Chronisch-obstruktive Lungenkrankheit
- Autor(en): Alexandra Röllin
- pharma-kritik-Jahrgang 38
, Nummer 11, PK1007
Redaktionsschluss: 15. Februar 2017
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2016.1007 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Die chronisch-obstruktive Lungenkrankheit – landläufig COPD («Chronic Obstructive Pulmonary Disease») genannt – ist sowohl bei uns als auch weltweit eine häufige Invaliditäts- und Todesursache. Seitdem wir 1999 letztmalig eine Übersicht zur Behandlung der COPD veröffentlicht haben, hat die Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie bereits zweimal neue Leitlinien dazu herausgegeben.(1)
Die COPD ist charakterisiert durch eine chronische, nicht reversible obstruktive Ventilationsstörung, welche auf eine Kombination von entzündlichen Veränderungen der kleinen Atemwege (obstruktive Bronchiolitis) und des Lungenparenchyms (Emphysem) zurückzuführen ist. Diese entsteht aus einem Zusammenspiel von Umweltexposition und Veranlagung der betroffenen Personen. In industrialisierten Ländern stellt das Rauchen den wichtigsten externen Risikofaktor dar, weitere Faktoren sind eine berufliche Exposition gegenüber Stäuben und Dämpfen, Passivrauchen und Luftverschmutzung. Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist als monogen vererbte Erkrankung das Paradebeispiel für eine erhöhte Vulnerabilität, frühzeitig eine schwere COPD zu entwickeln. Allerdings ist dieser Gendefekt für weniger als 1% der COPD-Erkrankungen verantwortlich. Häufiger ist die Veranlagung polygenetisch vererbt, aber auch eine bronchiale Hyperreagibilität, ein Asthma oder häufige Lungeninfekte in der Kindheit (besonders durch Adenoviren) erhöhen das Risiko für eine COPD.
Aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität der klinischen Untersuchung zur Identifizierung von leichten bis mittelschweren COPD-Erkrankungen gilt die Lungenfunktionsprüfung mittels Spirometrie als Goldstandard der COPD-Diagnostik. Beim Vorliegen von typischen Symptomen (Auswurf, Husten, Atemnot) gilt ein Verhältnis von Erstsekundenvolumen (FEV1) zu forcierter Vitalkapazität (FVC) von weniger als 0,70 als diagnostisch für eine COPD. Bei Personen über 45 Jahren mit typischen Symptomen und/oder Risikofaktoren für eine COPD sollte eine Spirometrie durchgeführt werden, ein Screening der gesamten Bevölkerung wird jedoch nicht empfohlen.
Die Behandlung und langfristige Betreuung von COPD-Kranken sollte sich allerdings nicht einzig nach dem FEV1-Wert richten, sondern weitere, für den Verlauf und die Prognose wichtige Faktoren miteinbeziehen. Dazu gehören das Ausmass der Symptome, die Häufigkeit von Exazerbationen, körperliche Leistungsfähigkeit, Körpergewicht bzw. Muskelmasse sowie das Vorliegen von Begleiterkrankungen.
Nicht-medikamentöse Massnahmen
Die einzige Massnahme, welche das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten kann, ist das Vermeiden der auslösenden Noxe, was in unseren Breitengraden zumeist mit einem Rauchstopp gleichzusetzen ist. Ein solcher soll bei allen COPD-Kranken angestrebt werden, da damit auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien die Prognose verbessert wird. Bereits eine gezielte Kurzintervention von 3 bis 5 Minuten vermag die Rauchstopp-Rate messbar zu erhöhen (Abstinenzrate von 4-6% gegenüber 1-3% ohne jegliche Intervention). Ist die Motivation der betroffenen Person bereits genügend hoch, so lohnt sich eine aufwändigere, verhaltenstherapeutisch orientierte Rauchstoppberatung sowie medikamentöse Unterstützung. Mit einer Kombination beider Massnahmen konnten die höchsten Abstinenzraten erzielt werden (bis 34% nach 12 Monaten). Welches Medikament dabei zum Einsatz kommt, scheint bezüglich Erfolgsrate keinen Unterschied zu machen, so dass die Wahl aufgrund des Nebenwirkungsprofils, der persönlichen Vorlieben der Betroffenen und der Kosten getroffen werden kann.(1)
Regelmässige körperliche Aktivität verbessert die Leiststungstoleranz von COPD-Kranken. In den Anfangsstadien der Erkrankung sollten die Betroffenen dazu ermutigt werden, sich im Alltag genügend zu bewegen. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien steigert eine pulmonale Rehabilitation die Leistungsfähigkeit, vermindert Dyspnoe sowie Exazerbationsrate und wirkt der zunehmenden Immobilität entgegen. Die Rehabilitation kann stationär oder ambulant durchgeführt werden.
