Asthmabehandlung
- Autor(en): Etzel Gysling
- Reviewer: Martin Häcki, Andreas Knoblauch, Jörg Leuppi
- pharma-kritik-Jahrgang 23
, Nummer 16, PK278
Redaktionsschluss: 14. März 2002
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2001.278 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Update
Seit in pharma-kritik vor knapp 4 Jahren eine Übersicht zur inhalativen Therapie des Asthma bronchiale veröffentlicht wurde,(1) haben sich keine grundlegenden Änderungen der Therapie ergeben. Die inhalative Therapie wurde durch fixe Kombinationen von Kortikosteroiden und langwirkenden Betamimetika ergänzt. Neu wurden zwei Leukotrien-Rezeptorantagonisten zur oralen Anwendung eingeführt.
Über das Internet sind verschiedene Guidelines zur Asthmabehandlung bei Kindern und Erwachsenen zugänglich. Nicht alle diese Dokumente sind aktuell; entsprechend muss zu vorsichtiger Interpretation geraten werden.
Der folgende Text will anhand von Fragestellungen einzelne bekannte Aspekte rekapitulieren und durch neue Erkenntnisse ergänzen. Die "offiziell" empfohlenen Tagesdosen und die Markennamen der besprochenen Medikamente sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Viele der zitierten Studien wurden in unserer Zeitschrift infomed-screen zusammengefasst und sind auf der INFOMED-2002-CD abrufbar.
Kortikosteroide
Was ist bei einem akuten schweren Asthmaanfall besser wirksam: inhalierte Kortikosteroide oder Prednison per os?
In einer Doppelblindstudie erhielten Kinder entweder inhalativ Fluticason oder Prednisonsirup. Vier Stunden nach Behandlungsbeginn mit Prednison waren die respiratorischen Messwerte signifikant besser als unter der Behandlung mit Fluticason.(2) (INFOMED 2002: P10)
Gemäss einer systematischen Übersicht wurden inhalative Steroide in vier Studien (alle bei Kindern) mit systemischen Steroiden verglichen. Untersucht wurde, wieviele Kinder hospitalisiert werden mussten. Es ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Behandlungen; die Resultate waren jedoch sehr heterogen, so dass keine eindeutige Schlussfolgerung möglich ist.(lit)In welchem Ausmass kann die antiasthmatische Wirkung durch eine höhere inhalative Steroiddosis gesteigert werden?
In einer Doppelblindstudie erhielten 177 Kinder und Jugendliche während eines Jahres täglich entweder 400 mg oder 800 mg Beclometason oder die niedrigere Beclometasondosis zusammen mit Salmeterol (100 mg/Tag). Es ergaben sich keine signifikanten klinischen oder spirometrischen Unterschiede zwischen den Gruppen.(4)
Gemäss einer Metaanalyse, in der 8 Studien mit insgesamt 2324 jugendlichen und erwachsenen Asthmakranken zusammengefasst wurden, flacht die Dosis-Wirkungs-Kurve von Fluticason bereits zwischen 100 und 200 mg/Tag ab und die maximale Wirkung ist im Bereich von etwa 500 mg/Tag erreicht.(5) (INFOMED 2002: N20)
Wie sind die systemischen Wirkungen inhalativer Kortikosteroide zu beurteilen?
Was wirkt besser: eine höhere Dosis eines inhalierten Kortikosteroids oder die Zugabe eines langwirkenden Betamimetikums?
In einer Doppelblindstudie fand sich bei jungen Asthmakranken langfristig weder für eine höhere Steroiddosis noch für ein zusätzlich verabreichtes Betamimetikum relevante Unterschiede gegenüber einer unverändert applizierten Tagesdosis von 400 mg Beclometason, siehe oben.(4)
Eine von der Herstellerin von Salmeterol durchgeführte Metaanalyse von neun Studien mit insgesamt 3658 Asthmakranken ergab, dass mit Salmeterol (als Zusatz zu niedrig dosierten Kortikosteroiden) eine stärkere Symptombesserung zu erreichen ist als mit höheren Dosen inhalativer Kortikosteroide. Unter Salmeterol stieg die Zahl beschwerdefreier Tage und Nächte und es traten signifikant weniger Exazerbationen auf.(7) (INFOMED 2002: P44)
In einer Doppelblindstudie erhielten Erwachsene Budesonid (200 oder 800 mg/Tag) und Formoterol (24 mg/Tag) oder Placebo. Die asthmatischen Beschwerden wurden mit der Kombination der höheren Steroiddosis plus Formoterol am besten beeinflusst; die Kombination "niedrige Budesoniddosis plus Formoterol" hatte eine ähnliche Wirkung wie die höhere Budesoniddosis allein.(lit)Können inhalative Kortikosteroide sinnvoll mit Theophyllin per os kombiniert werden?
