyalgie-Punkte nicht zutreffen.(3,4)
Ursache und Pathophysiologie der Fibromyalgie sind nicht bekannt. Es wird unter anderem vermutet, dass die autonome und endokrine Stressantwort gestört und dadurch eine Schmerz- überempfindlichkeit vorhanden ist. So hat man beobachtet, dass bei Fibromyalgie-Kranken die Konzentrationen von Neurotransmittern (Serotonin, Noradrenalin, Substanz P) oder von Hormonen (Kortisol, «Insulin-like Growth Factor») verändert sein können. Ferner weisen viele Fibromyalgie-Kranke ein verändertes Schlafmuster auf mit einer Reduktion des NREMSchlafes – was mit ihrer Angabe korreliert, sie würden wiederholt aufwachen und fühlten sich am Morgen nicht erholt.(2)
Der Begriff der Fibromyalgie ist von Kontroversen begleitet.(4,5) Es wird bemängelt, dass es sich um eine durch ein Fachgremium definierte Diagnose ohne erkennbare Abnormität handelt. Auch die Rolle, welche die «Tender Points» bei der Diagnose spielen, wird kritisiert. Sie gelten zwar als einziges «objektives » Zeichen der Fibromyalgie; dennoch unterliegen sie sowohl von Seiten der untersuchten als auch der untersuchenden Person einer beträchtlichen Subjektivität. So anerkennt man heute, dass eindeutige anamnestische Angaben genügen, um von einer Fibromyalgie auszugehen, und stützt sich vor allem noch aus medikolegalen Gründen auf das Kriterium der «Tender Points». Unbestritten ist, dass die betroffenen Personen unter einem grossen Leidensdruck stehen. Die Fibromyalgie greift in Berufsalltag, Familienleben und Freizeit ein und führt zu psychischen Problemen und zu einer allgemeinen Behinderung. Es entwickelt sich ein Teufelskreis aus Schmerz,
Inaktivität, Schlafstörungen und womöglich auch depressiver Verstimmung.
Die Behandlung der Fibromyalgie, die im Folgenden detaillierter vorgestellt wird, besteht sowohl aus medikamentösen als auch nicht-medikamentösen Massnahmen. Da nur wenig kontrollierte Studien existieren, die grössere Kollektive umfasst haben, beruht die Therapie zu einem erheblichen Teil auf Empirie. Bei Personen mit wenig Beschwerden mag es reichen, dass sie zu regelmässiger körperlicher Bewegung ermuntert werden, während bei schweren Symptomen eine ganze Palette von Behandlungen in Anspruch genommen werden muss.
Medikamente
Bei Fibromyalgie sind ganz unterschiedliche Medikamente erprobt worden. Am besten untersucht sind die trizyklischen
Antidepressiva, die bis heute die beste Wirkung gezeigt haben und einen wichtigen Pfeiler der Fibromyalgie-Behandlung darstellen.
Antidepressiva
Man nimmt an, dass die Wirkung von Antidepressiva bei Fibromyalgie darauf beruht, dass sie die Wiederaufnahme
von Serotonin und Noradrenalin hemmen. Serotonin scheint bei der Regulierung von Schlaf und von Schmerzen eine
Rolle zu spielen.
