Herzinfarkt bei Frauen: später, seltener, gefährlicher
- k -- Vaccarino V, Parsons L, Every NR et al. Sex-based differences in early mortality after myocardial infarction. N Engl J Med 1999 (22. Juli); 341: 217-25
- Kommentar: Michel Zuber
- infomed screen Jahrgang 3 (1999)
, Nummer 8
Publikationsdatum: 1. September 1999 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Ob Frauen mit akuter koronarer Herzkrankheit eine schlechtere Prognose haben als Männer, ist anhand der bisher publizierten Daten nicht klar. Zwei grosse neue Studien versuchen diese Frage zu beantworten.
Methoden
In der ersten Studie wurde bei 155'565 Frauen und 229'313 Männern im Alter zwischen 30 und 89 Jahren mit akutem Myokardinfarkt die Mortalität während des Spitalaufenthaltes prospektiv erfasst.
Die zweite Arbeit ist eine prospektiv geplante Auswertung von Daten von 3'662 Frauen und 8'480 Männern aus der GUSTO-IIb-Studie, in der bei akuter koronarer Herzkrankheit Hirudin mit Heparin verglichen wurde.
Ergebnisse
Die erste Studie ergab, dass Frauen zum Zeitpunkt des Infarkts im Mittel 7 Jahre älter waren und häufiger als Männer (17% gegenüber 12%) starben, obschon sie seltener ST-Hebungen im Eintritts-EKG hatten. Je jünger die Frauen waren, desto grösser war der Unterschied in der Sterblichkeit im Vergleich mit den männlichen Altersgenossen: Frauen unter 50 starben mehr als doppelt so häufig wie gleichaltrige Männer. Diese Differenz blieb auch nach statistischer Korrektur für alle anderen Risikofaktoren bestehen. Männer und Frauen über 75 Jahre starben gleich häufig.
Die zweite Studie zeigte, dass Frauen im Mittel älter und häufiger mit Diabetes, Hypertonie und vorbestehender Herzinsuffizienz belastet waren als Männer. Frauen hatten weniger Infarkte mit ST-Hebungen, aber häufiger eine instabile Angina pectoris. Frauen erlitten mehr Komplikationen und – besonders beim Infarkt mit ST-Hebungen – schwerere Blutungen unter der Therapie. Koronarographiert wurden 53% der Frauen und 59% der Männer; dabei hatten Frauen häufiger einen Befund ohne signifikante Koronarstenosen (18% gegenüber 8%). Die Mortalität war bei Frauen insgesamt höher als bei Männern (6% gegenüber 4%); nach statistischer Korrektur für Risikofaktoren war diese Differenz allerdings nicht mehr signifikant. Bei instabiler Angina pectoris ereigneten sich bei Frauen im Verlauf signifikant weniger Todesfälle und Myokardinfarkte als bei Männern.
Schlussfolgerungen
Unterschiede in der Therapie erklären in der ersten Studie die vergleichsweise höhere Mortalität bei jüngeren Frauen nur zu einem kleinen Teil, so dass die Autorinnen und Autoren biologische Unterschiede wie den Einfluss der Östrogene, Störungen im Gerinnungssystem und die vermehrte Neigung zu Vasospasmen bei Frauen als Erklärung diskutieren. In der zweiten Studie sehen die Studienverantwortlichen frühere Hinweise bestätigt, dass es bei der akuten koronaren Herzkrankheit biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Das Editorial unterstreicht die mögliche kardioprotektive Rolle der Östrogene.1
Die beiden Artikel erbringen breit abgestützt neue Evidenz, dass es zwischen Mann und Frau nicht nur altersbedingte Unterschiede im Verlauf der koronaren Herzkrankheit gibt. Interessant ist, dass Frauen mehr Risikofaktoren haben und häufiger instabile Angina pectoris, aber weniger transmurale Infarkte erleiden als Männer. Frauen mit Infarkten weisen jedoch mehr Komplikationen auf und haben eine schlechtere Prognose als Männer, was vor allem bei jüngeren Frauen zutrifft. Dies unterstützt die Theorie, dass das weibliche Geschlecht vor dem Auftreten einer koronaren Herzkrankheit schützt und dass dieser Schutz bei Frauen mit koronarer Herzkrankheit defekt sein dürfte. Leider ist darüber noch nicht viel bekannt. Da Östrogenrezeptoren über Mediatoren die Vasomotorik, die Endothel- und die Thrombozytenfunktion beeinflussen und antioxidative Effekte aufweisen, wäre vermehrtes Wissen über genetische Variationen der Rezeptoren und Rezeptorendichte bei Frauen mit koronarer Herzkrankheit wünschenswert. Erst eine bessere Kenntnis dieser Zusammenhänge wird es ermöglichen, der Hälfte unserer Bevölkerung in der Betreuung gerecht zu werden.
Michel Zuber1 Wexler LF. Studies of acute coronary syndromes in women - lessons foreveryone. N Engl J Med 1999 (22. Juli); 341: 275-6
Standpunkte und Meinungen
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