Verhaltenstraining gut bei Dranginkontinenz
- r -- Burgio KL, Locher JL, Goode PS et al. Behavioral vs drug treatment for urge urinary incontinence in older women: a randomized controlled trial. JAMA 1998 (16. Dezember); 280: 1995-200 [Link]
- Kommentar: Daniel Passweg
- infomed screen Jahrgang 3 (1999)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. Februar 1999 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Frauen über 60 Jahren leiden sehr häufig an einer Dranginkontinenz. In dieser Studie wurden die Wirkung eines Anticholinergikums und diejenige eines Verhaltenstrainings miteinander verglichen.
Methoden
An der Studie nahmen Frauen über 55 Jahren teil. Urodynamisch musste eine Blasendysfunktion nachgewiesen sein. Die Teilnehmerinnen erhielten nach dem Zufallsprinzip während 8 Wochen Verhaltenstraining, Oxybutynin (Ditropan®) oder Placebo. Das Verhaltenstraining wurde viermal in zweiwöchigen Abständen durchgeführt. Es beinhaltete Instruktionen zu Beckenbodenmuskeltraining und Verhaltensmassnahmen: primär Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur, erst sekundär Aufsuchen der Toilette. Oxybutynin wurde in Dosen zwischen 2,5 bis 5,0 mg 3mal täglich verabreicht. Die identisch aussehenden Placebotabletten wurden ebenfalls 3mal täglich eingenommen. Das von den Teilnehmerinnen geführte Tagebuch diente zur Auswertung der Inkontinenzhäufigkeit.
Ergebnisse
In allen drei Gruppen (total 197 Frauen) waren die Teilnehmerinnen vor der Behandlung durchschnittlich rund 16mal pro Woche inkontinent. Das Verhaltenstraining reduzierte die Inkontinenzhäufigkeit um durchschnittlich 81% (2,8mal inkontinent/Woche). Unter Oxybutynin nahm die Inkontinenz um 69% ab (5,5mal/Woche). Placebo reduzierte Inkontinenzepisoden um 39% (8,2mal/Woche). Subjektiv waren Frauen mit Verhaltenstherapie am zufriedendsten. 74% dieser Gruppe gaben an, dass ihr Leiden nun «viel besser» sei. In der Oxybutyningruppe waren es 51%, in der Placebogruppe 27%. Nur 14% der Frauen mit Verhaltenstherapie wünschten zusätzlich eine medikamentöse Therapie. In den beiden anderen Gruppen wünschten sich je 76% eine zusätzliche andere Behandlung. Oxybutynin erzeugte signifikant häufiger Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Harnretention).
Schlussfolgerungen
Das Verhaltenstraining ist eine wirksame und nebenwirkungsfreie Behandlung der Dranginkontinenz und beeinflusst diese besser als eine Oxybutyninbehandlung. Über die Beständigkeit dieses Erfolges über längere Zeit ist nichts bekannt.
Es ist bemerkenswert, dass physikalische Therapien in der Behandlung der Dranginkontinenz mindestens so gut abschneiden wie Anticholinergika. Schon auf Grund der fehlenden Nebenwirkungen können sie als erste Massnahme empfohlen werden. Andererseits zeigt die Studie nichts grundsätzlich Neues: Die Dranginkontinenz ist eine chronisch exazerbierende, nicht-heilbare Krankheit unklarer Genese. Die Therapie ist symptomatisch und mehrgleisig. Die beschriebenen Therapien sind etabliert. Leider wurden Östrogene nicht berücksichtigt.
Daniel Passweg
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