Venenthrombosen länger als drei Monate behandeln
- r -- Kearon C, Gent M, Hirsh J et al. A comparison of three months of anticoagulation with extended anticoagulation for a first episode of idiopathic venous thromboembolism. N Engl J Med 1999 (25. März); 340: 901-7
- Kommentar: Henri Bounameaux
- infomed screen Jahrgang 3 (1999)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 1. Mai 1999 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Üblicherweise wird eine tiefe Venenthrombose während 5 bis 7 Tagen mit Heparin und anschliessend während drei Monaten mit oralen Antikoagulantien behandelt. Subgruppenanalysen von neueren Studien zeigten, dass nach einer Thrombose ohne erkenntlichen Auslöser das Risiko für ein Rezidiv grösser ist als wenn sich ein zeitliches beschränktes Risiko – z.B. ein operativer Eingriff – erkennen lässt. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen einer länger als 3 Monate dauernden oralen Antikoagulation bei einer idiopathischen Venenthrombose (ohne bekannte Risikofaktoren) zu dokumentieren.
Methoden
In diese multizentrische Doppelblindstudie aus Kanada wurden Personen mit einer erstmaligen idiopathischen Venenthrombose nach der üblichen dreimonatigen Behandlung aufgenommen. Die Interventionsgruppe erhielt Warfarin mit einer Ziel-INR von 2,0-3,0. Für die Placebogruppe wurden von einer an der Studie nicht beteiligten Stelle fiktive INR-Werte geliefert. Geplant war eine Studiendauer von 24 Monaten mit Bestimmung der Rezidivrate für symptomatische venöse Thromboembolien sowie der Inzidenz von Blutungen.
Ergebnisse
Aufgrund einer vordefinierten Zwischenanalyse wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 10 Monate. Insgesamt erfüllten 327 Personen das Einschlusskriterium einer idiopathischen Venenthrombose. Aus verschiedenen Gründen (plättchenhemmende Begleitmedikation, familiäre Blutungsneigung, Schwangerschaft u.a.). nahmen aber nur 162 Personen an der Studie teil. 79 wurden in die Gruppe mit Langzeitantikoagulation, 83 in die Placebogruppe aufgenommen. In der antikoagulierten Gruppe kam es nur zu einem einzigen Thromboserezidiv und zwar bei einer Person, bei der die Antikoagulation wegen einer gastrointestinalen Blutung schon Monate vorher abgesetzt worden war. In der Placebogruppe wurden 17 Rezidive dokumentiert. Umgerechnet hätten von 100 Personen, die nur Placebo erhielten, 27 ein Rezidiv erlitten. Nur in der antikoagulierten Gruppe ereigneten sich 3 grössere, jedoch nicht tödliche Blutungen, ein gegenüber der Placebogruppe annähernd signifikanter Unterschied (p=0,09).
Schlussfolgerungen
Nach einer ersten idiopathischen Venenthrombose kann mit einer länger als 3 Monate dauernden peroralen Antikoagulation die Rezidivrate von venösen Thromboembolien um 95% gesenkt werden, wobei das Blutungsrisiko verhältnismässig klein ist. Die optimale Behandlungsdauer muss noch in zukünftigen Studien festgelegt werden.
Diese Multizenterstudie umfasste ein stark selektioniertes Kollektiv mit idiopathischer Venenthrombose. Unter Placebo traten ungewöhnlich viele Rezidive (27% in einem Jahr) auf, in 6 Fällen waren es Lungenembolien, eine davon verlief tödlich. Die unter Warfarin beobachteten Blutungen sind jedoch auch nicht belanglos. Dennoch ist die Empfehlung, nach einer idiopathischen Venenthrombose länger als 3 Monate zu behandeln, sicher richtig. Diese Schlussfolgerung entspricht der neuesten nordamerikanischen Konsensempfehlung.1 Etwas spekulativ würde ich aus den vorliegenden Daten eine optimale Behandlungsdauer von einem Jahr ableiten.
Henri Bounameaux
1 Hyers TM, Agnelli G, Hull RD et al. Antithrombotic therapy for venous
thromboembolic disease. Chest 1998 (November, Supplement); 114: 561S-578S
Standpunkte und Meinungen
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