Eine Unterstützung von COPD-Kranken in ihrem Selbstmanagement, die Aktionspläne zum rechtzeitigen Erkennen und adäquaten Behandeln von Exazerbationen sowie kognitiv- verhaltenstherapeutische Ansätze zur Krankheitsbewältigung und Verhaltensänderung beinhalten sollte, wirkt sich günstig auf Symptome und Lebensqualität – und wahrscheinlich auch die Hospitalisationsrate – aus. Ein langfristiger Nutzen, insbesondere auf die Krankheitsprognose, ist bislang allerdings nicht überzeugend nachgewiesen.(2)
Impfungen
Bei COPD-Kranken wird die jährliche Durchführung der Grippeimpfung empfohlen. Sie verringert möglicherweise die Häufigkeit von COPD-Exazerbationen und das Risiko für Influenza-assoziierte Infekte des Respirationstraktes.(3)
Gemäss einer aktuellen Meta-Analyse können mit einem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff gegen Pneumokokken wahrscheinlich COPD-Exazerbationen und Pneumonien verhindert werden. Ob der konjugierte 13-valente (bei Kindern gebräuchliche) Impfstoff ebenfalls bei COPD-Kranken nützt, bleibt unklar.(4)
Durch die orale Verabreichung von Extrakten bakterieller Antigene (z.B. Broncho-Vaxom®) werden möglicherweise die Symptome von COPD-Exazerbationen leicht vermindert, insgesamt ist ihre Wirkung jedoch nur ungenügend dokumentiert.(5)
Inhalative Medikamente zur Erhaltungstherapie
Da nur ein Medikament, das an den richtigen Ort gelangt, die gewünschte Wirkung entfalten kann, ist die passende Wahl der galenischen Zubereitung (Lösung zur Applikation mit einem Vernebler, Dosieraerosol oder Pulverinhalation) und die korrekte Anwendung der entsprechenden Inhalationshilfe mindestens so wichtig wie die verwendete Substanz selbst. Somit ist es entscheidend, die korrekte Inhalationstechnik gut zu instruieren und auch zu kontrollieren.
Bronchodilatatoren
Inhalative Bronchodilatatoren stellen den Grundstein der medikamentösen COPD-Behandlung dar. Es werden sowohl kurz- als auch langwirksame Anticholinergika und Beta-2-Agonisten verwendet. Diese reduzieren durch eine verbesserte Exspiration die dynamische Lungenüberblähung, lindern die Atemnot und verbessern die Leistungsfähigkeit. Die langfristige Abnahme der Lungenfunktion vermögen sie jedoch nicht aufzuhalten. Eine Übersicht über die in der Schweiz erhältlichen Präparate gibt Tabelle 1i (Tabellen 1a und 1b im Internet).
Kurzwirksame Anticholinergika («short-acting muscarinic antagonists» = SAMA) haben eine Wirkdauer von 6 bis 8 Stunden, kurzwirksame Beta-Agonisten («short-acting beta-agonists» = SABA) eine solche von 4 bis 6 Stunden. Für eine kontinuierliche Wirkung müssen sie also mehrmals täglich inhaliert werden. Sie werden heute hauptsächlich für die intermittierende Bedarfsbehandlung in den Anfangsstadien der Erkrankung oder als Notfall-Medikamente bei Exazerbationen verwendet, während für die Basistherapie langwirksame Bronchodilatatoren zum Einsatz kommen.
