Schwangerschaftsdiabetes zu selten diagnostiziert?

  • a -- Moses RG, Moses M, Russel KG et al. The 75-g glucose tolerance test in pregnancy: a reference range determined on a low-risk population and related to selected pregnancy outcomes. Diabetes Care 1998 (November); 21: 1807-11 [Link]
  • Kommentar: Peter Diem
  • infomed screen Jahrgang 3 (1999) , Nummer 1
    Publikationsdatum: 1. Januar 1999
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Studienziele

Ein Schwangerschaftsdiabetes ist definiert als eine Störung der Glukosetoleranz, die während der Schwangerschaft neu auftritt oder festgestellt wird. Welche Menge Glukose für einen Glukosetoleranztest in der Schwangerschaft verwendet werden soll, wird noch debattiert. Ziel dieser Studie war, bei Frauen mit geringem Diabetesrisiko Grenzwerte für den oralen Glukosetoleranztest mit 75 g Glukose festzulegen. In einer zweiten Untersuchung wurden diese Grenzwerte aufgrund des Ausgangs der Schwangerschaften überprüft.

Methoden

In Australien wurde in einem Gebiet mit 280'000 Einwohnern während 18 Monaten bei allen 2'907 Schwangeren zu Beginn des dritten Trimesters ein Glukosetoleranztest durchgeführt. 573 hatten ein niedriges Diabetesrisiko (kaukasische Herkunft, Alter unter 25 Jahren, Körper-Massen-Index vor der Schwangerschaft unter 25 kg/m2). Die Blutzuckerwerte dieser Frauen wurden zur Festlegung der Grenzwerte verwendet. Aus einem anderen Kollektiv von 3'384 Frauen wurde der Schwangerschaftsausgang bei 272 Frauen mit manifestem Diabetes mit demjenigen von Frauen mit einem 2-Stunden-Blutzuckerwert im oberen Grenzbereich (7 - 7,9 mmol/l) verglichen.

Ergebnisse

Zur Definition der Normwerte wurde der Blutzuckerwert gewählt, der dem Mittelwert plus 2 Standardabweichungen entspricht. Bei Schwangeren mit niedrigem Risiko betrug dieser Wert nüchtern 5,04 mmol/l und 2 Stunden nach Glukosebelastung 7,85 mmol/l. Im Gesamtkollektiv betrugen diese Werte 5,2 mmol/l und 8,5 mmol/l. Bei den Frauen mit positiver Familienanamnese waren die Werte etwas höher, jedoch nicht signifikant. Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes und entsprechender Behandlung hatten signifikant weniger übergewichtige Kinder als die Frauen mit einem grenzwertigen 2-Stunden-Glukosewert ohne Behandlung. Die Zahl der Geburtskomplikationen und der kleinen Kinder war nicht signifikant verschieden.

Schlussfolgerungen

Um wirklich alle Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes zu erfassen, sollten die Grenzwerte nach einer 75-g- Glukosebelastung tiefer angesetzt werden, nämlich auf 5,0 mmol/l nüchtern und auf 7,8 mmol/l nach 2 Stunden.

Bezüglich der Diagnose des Schwangerschaftsdiabetes werden sehr unterschiedliche Kriterien vorgeschlagen. Die «American Diabetes Association» empfiehlt ein zweistufiges Vorgehen (Screening durch Belastung mit 50 g Glukose, bei verdächtigem Resultat zudem ein diagnostischer Test mit 100 g Glukose). Die WHO dagegen empfiehlt die Durchführung eines Tests mit 75 g Glukose. Die vorliegende Arbeit stützt das einfachere Vorgehen der WHO, allerdings mit deutlich strengeren Grenzwerten. Die Daten der Autoren weisen darauf hin, dass möglicherweise auch so noch nicht alle Schwangerschaften mit einem erhöhten Risiko für übergewichtige Babies erfasst werden. Trotz der seit Jahren und z.T. sehr heftig geführten Debatten über die Diagnostik des Schwangerschaftsdiabetes fehlen leider immer noch diagnostische Kriterien, die sich klar an «harten Endpunkten» (d.h. in diesem Fall an relevanten Parametern des Schwangerschafts- und perinatalen Verlaufs) orientieren. Das Geburtsgewicht ist meines Erachtens kein genügend «hartes» Kiterium!

Peter Diem

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Schwangerschaftsdiabetes zu selten diagnostiziert? ( 1999)