In placebokontrollierten Doppelblindstudien vermochte das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin (Saroten® u.a.), die weitaus am meisten verwendete Substanz, die Zahl der schmerzhaften Fibromyalgie-Punkte und die Beschwerden signifikant zu reduzieren. Gemäss einer Metaanalyse ergibt sich mit Amitriptylin (25 bis 50 mg/Tag) oder anderen trizyklischen Substanzen gegenüber Placebo ein mässiggradiger, im Durchschnitt jedoch erkennbarer Vorteil. Die beste Wirkung zeigen die trizyklischen Antidepressiva bei der Verbesserung der Schlafqualität, den geringsten Effekt bei der Beeinflussung der schmerzhaften Fibromyalgie-Punkte. Dies könnte als Hinweis gedeutet werden, dass die Wirkung der Antidepressiva zu einem wesentlichen Teil auf ihren sedierenden Eigenschaften beruht.(6)
Die aussagekräftigste Studie in dieser Metaanalyse – mit der grössten Population (n=208) und der längsten Beobachtungsdauer (6 Monate) – ist ein placebokontrollierter Vergleich zwischen Amitriptylin und Cyclobenzaprin, einem in Europa kaum verbreiteten Muskelrelaxans, das mit den trizyklischen Antidepressiva verwandt ist. Nach einem Monat berichteten in der Amitriptylin-Gruppe 21% der Behandelten über eine signifikante Besserung; in der Placebo-Gruppe war es niemand, unter Cyclobenzaprin 12%. Nach sechs Monaten stieg dieser Prozentsatz mit Amitriptylin auf 36%, mit Placebo auf 19% und mit Cyclobenzaprin auf 33% – der Unterschied zwischen den beiden aktiven Behandlungen und Placebo war nicht mehr signifikant.(7)
Zusammengefasst sind es 25 bis 30% der Fibromyalgie- Kranken, die von einer Behandlung mit Amitriptylin oder anderen trizyklischen Substanzen profitieren. Es dauert etwa 2 bis 4 Wochen, bis die Wirkung einsetzt. Sie scheint sich nach einigen Monaten zu verlieren (Tachyphylaxie), mit einem zwei- bis vierwöchigen «Drug holiday» aber zurückgewinnen zu lassen.(2) Bei der Fibromyalgie wählt man niedrigere Dosen als bei Depressionen, auch damit möglichst wenig der unangenehmen anticholinergen Nebenwirkungen auftreten. Die Anfangsdosis zum Beispiel von Amitriptylin liegt zwischen 10 und 25 mg/Tag (abends verabreicht), die man bis auf 50 mg/Tag steigern kann. Höhere Dosen sind bei Fibromyalgie nicht geprüft; weil es einzelne Individuen gibt, die CYP2D6-Substrate wie Amitriptylin beschleunigt abbauen («ultrarapid metabolizers»), mag im Einzelfall ein Versuch mit einer höheren Dosis gerechtfertigt sein.
Von den Serotonin-Wiederaufnahmehemmern sind Fluoxetin (Fluctine® u.a., 20 mg/Tag) und Citalopram (Seropram® und andere, 20 bis 40 mg/Tag) in kontrollierten Studien getestet worden, wobei die Unterschiede gegenüber Placebo mehrheitlich nicht bedeutend waren.(8) In einer kleinen placebokontrollierten
Studie (n=19), im «Cross-over»-Design durchgeführt, wirkte Fluoxetin ebenso gut wie Amitriptylin. Am besten half die Kombination der beiden Antidepressiva. (9) Es bleibt offen, ob dies als additiver Effekt interpretiert werden soll oder mit der CYP2D6-hemmenden Wirkung von Fluoxetin zusammenhängt, die einen Anstieg der Amitriptylin-Spiegel hervorrufen kann.
Analgetika
Obschon die meisten Fibromyalgie-Kranken auf Analgetika zurückgreifen, sind dazu nur sehr wenig kontrollierte Studien durchgeführt worden. Nicht-steroidale Enzündungshemmer wie Ibuprofen (Brufen® u.a.), Naproxen (Apranax® und andere) oder Tenoxicam (Tilcotil®) wirkten nicht besser als Placebo. Von anderen Analgetika ist lediglich Tramadol (Tramal® u.a.) untersucht worden; die relativ spärlich vorhandenen Daten lassen annehmen, dass Tramadol bei Fibromyalgie die Schmerzen stärker lindert als Placebo.(2,10) Zur vorübergehenden Schmerzlinderung kann gemäss Fachleuten auch Paracetamol (Dafalgan® u.a.) nützlich sein.