Tiotropium (Spiriva®) ist das am häufigsten verwendete und am besten dokumentierte langwirksame Anticholinergikum (LAMA). Es muss nur einmal täglich inhaliert werden. Neben einer Symptomlinderung und Verbesserung der Lebensqualität vermag es im Vergleich mit Placebo Exazerbationen um etwa 20% zu vermindern.(6) Aufgrund der schlechteren Prognose bei häufigen Exazerbationen wird bisweilen gefolgert, dass Tiotropium auch die Prognose der Krankheit positiv beeinflussen würde. Allerdings konnte auch in einer grossen Langzeitstudie (UPLIFT) kein Einfluss auf den Rückgang der Lungenfunktion oder die Mortalität dokumentiert werden.(7) In den letzten Jahren wurden drei weitere langwirksame Anticholinergika entwickelt. Sie alle sind weniger dokumentiert als Tiotropium und scheinen diesem höchstens ebenbürtig zu sein. Aufgrund einer Meta-Analyse aus dem Jahre 2008 wurde vermutet, dass langwirksame Anticholinergika das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöhen. In der bereits erwähnten UPLIFT-Studie hingegen war das kardiale Risiko der mit Tiotropium behandelten Personen nicht erhöht; diese Frage wird weiterhin kontrovers diskutiert.
Die beiden seit längerem erhältlichen langwirksamen Beta-Agonisten (LABA) Salmeterol (Serevent®) und Formoterol (Foradil®, Oxis®) müssen zweimal täglich inhaliert werden. In den letzten Jahren wurden mit Indacaterol (Onbrez®) und Olodaterol (Striverdi®) zwei Substanzen entwickelt, deren einmal tägliche Anwendung genügt. Abgesehen davon konnte aber auch hier zwischen den verschiedenen Substanzen kein relevanter Unterschied bezüglich Wirksamkeit belegt werden. Auch langwirksame Beta-Agonisten verbessern die Lungenfunktion und Lebensqualität. Auch sie scheinen Exazerbationen verhindern zu können, sind aber diesbezüglich schlechter dokumentiert als Tiotropium. Tachykardie, Tremor und Hypokaliämie sind die häufigsten dosisabhängigen unerwünschten Wirkungen der Beta-Agonisten.(8)
Ob LAMA und LABA in der Langzeitbehandlung der COPD ebenbürtig sind, oder ob eine der beiden Medikamentengruppen der anderen überlegen ist, kann derzeitig nicht schlüssig beantwortet werden. Neuere Übersichtsarbeiten lassen die Vermutung aufkommen, dass LAMA möglicherweise Exazerbationen etwas zuverlässiger verhüten, während LABA eine tendenziell stärkere symptomatische Wirkung aufweisen.(9)
Inhalative Steroide
Inhalative Kortikosteroide (ICS) werden bei COPD sicher viel zu häufig eingesetzt. Im Gegensatz zur Asthmabehandlung stellen Steroide bei COPD keine Erstlinientherapie dar; sie sollen nur in Kombination mit LABA eingesetzt werden. Es bestehen viele offene Fragen zur Dosis-Wirkungsbeziehung und Langzeitsicherheit. Der Nutzen von ICS auf Symptome, Lungenfunktion und Lebensqualität (nicht aber Langzeitprognose und Mortalität) konnte nur bei fortgeschrittener COPD (FEV1<60%) mit häufigen Exazerbationen nachgewiesen werden, doch selbst diese Daten werden aus methodologischen Gründen teilweise hinterfragt.(10)
Eine weitere Gruppe von Kranken, bei denen ICS möglicherweise nützlich sind, sind diejenigen, deren Erkrankung sowohl Charakteristika von Asthma als auch COPD aufweist. Allerdings besteht kein Konsens darüber, wie diese Personen identifiziert werden sollen. In erster Linie wird empfohlen, sich auf die Anamnese zu stützen (z.B. Atopie, früheres Asthma). Auch Asthma-typische Befunde in der Spirometrie, wie beispielsweise die Zunahme des FEV1 nach Inhalation eines raschwirksamen Bronchodilatators, können auf ein solches «Asthma-COPD-Overlap-Syndrom» hinweisen. Ein sogenannter «Steroid-Trial» wird hingegen nicht mehr empfohlen.
COPD-Kranke, die ICS inhalieren, erkranken möglicherweise häufiger an Pneumonien. Dieses Risiko scheint für Fluticason etwas höher zu sein als für Budesonid.(11) Daneben muss mit den bekannten ICS-Langzeitnebenwirkungen wie Glaukom, Einfluss auf den Blutzuckerstoffwechsel und die Nebennierenrindenachse gerechnet werden.
