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Glutenarme Kost ohne Nutzen für das Herz
- k -- Lebwohl B, Cao Y, Zong G et al. Long term gluten consumption in adults without celiac disease and risk of coronary heart disease: prospective cohort study. BMJ 2017; 357: j1892 [Link]
- Zusammenfassung: Markus Gnädinger
- Kommentar: Paolo M. Suter
- infomed screen Jahrgang 21 (2017)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 26. September 2017 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Dass sich eine glutenfreie Ernährung positiv auf den Gesundheitszustand von Personen mit Zöliakie auswirkt und deren kardiales Risiko vermindert, ist unbestritten. In der letzten Zeit wird zunehmend eine «Gluten-Sensitivität» bei nicht an Zöliakie Erkrankten postuliert und dieser ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Adipositas, metabolisches Syndrom sowie neuropsychiatrische Störungen zugeschrieben. Dementsprechend wird in der Laienpresse eine glutenarme Diät häufig auch für nicht an Zöliakie Erkrankte als gesundheitsförderlich dargestellt. Anhand dieser spezifischen Auswertung der Daten von zwei langfristig angelegten, grossen Kohortenstudien sollte deshalb der Zusammenhang zwischen glutenarmer Ernährung und dem Risiko für eine koronare Herzkrankheit untersucht werden.
Methoden
Aus den beiden grossen amerikanischen Kohortenstudien «The Nurses' Health Study» (NHS, über 120'000 Frauen) und «The Health Professionals Follow-up Study» (HPFS, über 50'000 Männer) wurden diejenigen Personen ausgewählt, bei denen keine Zöliakie, koronare Herzkrankheit oder Krebserkrankung vorbestand und die seit 1996 alle 4 Jahre einen semiquantitativen Ernährungsfragebogen vollständig und ohne widersprüchliche Angaben ausgefüllt hatten. Anhand der Angaben im Fragebogen wurde die durchschnittliche tägliche Gluten-Zufuhr geschätzt und deren Einfluss auf das Risiko für einen Herzinfarkt (tödliche und nicht-tödliche Ereignisse) untersucht. Für die Auswertung wurde die Gluten-Zufuhr gemäss ihrem Verhältnis zur gesamten Energieaufnahme in fünf Quintilen eingeteilt und die errechneten Zahlen für diverse Störfaktoren korrigiert.
Ergebnisse
Es konnten die Daten von 64'714 Frauen und 45'303 Männern ausgewertet werden. In der höchsten Quintile betrug die tägliche Gluten-Zufuhr 7,5 g für Frauen und 10,0 g für Männer; in der niedrigsten Quintile waren es 2,6 g und 3,3 g. Eine hohe Gluten-Zufuhr war invers korreliert mit Alkoholkonsum, Nikotinabusus, Fettkonsum und Verzehr von rotem Fleisch. Während 26 Jahren Nachbeobachtungszeit ereigneten sich 2'286 tödliche und 4'243 nicht-tödliche Herzinfarkte. Wenn die Resultate nur für das Alter korrigiert wurden, dann betrug die «Hazard Ratio» (HR) für einen Herzinfarkt für die höchste Quintile (im Vergleich mit der niedrigsten Quintile) 0,87 (95% CI 0,80-0,93); das heisst, dass das Risiko für einen Herzinfarkt bei hoher Gluten-Zufuhr sogar geringer war als bei niedriger. Dieser Unterschied verschwand jedoch, wenn für eine grosse Anzahl von Störfaktoren (u.a. Begleiterkrankungen, Rauchen, körperliche Aktivität, andere Ernährungsvariablen) korrigiert wurde. Weitere statistische Auswertungen ergaben, dass das günstigere Risiko bei hoher Gluten-Zufuhr in der nicht vollständig korrigierten Analyse möglicherweise auf den vermehrten Konsum von Vollkorn-Getreide zurückzuführen ist.
Schlussfolgerungen
Bei Personen ohne Zöliakie kann kein Zusammenhang zwischen hoher Gluten-Zufuhr und dem Risiko für eine koronare Herzkrankheit gezeigt werden. Die Studienverantwortlichen befürchten sogar, dass durch das Weglassen von gesundheitsförderlichen Vollkorn-Produkten im Rahmen einer glutenarmen Diät das Risiko für eine koronare Herzkrankheit eher zunehmen könnte.
Zusammengefasst von Markus Gnädinger
Diese prospektive Studie zeigt einmal mehr, dass Verallgemeinerungen – gerade im Bereiche der Ernährung – gefährlich falsch sind: Wenn auch Gluten für an Zöliakie Erkrankte pathophysiologisch relevant und bei diesen mit einem erhöhten koronaren Risiko verbunden ist, so dürfen die krankheitsspezifischen Zusammenhänge keineswegs auf Personen ohne Zöliakie übertragen werden. So glauben laut einer weltweiten «Nielsen»-Umfrage gut 21% der Befragten, dass eine glutenfreie Ernährung «sehr wichtig» sei. Das «Fake-News Marketing» wirkt offenbar. Die Frage, wie gesund eine glutenfreie Ernährung grundsätzlich ist, kann nicht beantwortet werden. Aber wir wissen nun, dass keine Assoziation mit koronarer Herzkrankheit vorhanden ist. Neuere Evidenz bezüglich der Sicherheit und Unbedenklichkeit eines glutenfreien Essmusters für alle lässt jedoch aufhorchen. Nach dieser klärenden Studie kann man – im Einklang mit dem Namen des Erstautors – den nicht evidenzbasierten Theorien zur universellen Schädlichkeit von Gluten ein und für allemal «Lebwohl» sagen.
Paolo M. Suter
Standpunkte und Meinungen
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