Medienberichte über Medikamente unkritisch
- a -- Cassels A, Hughes MA, Cole C et al. Drugs in the news: an analysis of Canadian newspaper coverage of new prescription drugs. CMAJ 2003 (29. April); 168: 1133-7 [Link]
- Kommentar: Urspeter Masche
- infomed screen Jahrgang 7 (2003)
, Nummer 8
Publikationsdatum: 1. August 2003 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Medienberichte können Wünsche von kranken Personen stark beeinflussen. Man untersuchte in dieser Studie, ob Artikel in den Tageszeitungen ein ausgewogenes Bild über Nutzen und Risiken neuer Medikamente vermitteln.
Methoden
Aus 24 kanadischen Tageszeitungen wurden alle im Jahr 2000 erschienenen Artikel gesammelt und analysiert, die über Nutzen oder Risiken der damals neu auf den Markt gekommenen Medikamente Atorvastatin (Sortis®), Celecoxib (Celebrex®), Donepezil (Aricept®), Oseltamivir (Tamiflu®) und Raloxifen (Evista®) berichteten.
Ergebnisse
193 Zeitungsartikel erfüllten die Einschlusskriterien, alle erwähnten mindestens eine günstige Wirkung. Insgesamt wurde 421mal eine günstige und nur 89mal eine unerwünschte Medikamentenwirkung erwähnt, 132 Artikel (68%) beschrieben ausschliesslich den Nutzen eines Medikamentes und 37 demonstrierten diesen lediglich anhand von Surrogatmarkern. 119 Berichte (62%) lieferten keine quantitative Information. Bei den quantitativen Angaben handelte sich in einem Viertel lediglich um relative Zahlen. Kontraindikationen wurden in 7 Artikeln, Kosten in 61 (32%), medikamentöse Alternativen in 89 (46%) und nicht-medikamentöse Therapieoptionen wie Sport oder Diät in 30 (16%) angegeben. Mögliche finanzielle Interessen wurden für 5 von 164 Interviewten offen gelegt.
Schlussfolgerungen
Die Vollständigkeit und Qualität der Publikumsinformation zu neuen Medikamenten in der Tagespresse lässt zu wünschen übrig. Meistens wird ausschliesslich über den Nutzen neuer Medikamente informiert. Über Nebenwirkungen und Kosten wird bedeutend seltener berichtet und mögliche finanzielle Interessenskonflikte werden fast nie offen gelegt.
Wer Schweizer Zeitungen und Zeitschriften durchblättert, findet das Urteil bestätigt: Artikel, die über neue Medikamente berichten, erreichen selten höheres inhaltliches Niveau als das, was in ärztlichen Fachzeitschriften als farbige Werbebotschaften prangt. Dahinter steht eine pharmazeutische Industrie, die mittlerweile jeden möglichen Kanal nutzt, um ihre Produkte zu lobpreisen. Man hüte sich allerdings, eilfertig den Stab zu brechen über Medienleute, die ahnungslos und unkritisch mit den Informationen umgehen, die ihnen vorgesetzt werden. Auch wir Ärzte und Ärztinnen versammeln uns regelmässig an Satellitensymposien und anderen gesponserten Fortbildungsveranstaltungen, deren Hauptzweck darin besteht, dass wir auf das «richtige» Medikament eingeschworen werden.Urspeter Masche
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