Kombinationstherapien
Zunehmend wird eine Behandlung mit verschiedenen inhalativen Medikamenten gleichzeitig empfohlen und es kommen auch entsprechende Kombinationspräparate auf den Markt. Gemäss einer neueren Doppelblindstudie erscheint die Zweifachkombination von Indacaterol/Glycopyrronium (LAMA/LABA, Ultibro®) etwas günstiger als diejenige von Salmeterol-Fluticason (LABA/ICS, Seretide®).(12) Bei fortgeschrittener Erkrankung kann mit einer Zweifachtherapie (LAMA/LABA) oder Dreifachtherapie (LAMA/LABA/ICS) möglicherweise ein bescheidener Zusatznutzen hinsichtlich Lungenfunktion und Lebensqualität erreicht werden.(13) Da aber auch hier keine Beeinflussung der Langzeitprognose nachgewiesen werden konnte, sollen Personen, die mit einer Monotherapie beschwerdefrei sind, nicht «vorbeugend» mit einer Kombinationstherapie behandelt werden.
Andere Medikamente
Mukolytika
Mukolytika sind eine heterogene Gruppe von Substanzen, welche die Viskosität bronchialer Sekrete vermindern und dadurch das Abhusten verbessern sollen. Möglicherweise trägt auch die antioxidative Wirkung, die einige der verwendeten Substanzen aufweisen, zu ihrer Wirkung bei.
Gemäss einer aktuellen Meta-Analyse wird durch Mukolytika die Exazerbationshäufigkeit vermindert – dabei mussten 8 Personen mit COPD oder chronischer Bronchitis über 10 Monate behandelt werden, um eine Exazerbation zu verhindern. Diese Resultate werden allerdings dadurch relativiert, dass zwischen den Resultaten verschiedener Studien grosse Unterschiede bestehen.(14) Neuere und qualitativ bessere Studien zeigen dabei tendenziell eine geringere Wirkung. Eine der grössten und qualitativ besten Studien konnte eine verminderte Exazerbationsrate nur bei Personen ohne begleitende Behandlung mit ICS nachweisen.(15) Das mit Abstand am besten untersuchte Mukolytikum ist Acetylcystein (Fluimucil® u.a.), auch zu Carbocistein (Rhinathiol® u.a.) und Ambroxol (Bisolvon® u.a.) gibt es mehrere Studien. Dabei scheint keine der Substanzen den anderen überlegen zu sein.
Phosphodiesterasehemmer
Das seit über einem Jahrhundert gebräuchliche, oral verabreichte Xanthinderivat Theophyllin (Unifyl® u.a.) ist ein nicht-selektiver Hemmer der Phosphodiesterase. Seine bronchodilatatorische Wirkung ist bescheiden, aber gut belegt. Darüber hinaus soll es weitere physiologische Wirkungen haben, deren Relevanz unklar ist. Aufgrund seiner engen therapeutischen Breite sowie den häufigen unerwünschten Wirkungen und Interaktionen wird es heute nicht mehr als Erstlinienmedikament empfohlen.
Seit 2012 ist mit Roflumilast (Daxas®) ein selektiver Hemmer der Typ-4-Phosphodiesterase (PDE-4) erhältlich. Wie in unserer Zeitschrift bereits dargestellt,(16) hat die Substanz eine eher ungünstige Nutzen/Risiko-Bilanz. In der neuesten Studie, in der Roflumilast zusätzlich zu LABA und ICS verabreicht wurde, konnte zudem kein Nutzen hinsichtlich der Exazerbationsrate belegt werden.(17)
Prophylaktische Antibiotikabehandlung
Gemäss neueren Studien und Meta-Analysen kann die prophylaktische Dauereinnahme von Makroliden Exazerbationen verhüten. Dafür sollen neben den antibiotischen auch immunmodulierende Eigenschaften der Makrolide verantwortlich sein. Diesbezüglich am besten untersucht ist Azithromycin (Zithromax® u.a.). Aufgrund des erhöhten Risikos der Entwicklung resistenter Keime und der möglichen kardialen Toxizität der Makrolide sollte diese Massnahme allerdings Ausnahmefällen vorbehalten bleiben.
