Iatrogene Schäden häufig
- a -- Baker GR, Norton PG, Flintoft V et al. The Canadian Adverse Events Study: the incidence of adverse events among hospital patients in Canada. CMAJ 2004 (25. Mai); 170: 1678-86 [Link]
- Zusammenfassung: Etzel Gysling
- Kommentar: Etzel Gysling
- infomed screen Jahrgang 8 (2004)
, Nummer 7
Publikationsdatum: 1. Juli 2004 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Unerwünschte Ereignisse, die nicht krankheitsbedingt sind, sondern eine Folge medizinischer Interventionen darstellen, beeinträchtigen das Wohlergehen von Patientinnen und Patienten. Es handelt sich um Schäden oder Komplikationen, die zur Verlängerung eines Spitalaufenthaltes, zur vorübergehenden oder bleibenden Störung von Körperfunktionen oder gar zum Tode führen können. In der vorliegenden Studie wurden unerwünschte Ereignisse analysiert, die sich in nach dem Zufall ausgewählten Krankengeschichten von 20 kanadischen Spitälern fanden.
Methoden
In fünf kanadischen Provinzen wurden nach dem Zufall je 1 Universitätsspital («teaching hospital»), 1 grosses Stadtspital und 2 kleinere Spitäler ausgewählt. Aus den in diesen Spitälern im Jahr 2000 erstellten Krankengeschichten erfolgte eine zufällige Auslese von 3745 Krankengeschichten. Diese wurden zuerst von speziell ausgebildeten Fachleuten auf bestimmte Merkmale von unerwünschten Ereignissen durchsucht. Spitalaufnahmen, die wegen Geburten oder wegen psychischer Erkrankungen erfolgten, blieben unberücksichtigt. Die so ausgewählten Dossiers wurden schliesslich noch Ärztinnen und Ärzten vorgelegt, die bestimmten, ob tatsächlich ein unerwünschtes Ereignis vorlag und ob dieses vermeidbar gewesen wäre.
Ergebnisse
Insgesamt wurden in 255 der untersuchten Krankengeschichten 289 unerwünschte Ereignisse gefunden. Umgerechnet entspricht dies 7,5 unerwünschten Ereignissen auf 100 Spitaleintritte (95% CI: 5,7-9,3). In 31% aller Fälle hatte sich das unerwünschte Ereignis vor dem Spitaleintritt ereignet, wurde jedoch erst im Spital entdeckt. Die übrigen unerwünschten Ereignisse fanden im Spital statt. In den Universitätsspitälern waren unerwünschte Ereignisse häufiger (11%) als in den anderen Spitälern (rund 6%). Je etwa ein Drittel der unerwünschten Ereignisse war mit chirurgischen Eingriffen bzw. mit internistischen Massnahmen (Medikamenten, Infusionen usw.) assoziiert. Die übrigen unerwünschten Ereignisse hatten andere oder komplexe Gründe. Ungefähr ein Drittel aller unerwünschten Ereignisse wurde als vermeidbar eingeschätzt. 20% der Kranken mit unerwünschten Ereignissen starben. Gemäss ärztlicher Einschätzung verursachten die beobachteten Ereignisse eine Verlängerung des Spitalaufenthaltes um total 1521 Tage.
Schlussfolgerungen
Extrapoliert man die Studienresultate auf die rund 2,5 Millionen Spitaleintritte, die jährlich in Kanada erfolgen, so beträgt die Zahl vermeidbarer iatrogener Schäden etwa 70'000 und die Zahl vermeidbarer Todesfälle um 10'000 pro Jahr.
Zusammengefasst von Etzel Gysling
Bei 7,5% aller Spitalaufenthalte waren «unerwünschte Ereignisse» festzustellen, ein Drittel davon vermeidbar! In der Schweiz (oder allgemein in Europa) dürfte die Zahl iatrogener Schäden kaum geringer sein. Aber selbst wenn die Zahl nur halb so gross wäre und z.B. nur in 1 bis 2% der Spitalaufenthalte vermeidbare Schäden aufträten, wäre sie noch viel zu hoch. Es genügt nicht, Probleme als vermeidbar zu bezeichnen. Vielmehr sollten sie mit geeigneten Massnahmen wirklich vermieden werden - eine echte Qualitätsverbesserung ist gefragt, die Verantwortlichen (besonders die Chefärzte) sind gefordert.
Etzel Gysling
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