Andere Medikamente
Injektionen in die «Tender Points» mit 0,5%iger Lidocain- Lösung scheinen einigen Patientinnen und Patienten zu helfen. Möglicherweise ist es aber vor allem der Reiz des Nadelstichs, der wirkt;2 deshalb wird manchmal sogar nur ein sogenanntes «dry needling» angewendet. 5-HT3-Antagonisten (Ondansetron = Zofran®, Tropisetron = Navoban®) mindern gemäss zwei kontrollierten Studien die Schmerzen besser als Placebo.(8,10)
Ademetionin (S-adenosyl-L-methionin) – eine natürlich vorkommende Substanz, die in den USA frei erhältlich ist und in einigen europäischen Ländern als Medikament gegen degenerative Gelenkserkrankungen angeboten wird – scheint bei Fibromyalgie-Beschwerden eine gewisse Wirkung zu haben, die auf den antidepressiven Eigenschaften von Ademetionin beruhen dürften.(2)
Zu den Medikamenten, die in kontrollierten Studien keine überzeugenden Resultate geliefert haben, gehören Prednison,Benzodiazepine und Calcitonin.
Nicht-medikamentöse Massnahmen
Da medikamentöse Behandlungen in weniger als der Hälfte der Fälle helfen, haben andere Therapien einen wichtigen
Stellenwert. Es steht ein breites Angebot zur Verfügung, darunter auch nicht-schulmedizinische Verfahren.
Körperliches Training
Fibromyalgie-Symptome hängen unter anderem mit einer allgemeinen Dekonditionierung zusammen, der man mit verschiedenen Formen von körperlichem Training zu begegnen versucht. In einer Metaanalyse sind Studien zusammengefasst worden, die Ausdauertraining (aerobes Training) von mindestens 20 Minuten Dauer oder Muskelkräftigungsprogramme mit 8- bis 12maliger Repetition der einzelnen Übungen untersucht hatten. Das Ausdauertraining bestand aus Betätigungen, die alle grossen Muskelgruppen beanspruchten, wie Radfahren, Aerobic oder Gehen. Sowohl Ausdauertraining wie Muskelkräftigungsprogramme hatten an mindestens zwei Tagen pro Woche stattgefunden und wurden zum Teil auch miteinander kombiniert. Die Metaanalyse zeigte, dass ein Ausdauertraining bei Fibromyalgie- Kranken die Leistungsfähigkeit fördert und das Wohlbefinden verbessert; auch in Bezug auf die schmerzhaften Fibromyalgie- Punkte ergaben sich günstige Wirkungen. Die allgemeinen Schmerzen, Müdigkeit und Schlafprobleme liessen sich dagegen durch das Ausdauertraining nur wenig beeinflussen. Ein Muskelkräftigungsprogramm verspricht eine gewisse Schmerzlinderung; Müdigkeit und Schlafstörungen werden dagegen ebenfalls nicht verändert.(11)
Da die Muskeln bei Fibromyalgie oft verkürzt sind, werden auch Dehnungsübungen als hilfreich angesehen. Bei Schmerzschüben ist an muskeldetonisierende Massnahmen
(z.B. lokale Wärmeapplikation) zu denken.
Akupunktur
Eine systematische Übersicht kommt zum Schluss, dass
Akupunktur bei Fibromyalgie nützlich sein kann.(12) Von den einzelnen Studien wurde eine als qualitativ gut eingestuft: 70 Personen waren in zwei Gruppen aufgeteilt worden; in der einen fanden über drei Wochen sechs Sitzungen Elektroakupunktur statt; in der anderen wurde die Akupunktur imitiert, indem man die Nadeln weniger tief und an nichtakupunkturspezifischen Orten einstach («sham acupuncture »). Mit Akupunktur erlebten fast 60% der Behandelten eine mindestens zufriedenstellende Besserung, indem zum Beispiel die Schmerzen signifikant besser beeinflusst wurden als in der Kontrollgruppe.(13)
Es ist zu beachten, dass einzelne Fibromyalgie-Kranke auf Akupunktur mit einer Verstärkung der Schmerzen reagieren.