Behandlung akuter Exazerbationen
Die Intensivierung der Bronchodilatation mittels SABA und SAMA gilt als Basis der Behandlung von Exazerbationen jeden Schweregrades. Es wird empfohlen, die Wirkstoffe in dieser Situation bevorzugt mittels Vernebler zu verabreichen. Ein mit einer Vorschaltkammer verwendeter Spray ist möglicherweise ebenfalls wirksam. Pulverinhalatoren hingegen sind zu vermeiden, da ab einen gewissen Grad der obstruktiven Ventilationsstörung der Atemfluss nicht mehr genügt, um die Medikamentenpartikel bis in die peripheren Atemwege zu transportieren.(1)
Orale Kortikosteroide spielen eine zentrale Rolle bei der Behandlung akuter Exazerbationen. Sie beschleunigen die Erholung des FEV1, verkürzen Spitalaufenthalte und vermindern die Sterblichkeit.(18) Neuere Studien zeigen, dass eine Behandlung für 5 Tage genau so gut wirkt wie die früher übliche, längere Behandlung und dabei weniger Steroidnebenwirkungen auftreten.(19) Zur Frage nach der idealen Dosis gibt es kaum vergleichende Studien, gemäss den gängigen Empfehlungen sollen einmal täglich 25-50 mg Prednisonäquivalent verabreicht werden.
Der Einsatz von Antibiotika wird kontrovers diskutiert. Nur für sehr schwere Exazerbationen mit Aufenthalt auf der Intensivstation ist eine Verbesserung der Prognose belegt.(20) Für alle anderen Situationen sind die Studienresultate widersprüchlich. Es scheint Betroffene zu geben, welche von Antibiotika profitieren – wie diese am besten identifiziert werden, bleibt umstritten. Eine Empfehlung lautet, Antibiotika dann zu verwenden, wenn vermehrt eitriges Sputum produziert oder ohne Antibiotikum innerhalb von 24-48 Stunden unter ausgebauter inhalativer Therapie und Gabe von systemischen Steroiden keine relevante Besserung erreicht wird.(1) Die Empfehlungen zur Wahl des Antibiotikums sind regional unterschiedlich und stützen sich auf die lokale Resistenzlage und das Risiko eines Infekts mit resistenten Keimen (vorgängige Antibiotikatherapie, häufige Hospitalisationen, Bronchiektasen). Auch bei den Antibiotika scheint eine Therapiedauer von mehr als 5 Tagen keinen Vorteil zu bieten.
Bei hospitalisierten Personen mit schweren Exazerbationen wird der Einsatz von Sauerstoff empfohlen, bei leichten bis mittelschwerem Exazerbationen im ambulanten Setting ist seine Wirkung unklar. Bei sehr schweren Exazerbationen kann zusätzlich eine nicht-invasive Atemunterstützung erwogen werden.
Weiterführende Massnahmen bei schwerer COPD
Sauerstoff-Heimtherapie
Bei einer schweren COPD entwickelt sich häufig eine Gasaustauschstörung und respiratorische Insuffizienz mit Abfall des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes (PaO2). Diese kann sekundär zu Polyglobulie und erhöhtem pulmonal-arteriellem Druck (Cor pulmonale) führen, einem Spätzustand mit sehr schlechter Prognose. Bei kontinuierlicher Anwendung von Sauerstoff (mindestens 15 Stunden täglich) konnte bei COPD-Kranken mit einem PaO2 von <8 kPa ein Überlebensvorteil gezeigt werden. Als Indikation für eine Sauerstoff-Heimtherapie gilt entweder ein PaO2< 7,3 kPa oder ein PaO2 von 7,3-8,0 kPa, wenn eine Polyglobulie oder ein Cor pulmonale vorliegt. Die Sauerstoff-Flussrate ist dabei so zu wählen, dass eine Sauerstoffsättigung von mindestens 90% bzw. ein PaO2 von mindestens 8,0 kPa ohne relevante CO2-Retention erreicht wird. Bei situativer Hypoxämie, insbesondere bei körperlicher Belastung, kann eine intermittierende, ambulante Sauerstofftherapie die Gehdistanz und Belastungstoleranz während der Anwendung verbessern. Es gibt jedoch keine Belege für eine Prognoseverbesserung.21
Um die Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu gewährleisten, muss in der Schweiz die Sauerstoff-Heimtherapie durch einen Facharzt für Pneumologie verordnet werden. In der Verordnung muss neben Anwendungsdauer und der Sauerstoff-Flussrate auch die Art der Verabreichung (über eine Nasenbrille oder einen transtrachealen Katheter) und der Sauerstoffquelle (O2-Konzentrator, Flüssiggas-Reservoir oder Sauerstoff-Flaschen) festgelegt werden.
