Rivaroxaban bei Antiphospholipid-Syndrom?

  • r -- Ordi-Ros J, Saez-Comet L, Perez-Conesa M et al. Rivaroxaban versus vitamin K antagonist in antiphospholipid syndrome: a randomized noninferiority trial. Ann Intern Med 2019 Oct 15;171:685-94. [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Gnädinger
  • infomed screen Jahrgang 24 (2020)
    Publikationsdatum: 9. Januar 2020
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Das Antiphospholipid-Syndrom ist charakterisiert durch wiederholte venöse oder arterielle thrombotische Ereignisse und/oder Fehlgeburten bei Nachweis einer (paradox) verlängerten In-vitro-Gerinnungszeit. Wegen des erhöhten thromboembolischen Risikos wird die systemische Antikoagulation empfohlen, eventuell kombiniert mit einer Thrombozytenaggregationshemmung. Diese von der Firma Bayer finanzierte Studie wollte die Nicht-Unterlegenheit von Rivaroxaban gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit dokumentieren. 190 Teilnehmende wurden entweder mit Rivaroxaban (15 oder 20 mg) oder mit Acenocoumarol (Sintrom®) behandelt. Während der Studie traten in der Rivaroxaban-Gruppe 11 thromboembolische Ereignisse auf, in der VKA-Gruppe waren es 6 (Risk Ratio in der Rivaroxaban-Gruppe: 1,83). Zerebrovaskuläre Insulte ereigneten sich in 9 Fällen, alle in der Rivaroxaban-Gruppe (Risk Ratio 19,00). Die Studienverantwortlichen folgern, dass Rivaroxaban wegen einer erhöhten Rate thromboembolischer Ereignisse die bisherige Standardtherapie mit VKA beim Antiphospholipid-Syndrom nicht ablösen sollte.


 
Warum schneidet beim Antiphospholipid-Syndrom (APS) die Therapie mit Rivaroxaban schlechter ab als jene mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA)? Einerseits gibt es bei der Behandlung mit VKA mit der Quick-Kontrolle ein direktes Mass, um die Therapietreue zu sichern. Andererseits greifen die VKA an verschiedener Stelle in die Gerinnungskaskade ein, was dazu führt, dass unter VKA ein deutlich geringeres Thrombinpotential zur Verfügung steht als bei der direkten Hemmung des Faktors mit Faktor-10-Antagonisten (FXA). Schliesslich handelt es sich beim APS um eine Situation mit phasenweise massiv erhöhtem Gerinnungspotential. Somit spielt der Umstand, dass die Gerinnungshemmung beim Rivaroxaban pharmakologisch (eigentlich) nicht 24 Stunden dauert, in dieser Situation eine besondere Rolle. Allerdings wurde auch eine APS-Studie mit Apixaban (Eliquis®), das zweimal täglich eingenommen wird, vorzeitig abgebrochen, was darauf hindeutet, dass es sich hier um einen Klasseneffekt handeln könnte. Somit bleibt nach den künstlichen Herzklappen auch das Antiphospholipid-Syndrom eine Domäne der Vitamin-K-Antagonisten.
Die deutsche Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung hat die folgende Empfehlung herausgegeben: Der klinische Verdacht auf ein APS benötigt eine sorgfältige diagnostische Aufarbeitung (Bluttestung zweimal im Abstand von 12 Wochen). Die Diagnose eines APS ist in vielen Fällen nicht korrekt gestellt worden und die Betroffenen dürfen somit auch mit einem Faktor-X-Antagonisten behandelt werden. Personen mit einem einzigen oder ggf. zwei positiven Antiphosholipid-Antiköpern haben ein vergleichsweise niedriges thrombobembolisches Risiko und dürfen mit einem Faktor-10-Antagonisten behandelt werden. Personen mit dreifach positivem Autoantikörpernachweis oder mit arteriellen Ereignissen haben ein hohes Risiko für erneute Ereignisse und sollten mit VKA behandelt werden.
Diese Empfehlung scheint mir ausgewogen; ich würde sie noch ergänzen mit einer Warnung für Personen mit Livedo reticularis und Mitralklappenerkrankung. Ein ungutes Gefühl bleibt: Denke ich bei thromboembolischen Leiden an ein allfällig vorliegendes APS? Oder an eine familiäre Thrombophilie? Auch dort fehlen klinische Studien zu den direkten Antikoagulantien weitgehend, und es sind Fälle von Therapieversagen von Rivaroxaban bei Protein-S-Mangel dokumentiert. 

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Rivaroxaban bei Antiphospholipid-Syndrom? ( 2020)