Langwirkende Betamimetika
Die regelmässige Verabreichung von kurzwirkenden Betamimetika wie z.B. Salbutamol (Ventolin® u.a.) kann zur Toleranz gegenüber der bronchodilatatorischen Wirkung führen. Was weiss man heute über die langfristige regelmässige Anwendung der langwirkenden Betamimetika?
In einer Doppelblindstudie erhielten Erwachsene mit leichtem bis mittelschwerem Asthma zusätzlich zu inhalativen Steroiden im Crossover-Verfahren während je 6 Monaten Salmeterol (2mal 50 mg/Tag) oder Placebo. Unter Salmeterol waren die spirometrischen Werte besser und die klinischen Symptome geringer. Die Zahl der Exazerbationen bzw. der Bedarf an oralen Steroiden wurde jedoch durch das Betamimetikum nicht signifikant beeinflusst.(10) (INFOMED 2002: S44)
In einer systematischen Übersicht wurden 30 Studien zusammengefasst, in denen Kinder mit langwirkenden Betamimetika behandelt worden waren. Diese Medikamente haben auch langfristig eine statistisch signifikante bronchodilatatorische Wirkung. Es entwickelt sich jedoch eine teilweise Toleranz: Der Schutz gegen Bronchospsamen, die von Anstrengungen oder unspezifischen Reizen verursacht werden, ist bei regelmässigem Gebrauch langwirkender Betamimetika gering.(lit)Welche Medikamente sind bei der langfristigen Behandlung vorzuziehen: langwirkende Betamimetika (inhalativ) oder Theophyllin (per os)?
Gemäss einer systematischen Übersicht finden sich sechs randomisierte Studien, in denen bei Jugendlichen oder Erwachsenen langwirkende Betamimetika (hauptsächlich Salmeterol) mit oralen Theophyllin-Retardpräparaten verglichen wurden. Meistens handelte es sich um eine Zusatzbehandlung zu Kortikosteroiden. Beide Behandlungsoptionen waren wirksam, Salmeterol war tendenziell wirksamer in Bezug auf nächtliche Asthma-Anfälle, Theophyllin verursachte mehr unerwünschte Wirkungen.(lit)
Können statt kurzwirkenden auch langwirkende Betamimetika zur Behandlung von Asthmaanfällen eingesetzt werden?
In einer 12 Wochen dauernden Doppelblindstudie verwendeten erwachsene Asthmakranke Formoterol (Einzeldosis 6 mg) oder Terbutalin (Bricanyl®, Einzeldosis 500 mg) zur Behandlung von Asthmaanfällen. Bei Verwendung von Formoterol waren Asthma-Exazerbationen seltener; auch die Spirometrie-Messwerte waren in der Formoterolgruppe etwas besser. Beide Medikamente wurden gleich gut vertragen.(13) (INFOMED 2002: N69)
Salmeterol ist dagegen zur Anfallbehandlung nicht geeignet, da seine Wirkung verzögert eintritt.
Kann die Wirkung der Betamimetika im Anfall durch inhalativ verabreichtes Ipratropiumbromid verbessert werden?
In einer Metaanalyse wurden 10 randomisierte Studien zusammengefasst, in denen die Wirksamkeit von Ipratropiumbromid als Zusatz zu Betamimetika bei Kindern und Jugendlichen untersucht wurde. Im Vergleich mit Betamimetika allein bringt das Anticholinergikum eine Verbesserung der spirometrischen Werte; in einzelnen Studien mussten dank Ipratropiumbromid weniger Kranke hospitalisiert werden.(14)
Fixe Kombinationen von Kortikosteroiden und Betamimetika
Was weiss man über die langfristige Verträglichkeit der beiden fixen Kombinationen von Kortikosteroiden und Betamimetika (Fluticason/Salmeterol bzw. Budesonid/Formoterol)?
Während die Kombination von inhalativen Kortikosteroiden und Betamimetika nach aktuellem Wissen ähnlich oder gar besser wirksam ist als eine Steigerung der inhalativen Steroiddosis (siehe oben), scheinen zwischen einer fixen und einer freien Kombination der beiden Wirkkomponenten praktisch keine Wirkungsunterschiede zu bestehen. Die meisten Studien mit fixen Kombinationen dauerten allerdings nur 12 Wochen.(lit)
Wie gut sind Wirksamkeit und Verträglichkeit der beiden fixen Kombinationspräparate bei Kindern dokumentiert?