Im Gegensatz zur Sauerstoff-Heimtherapie ist für den Einsatz einer nicht-invasiven Heimbeatmung kein klarer Nutzen belegt. Höchstens COPD-Kranke mit einer besonders ausgeprägten Tageshyperkapnie (PaCO2 dauerhaft >7,0 kPa) profitieren möglicherweise davon.
Invasive Massnahmen
Bei fortgeschrittenem Emphysem kann die chirurgische Lungenvolumenreduktion zu einer Verbesserung der Lungenfunktion führen. Bei gezielter Indikationsstellung lassen sich durch einen solchen Eingriff Atemnot und Belastbarkeit verbessern und die Lebensqualität steigern. Ein Einfluss auf die Mortalität konnte bislang nur bei Betroffenen mit heterogenem Emphysem der Lungenoberlappen und geringer Leistungskapazität gezeigt werden. Aufgrund der erheblichen mit diesem Eingriff verbundenen Morbidität wurden verschiedene minimalinvasive, bronchoskopische Verfahren entwickelt, mit denen ebenfalls nicht-funktionelle Lungenabschnitte ausgeschaltet und die Lungenüberblähung vermindert werden soll. Diese umfassen neben intrabronchialen Ventilen auch sogenannte Coils, welche das überblähte Lungengewebe zusammenraffen, sowie Methoden, welche Teile des Lungengewebes permanent zerstören. Sie alle scheinen die subjektive Beeinträchtigung verbessern zu können, ihr Einfluss auf Langzeitprognose und Überleben bleibt jedoch unklar. Auch wurden die einzelnen Verfahren bislang kaum miteinander verglichen, nicht zuletzt deshalb, weil nicht jeder Eingriff für alle Betroffenen gleich geeignet zu sein scheint.
Als Ultima Ratio kommt bei besonders schweren Verläufen eine Lungentransplantation in Frage. Auch hier bleibt der Einfluss auf das Überleben unklar. Die Wahl des optimalen Transplantationszeitpunktes ist bei der COPD deshalb besonders schwierig, da es sich um eine langsam fortschreitende Erkrankung handelt, die nur schwer eine Abschätzung der voraussichtlichen Überlebenszeit zulässt. Wenn eine Lungentransplantation erwogen wird, ist es sinnvoll, diese Kranken frühzeitig durch ein spezialisiertes Zentrum beurteilen zu lassen.(22)
Schlussfolgerungen
Die Flut von neuen COPD-Medikamenten lässt den Eindruck entstehen, dass sich derzeit auf dem Gebiet der COPD-Behandlung sehr viel Innovatives tun würde. Ein etwas genauerer Blick verrät jedoch, dass es sich nur um sogenannte «Me-Too»-Präparate von seit langem bekannten Wirkprinzipien handelt, welche zwar aufgrund ihrer längeren Wirkdauer die Behandlung etwas vereinfachen, aber ansonsten keinen substanziellen Mehrwert bringen. Ein Aspekt, der dabei häufig vergessen geht: Zwar kann durch die neu erhältlichen, einmal täglich zu inhalierenden Kombinationspräparate möglicherweise die Compliance verbessert werden, die grosse Anzahl unterschiedlicher Inhalationshilfen erschwert es aber auch, den Überblick zu behalten und die Patienten adäquat in ihrer richtigen Anwendung zu schulen..
Zu häufig verschrieben wird die Kombination LABA/ICS. Ob für Personen, die mit einer Monotherapie nicht beschwerdefrei sind, die Kombination LABA/LAMA langfristig wirklich günstiger ist, wird sich zeigen müssen. Bessere Kriterien, um zu entscheiden, welche COPD-Kranken möglicherweise doch von ICS profitieren könnten, wären wünschenswert.
Wichtig zu betonen bleibt, dass Medikamente nur einen Aspekt einer guten COPD-Behandlung darstellen. Rauchstopp-Begleitung, Impfungen, pulmonale Rehabilitation und Schulung in Selbstmanagement sollten einen mindestens ebenbürtigen Stellenwert haben.
Literatur
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