Nicht-somatische Therapien
Da medikamentöse Therapien bei Fibromyalgie nur beschränkt nützen und ihre Pathophysiologie unklar ist, genügt ein rein biologisches Modell vermutlich nicht, um diesem Syndrom gerecht zu werden. Chronische Schmerzen führen nicht nur zu körperlichen, sondern auch zu psychischen und sozialen Einschränkungen.
So erscheint es plausibel, psychosoziale Aspekte zu berücksichtigen,
und zwar mit Therapieansätzen, die darauf zielen, dass Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen das Schmerzempfinden beeinflussen. Dazu gehören strukturierte Gespräche, autogenes Training, Entspannungstechniken,
kognitive Verhaltenstherapie, Hypnose oder Biofeedback. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Fibromyalgie-Kranke
von solchen Behandlungen profitieren. Wie in einer systematischen Übersicht dargelegt ist, darf der Effekt von nichtsomatischen Behandlungen indessen nicht überschätzt werden; die schmerzlindernde Wirkung ist geringer als bei körperlichem Training. Indem sie die Fähigkeit verbessern können, mit den Fibromyalgie-Symptomen umzugehen, sind sie jedoch als wichtige Unterstützung aufzufassen.(14)
Nicht-somatische Behandlungsformen lassen sich auch miteinander kombinieren. Dass dies wesentliche Vorteile bieten würde, liess sich in einer Cochrane-Übersicht nicht nachweisen (unter anderem, weil sich die vorhandenen Studien nicht durch hohe Qualität auszeichnen).(15)
Fibromyalgie und Arbeitsfähigkeit
Einer der schwierigen Punkte bei der Fibromyalgie ist die Einstufung der Arbeitsfähigkeit. Schon bei der Frage, inwieweit
Schmerzen die Arbeitsfähigkeit beeinflussen, stösst man an Grenzen; umso mehr als für Fibromyalgie-Kranke die Stärke der Schmerzen das geringere Problem zu sein scheinen als die Tatsache, dass chronische Schmerzen vorhanden sind, und der Glaube, dass ein normales Leben nicht mehr möglich sei. Einige Fibromyalgie-Kranke können trotz ihrer Beschwerden ihrer gewohnten Beschäftigung nachgehen, während bei anderen die Arbeit zu einer Verschlimmerung der Schmerzen führt. Jeder Fall muss individuell analysiert werden. So gilt es, festzuhalten, welche Anforderungen am Arbeitsplatz vorhanden sind und welche beruflichen Faktoren eine Verschlechterung der Fibromyalgie bewirken. Es muss abgeklärt werden, ob die betroffene Person an einer Depression oder einer anderen psychiatrischen Krankheit leidet, die behandelt werden kann. Unter Umständen lohnt es sich, eine gezielte Rehabilitation einzuplanen, bei der auch Fragen hinsichtlich Belastbarkeit am Arbeitsplatz genauer evaluiert werden können. Darauf sollen die Entscheidungen bauen, ob der bisherige Beruf beibehalten werden kann (eventuell mit Modifikationen oder Einschränkungen), ob ein Berufswechsel ins Auge gefasst werden muss und ob voll- oder teilzeitlich gearbeitet werden kann. Nach 6 bis 12 Monaten soll überprüft werden, wie valabel der eingeschlagene Weg ist.(16)
Schlussfolgerungen
Beim Fibromyalgie-Syndrom sind generalisierte, bilaterale Schmerzen die Hauptbeschwerden, schmerzhafte «Tender
Points» der Hauptbefund. Es ist bisher nicht gelungen, die Pathophysiologie überzeugend zu erklären.
