Präoperativ Alkoholabusus vermeiden!
- r -- Tonnesen H, Rosenberg J, Nielsen HJ et al. Effect of preoperative abstinence on poor postoperative outcome in alcohol misusers: randomised controlled trial. BMJ 1999 (15. Mai); 318: 1311-6 [Link]
- Kommentar: Bertrand Yersin
- infomed screen Jahrgang 3 (1999)
, Nummer 6
Publikationsdatum: 1. Juli 1999 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
In den letzten Jahren konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass Personen mit einem Alkoholkonsum von mindestens 60 g pro Tag eine dreifach erhöhte postoperative Morbidität mit längeren Spitalaufenthalten und mehr Zweitoperationen haben. In dieser dänischen Studie wurde der Einfluss einer einmonatigen präoperativen Alkoholabstinenz auf die postoperative Morbidität untersucht.
Methoden
In die Studie eingeschlossen wurden Personen mit einem täglichen Alkoholkonsum von mindestens 60 g, bei denen wegen kolorektalen Krankheiten eine Wahloperation vorgesehen war. Mittels Randomisierung wurde eine Interventionsgruppe, in der die Leute unter Kontrolle mit Disulfiram (Antabus®) einen Monat präoperativ keinen Alkohol tranken, und eine Kontrollgruppe gebildet. Präoperativ wurden Risikofaktoren erfasst und verschiedene Blutuntersuchungen durchgeführt. Eine Hepatitis und eine Zirrhose wurde bei den meisten bioptisch, bei den übrigen mittels CT oder Sonographie ausgeschlossen. Bis zum dritten postoperativen Tag wurde das EKG kontinuierlich aufgezeichnet. Postoperative Komplikationen wurden während einem Monat erfasst.
Ergebnisse
Von den 16 Männern mit präoperativer Abstinenz hatten 31% postoperative Komplikationen. In der Vergleichsgruppe (16 Männer, 3 Frauen) erlitten 74% Komplikationen. Eine kardiopulmonale Insuffizienz oder eine Faszienruptur wurde in 4 bzw. 3 Fällen der Kontrollgruppe beobachtet. In der Interventionsgruppe wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger Veränderungen der ST-Strecke, weniger Arrhythmien und weniger nächtliche Hypoxämien festgestellt. Der Unterschied bei den postoperativen Infektionen war nicht signifikant. Auch die Reaktion auf den chirurgischen Stress, gemessen an Herzfrequenz, Plasmakonzentration von Katecholaminen und Interleukin-6, war in der Interventionsgruppe geringer als in der Kontrollgruppe.
Schlussfolgerungen
Bei Alkoholabhängigen reduzierte eine Alkoholabstinenz während eines Monats vor einer kolorektalen Operation die postoperative Morbidität.
Die negativen Auswirkungen des chronischen Alkoholmissbrauchs lassen sich durch direkte toxische Effekte, z.B. auf die Herzfunktion, die Immunabwehr und die Stressantwort erklären. Im Zusammenhang mit akuten Krankheiten oder Operationen wirken sich auch Entzugsphänomene ungünstig aus. Die Ergebnisse der hier zusammengefassten Studie sind bemerkenswert. Wenn sich diese Resultate bestätigen lassen, müsste man sich in der Medizin und Chirurgie Alkoholabhängigen gegenüber grundsätzlich anders verhalten. Vor jeder Wahlintervention müsste ein exzessiver Alkoholkonsum erfasst und eine Abstinenzperiode veranlasst werden. Morbidität und Spitalkosten liessen sich damit deutlich reduzieren.
Bertrand Yersin
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
-
Jahrgang 2024
Jahrgang 2023
Jahrgang 2022
Jahrgang 2021
Jahrgang 2020
Jahrgang 2019
Jahrgang 2018
Jahrgang 2017
Jahrgang 2016
Jahrgang 2015
Jahrgang 2014
Jahrgang 2013
Jahrgang 2012
Jahrgang 2011
Jahrgang 2010
Jahrgang 2009
Jahrgang 2008
Jahrgang 2007
Jahrgang 2006
Jahrgang 2005
Jahrgang 2004
Jahrgang 2003
Jahrgang 2002
Jahrgang 2001
Jahrgang 2000
Jahrgang 1999
Jahrgang 1998
Jahrgang 1997