In einer Doppelblindstudie wurde die Kombination Fluticason/Salmeterol (200 mg/100 mg täglich) bei asthmakranken Kindern während 12 Wochen einerseits als fixe, anderseits als "freie" Kombination (zwei Diskusinhalationsgeräte, Dosierung wie im Kombinationspräparat) geprüft. Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsvarianten.(18)
In einer bisher erst als Abstract veröffentlichten Studie wurde die fixe Kombination von Budesonid und Formoterol (2mal täglich 160/9 mg) während 12 Wochen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 4 bis 17 Jahren gegen Budesonid allein (2mal täglich 160 mg) getestet. Die Behandlung mit dem Kombinationspräparat ergab signifikant bessere morgendliche Peakflow-Werte als Budesonid allein.(17)
Dennoch ist gemäss der internationalen Produkteinformation die Budesonid/Formoterol-Kombination erst ab 12 Jahren zugelassen, da die entsprechenden Daten offenbar noch als ungenügend angesehen werden. Nach der amerikanischen Produkteinformation ist auch die Fluticason/Salmeterol-Kombination erst ab 12 Jahren zugelassen. Dazu ist anzumerken, dass in vielen Ländern (z.B. auch in den USA) für Kinder zwischen 4 und 11 Jahren eine initiale Fluticasondosis von zweimal 50 mg täglich empfohlen wird. Im Gegensatz dazu steht die Zulassung der fixen, relativ höher dosierten Kombinationen in der Schweiz bereits ab 4 bzw. 6 Jahren.
Gibt es relevante, adäquat dokumentierte Unterschiede zwischen der fixen Kombination Fluticason/Salmeterol und derjenigen von Budesonid/Formoterol?
Einzeldosen der beiden fixen Kombinationen wurden in einer Doppelblindstudie bei 30 Personen mit einem mittelschweren Asthma verglichen. Diese Untersuchung bestätigte, dass die Wirkung von Formoterol rascher eintritt als diejenige von Salmeterol.(19)
Gesamthaft ist die Kombination Fluticason/Salmeterol zur Zeit besser dokumentiert; Studien, die einen bedeutsamen Vorteil gegenüber Budesonid/Formoterol dokumentieren würden, liegen aber nicht vor.
Leukotrien-Rezeptorantagonisten
Wie vergleicht sich die Wirkung der Leukotrienantagonisten mit derjenigen von inhalativen Steroiden?
In einer Doppelblindstudie erhielten 895 Personen mit chronischem Asthma während 12 Wochen Montelukast (10 mg/Tag) oder ein Beclometason-Aerosol (2mal täglich 200 mg) oder Placebo. Die aktiven Therapien beeinflussten die Asthmasymptome, die spirometrischen Werte und die Lebensqualität signifikant günstiger als Placebo. Beclometason war aber immer wirksamer als Montelukast.(20)
Wie vergleicht sich die Wirkung der Leukotrienantagonisten mit derjenigen der langwirkenden Betamimetika?
Lohnt es sich, mit Steroiden behandelten Asthmakranken zusätzlich einen Leukotrien-Rezeptorantagonisten zu verabreichen?
Bei 642 Erwachsenen mit chronischem Asthma, die mit inhalativem Beclometason (400 mg täglich) vorbehandelt waren, wurde während 12 Wochen die Zusatzwirkung von Montelukast (10 mg/Tag) geprüft. Während sich unter Beclometason allein die spirometrischen Werte und die Asthmasymptome tagsüber nicht änderten, wurde durch die kombinierte Behandlung mit Beclometason und Montelukast eine zusätzliche Besserung erreicht.(23)
Asthmakranke, die trotz inhalierten Kortikosteroiden und weiteren Medikamenten (langwirkende Betamimetika, eventuell orale Steroide, Theophyllin) weiterhin an Symptomen litten, erhielten im Crossover-Verfahren zusätzlich Montelukast oder Placebo. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Montelukast und Placebo.(24) (INFOMED 2002: N27)
Ein vierwöchiger Vergleich zwischen Zafirlukast (2mal täglich 20 mg) und dem Salmeterol-Aerosol (2mal täglich 50 mg) bei Asthmakranken, die trotz inhalativen Steroiden noch symptomatisch waren, fiel zu Gunsten von Salmeterol aus: Peakflow-Werte und Asthmasymptome wurden von Salmeterol signifikant stärker gebessert.(25) Ähnliche Resultate ergaben sich aus Vergleichen zwischen Montelukast und Salmeterol.
Literatur
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- 25) Busse W et al. J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 1075-80
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