Die Behandlung der Fibromyalgie ist im Allgemeinen nicht von grossem Erfolg gekrönt: etwa ein Drittel der Behandelten erfährt eine erkennbare Besserung. Am besten dokumentiert ist die Behandlung mit niedrigen Dosen trizyklischer Antidepressiva, namentlich mit Amitriptylin. Auch wenn die Wirkung der Antidepressiva nach einigen Monaten zurückgeht, reicht diese Frist oft, damit sich die Betroffenen von ihren Beschwerden erholen können. Analgetika sind bei der Fibromyalgie von wenig Nutzen. Andere Medikamente sind in Studien wenig erprobt, was nicht ausschliesst, dass sich darunter wertvolle Alternativen befinden.
Neben den Antidepressiva nimmt ein regelmässiges körperliches Training, das alle grossen Muskelgruppen berücksichtigt und das Herz-Kreislauf-System aktiviert, einen wichtigen Platz ein. Es kann dabei zu Beginn des Trainings zu einer Zunahme der Schmerzen kommen. Alle körperlichen Behandlungen helfen in der Regel nur so lange, wie sie durchgeführt werden.
Nicht-somatische Methoden haben auf die primären Symptome der Fibromyalgie kaum Einfluss, vermögen aber zur Krankheitsbewältigung beizutragen. Die Betreuung von Fibromyalgie-Kranken kann anforderungsreich und ermüdend sein. Dazu kommt, dass das Internet und andere Quellen mit einer Flut von Informationen aufwarten, die nicht immer über alle Zweifel erhaben sind und einer sachlichen Auseinandersetzung im Wege stehen können.
Kommentar
Die Psychotherapien scheinen, abgesehen von der Trainingstherapie, wenig effizient. Kognitiv-verhaltenstherapeutische
Methoden (Information, Schmerz- und Stressbewältigung) – oft kombiniert mit Training – haben sich in der Behandlung zum Beispiel von chronischen Rückenschmerzen als effizient erwiesen. Die geringe Effizienz bei Fibromyalgie mag unter anderem an den Schwierigkeiten liegen, die mit der Durchführung von Psychotherapiestudien (kein Placebo möglich, meist nur Gruppenangebote) und der speziellen Personengruppe (stark chronifiziert, auffälligere Psychopathologie) verbunden sind. Auch wenn Schmerz und Behinderung sich nicht beeinflussen lassen, kann das bessere Verständnis für die Krankheit und das Erleben, dass andere die gleichen Probleme haben, für Fibromyalgie-Kranke und Kostenträger sehr viel wert sein, indem zum Beispiel die Inanspruchnahme anderer Leistungen zurückgeht, weil das Selbsthilfepotential der Patientinnen und Patienten verbessert wird, ein Aspekt der noch kaum untersucht wurde.
Literatur
- 1) Wolfe F et al. Arthritis Rheum 1990; 33: 160-72
- 2) Leventhal LJ. Ann Intern Med 1999; 131: 850-8
- 3) Millea PJ, Holloway RL. Am Fam Physician 2000; 62: 1575-82
- 4) McGurk C et al. Practitioner 2001; 245: 1026-30
- 5) Wolfe F. J Rheumatol 2000; 27: 2534-5
- 6) Arnold LM et al. Psychosomatics 2000; 41: 104-13
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- 8) Miller LJ, Kubes KL. Ann Pharmacother 2002; 36: 707-12
- 9) Goldenberg D et al. Arthritis Rheum 1996; 39: 1852-9
- 10) Forseth KØ, Gran JT. Drugs 2002; 62: 577-92
- 11) Busch A et al. Cochrane Database Syst Rev 2002; (3): CD003786
- 12) Berman BM et al. J Fam Pract 1999; 48: 213-8]
- 13) Deluze C et al. Br Med J 1992; 305: 1249-52
- 14) Hadhazy VA et al. J Rheumatol 2000; 27: 2911-8
- 15) Karjalainen K et al. Cochrane Database Syst Rev 2002; (3): CD001984
- 16) Bennett RM. Arthritis Rheum 1996; 39: 1627-34
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