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Cannabis bei chronischen Schmerzen
- m -- Nugent SM, Morasco BJ, O'Neil ME et al. The effects of cannabis among adults with chronic pain and an overview of general harms: a systematic review. Ann Intern Med 2017 (5. September); 167: 319–31 [Link]
- Kommentar: Ruedi Stohler
- infomed screen Jahrgang 21 (2017)
, Nummer 6
Publikationsdatum: 5. Dezember 2017 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Trotz unklarem Nutzen ist die Anwendung von Cannabis bei chronischen Schmerzen weltweit stark verbreitet. 45% bis 80% der Personen, welche aus medizinischen Gründen Cannabis konsumieren, tun dies aufgrund chronischer Schmerzen. In der folgenden umfangreichen systematischen Übersichtsarbeit ging es einerseits darum, den Nutzen von Cannabispräparaten zur Behandlung von chronischen Schmerzen zu evaluieren, und andererseits allfällige Nebenwirkungen sowohl bei kurzfristiger wie auch bei langfristiger Anwendung zu dokumentieren.
Methoden
In verschiedenen elektronischen Datenbanken wurde nach randomisierten Studien, Beobachtungsstudien und neueren, systematischen Übersichtsarbeiten gesucht, in denen entweder die Wirkung von Cannabis auf chronische Schmerzen oder die unerwünschten Wirkungen des Cannabiskonsums (sowohl bei der Behandlung von chronischen Schmerzen als auch bei der allgemeinen Bevölkerung) untersucht worden waren. Es wurden Studien berücksichtigt, bei denen natürliche Cannabinoide zum Einsatz kamen, d.h. entweder pflanzliche Produkte wie Öle, Cannabis-Zigaretten oder pharmazeutische Produkte mit Pflanzenextrakten. Bei Letzteren handelte es sich zumeist um Studien mit «Nabiximols», einem amerikanischen Produkt, das die beiden Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) in standardisierter Dosis enthält. Die Wirkung synthetischer Cannabinoide (z.B. Dronabinol) hingegen wurde nicht untersucht. Alle untersuchten Studien wurden in Bezug auf das Risiko systematischer Fehler beurteilt. Aufgrund der sehr heterogenen Studienanlagen und Resultate konnten die Ergebnisse nicht anhand einer Meta-Analyse ausgewertet werden, sondern wurden beschreibend zusammengefasst.
Ergebnisse
Es wurden insgesamt 13 Übersichtsarbeiten und 62 Primärstudien berücksichtigt. Zur Beurteilung der Cannabis-Wirkung bei chronischen Schmerzen konnten 27 randomisierte Studien und 3 Kohortenstudien beigezogen werden. In insgesamt 9 Studien bei neuropathischen Schmerzen konnte bei denjenigen Personen, welche Cannabis konsumiert hatten, eine höhere Chance für eine Schmerzlinderung von mindestens 30% gezeigt werden. Die Qualität der Studien war allerdings zumeist gering bis mittelmässig. Für die Wirkung bei anderen Schmerzformen (Schmerzen bei Multipler Sklerose, Krebsleiden usw.) konnte aufgrund des hohen Risikos für systematische Fehler und der heterogenen Resultate gar keine Aussage gemacht werden. Hinsichtlich unerwünschter Wirkungen wurden diverse systematische Übersichtsarbeiten zusammengefasst, die meisten davon betrafen die allgemeine Bevölkerung. Unter Cannabis scheint ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung psychotischer Symptome, für die Verstärkung manischer Symptome und kognitive Beeinträchtigungen (bei aktuellem Konsum, als langfristiges Symptom nach Absetzen nicht nachgewiesen) zu bestehen. Zudem konnte in einer Meta-Analyse von 21 Beobachtungsstudien ein leicht erhöhtes Risiko für Autounfälle im Rahmen einer akuten Cannabisintoxikation nachgewiesen werden. Bezüglich Einfluss auf Lungenfunktion, kardiovaskuläres Risiko und Krebsrisiko wurden nur widersprüchliche Resultate mit geringem Evidenzgrad gefunden.
Schlussfolgerungen
Eine Wirkung natürlicher Cannabisprodukte kann lediglich bei der Behandlung chronischer neuropathischer Schmerzen nachgewiesen werden und selbst hier ist der Grad der Evidenz gering. Unerwünschte Wirkungen sind hauptsächlich bei der allgemeinen Bevölkerung dokumentiert und bestehen vor allem in psychiatrischen und kognitiven Symptomen.
Zusammengefasst von Thomas Koch
Die Studie will praktisch tätige Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen, mit Betroffenen eine «evidenzbasierte Diskussion» über die potenziellen Vor- und Nachteile einer in vielen Ländern jetzt möglichen Verordnung von natürlichen Cannabinoiden (THC-CBD-Präparate) gegen ihre chronischen Schmerzen zu führen. Nur für neuropathische Schmerzen konnte ein positiver Effekt gezeigt werden, und auch hier war der Grad der Evidenz gering und eine Schmerzlinderung nicht bei allen Betroffenen nachweisbar. Dieser beschränkte Nutzen sei abzuwägen gegen die ebenfalls schwache Evidenz, dass eine Cannabis-Medikation auch unerwünschte psychische Auswirkungen (häufigere psychotische Symptome, mehr maniforme Ereignisse, kognitive Einbussen) haben könne.
Rudolf Stohler
Standpunkte und Meinungen
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