Neuroprotektive Wirkung von Exenatid bei Parkinson?

  • r -- Athauda D, Maclagan K, Skene SS et al. Exenatide once weekly versus placebo in Parkinson's disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2017 (7. Oktober); 390: 1664-75 [Link]
  • Zusammenfassung:
  • Kommentar: Mathias Sturzenegger
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 6
    Publikationsdatum: 5. Dezember 2017
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Studienziele

Die heutigen Parkinsonmittel lindern die Symptome, verhindern aber nicht ein Fortschreiten der Krankheit. Das Inkretinmimetikum Exenatid (Byetta®), das für die Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen ist, zeigte im Tiermodell bei Ratten eine neuroprotektive Wirkung. Eine nicht Placebo-kontrollierte Pilot-Studie bei Menschen ergab hoffnungsvolle Resultate im Hinblick auf die motorischen Symptome. Diese sollten nun im Rahmen einer Doppelblindstudie bestätigt werden.

Methoden

Es wurden Frauen und Männer im Alter von 25 bis 75 Jahren mit einem leichten bis mittelschweren idiopathischen Parkinsonsyndrom («Hohn und Yahr»-Stadium von maximal 2,5) untersucht, welche unter einer Basistherapie mit Dopaminergika standen, deren Wirkung auf die motorischen Symptome nicht mehr bis ganz zum Ende des Dosisintervalls anhielt (sogenannter «wearing-off effect»). Die Teilnehmenden erhielten nach dem Zufall für 48 Wochen zusätzlich zu ihrer regulären Parkinsonbehandlung entweder wöchentlich 2 mg Exenatid subkutan oder Placebo. Nach einer anschliessenden «wash­out»-Phase von 12 Wochen (d.h. nach 60 Wochen insgesamt) wurden als primärer Endpunkt die motorischen Symptome am Ende des Dosierungsintervalls gemäss der «Unified Parkinson's Disease Rating Scale» (UPDRS; maximal 56 Punkte pro Teilskala) eingeschätzt und mit den Ausgangswerten verglichen. Als sekundäre Endpunkte galten dieselbe Messung nach 48 Wochen, die Beurteilung der motorischen Symptome unmittelbar nach Einnahme der Basismedikation und diverse weitere Messungen, welche sich vor allem auf kognitive Leistungsfähigkeit, Lebensqualität, Stimmungslage sowie unerwünschte Wirkungen bezogen.

Ergebnisse

Die Daten von 31 Personen unter Exenatid und 29 Personen unter Placebo konnten ausgewertet werden. Nach 60 Wochen zeigten die Personen, welche mit Exenatid behandelt wurden, eine Verbesserung der motorischen Symptome am Ende des Dosierungsintervalls von 1,0 Punkt auf der UPDRS, während bei den Personen unter Placebo eine Verschlechterung um 1,7 Punkte eingetreten war, was in der korrigierten Analyse einem durchschnittlichen Unterschied von -3,5 Punkten entsprach (95% CI -6,7 bis -0,3). Nach 48 Wochen, d.h. unmittelbar nach Behandlungsende, schnitten die Personen unter Exenatid noch etwas besser ab. Keine positive Wirkung hingegen konnte hinsichtlich der motorischen Symptomatik unmittelbar nach Einnahme der Basismedikamente sowie der diversen anderen sekundären Endpunkte nachgewiesen werden.

Schlussfolgerungen

Exenatid zeigte bei Personen mit einer leichten bis mittelschweren Parkinsonerkrankung eine günstige Wirkung auf die motorischen Symptome am Ende des Dosierungsintervalls. Da diese bis 12 Wochen über das Therapieende andauerte, gehen die Studienverantwortlichen davon aus, dass es sich dabei zumindest teilweise um eine neuroprotektive, das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamende Wirkung handelt. Andere Parkinson-Symptome oder die motorischen Symptome zu Beginn des Dosierungsintervalls konnten hingegen nicht beeinflusst werden.

Zusammengefasst von Bettina Wortmann

Neuroprotektion im Zusammenhang mit der Parkinsonkrankheit heisst Verhindern des fortschreitenden Unterganges von Neuronen, somit Verhindern der Krankheitsentstehung (Primärprävention) und/oder Verhindern der Krankheitsprogression (Sekundärprävention). Seit Jahren werden immer wieder Substanzen gefunden, welche unter Laborbedingungen eine neuroprotektive Wirkung zeigen - aber keine davon hat sich als beim Menschen einsetzbar oder gar wirksam erwiesen. Gewissen etablierten, symptomatisch wirksamen Parkinson-Medikamenten (wie z.B. Dopaminagonisten oder MAO-Hemmern) wurde schon wiederholt eine neuroprotektive Wirkung nachgesagt, aber die klare Abgrenzung von einer rein symptomatischen Wirkung gelang bislang nie. Nicht nur für die in der vorliegenden Studie eingesetzten Inkretinmimetika, sondern auch für andere Antidiabetika, insbesondere die Glitazone, konnte sowohl im Tierexperiment als auch bei Parkinsonkranken eine «positive» Wirkung gezeigt werden.

Dabei ist die Studienlage bei den Glitazonen deutlich besser als bei den Inkretinmimetika. In der vorliegenden Studie mit dem Intkretinmimetikum Exenatid ist die nachgewiesene Wirkung sehr bescheiden (Verbesserung um 3,5 von 56 Punkten in einer einzigen Teilskala der UPDRS) und den aktuell verfügbaren symptomatischen Therapeutika stark unterlegen. Zudem sind die Studiengruppen sehr klein und die Verblindung bei zu injizierendem Verum fraglich. Aufgrund des raschen Wirkungseintrittes ist der gezeigte Effekt wohl auch eher als symptomatisch denn «neuroprotektiv» zu werten. Die pleiotropen Effekte der Inkretinmimetika, z.B. auf die Magenentleerung oder die Gewichtsregulation, eröffnen erneut multiple Erklärungsmöglichkeiten für eine symptomatische Wirkung.

Somit geht die Suche nach einer wirklich neuroprotektiven Substanz bei Parkinson weiter. Eine sehr schwierige Aufgabe, denn die multiplen Ursachen der Parkinsonkrankheit(en) sind noch weitgehend unbekannt.

Mathias Sturzenegger

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Neuroprotektive Wirkung von Exenatid bei Parkinson? ( 2017)