Kreatininanstieg als Risikomarker

  • k -- Schmidt M, Mansfield KE, Bhaskaran K et al. Serum creatinine elevation after renin-angiotensin system blockade and long term cardiorenal risks: cohort study. BMJ 2017 (9. März); 356: j791 [Link]
  • Zusammenfassung: Felix Tapernoux
  • Kommentar: Paul Erne
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 4
    Publikationsdatum: 28. Juli 2017
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Studienziele

Nach Therapiebeginn mit einem Renin-Angiotensinhemmer («Renin Angiotensin System Inhibitor», RASI – d.h. ACE-Hem­mer oder Angiotensin-Rezeptorblocker) kann sich die Nie­renfunktion verschlechtern. Steigt dabei das Kreatinin um mehr als 30% an, wird empfohlen, das Medikament abzusetzen. Allerdings ist das mit einem solchen Kreatininanstieg verbundene langfristige Risiko kaum definiert. Da in den sehr stark ausgewählten Populationen von randomisierten Studien ein solcher Anstieg eher selten vorkommt, sollte dieses Phänomen anhand der vorliegenden Kohortenstudie «bei Alltagsbedingungen» besser untersucht werden.

Methoden

Mit Hilfe einer grossen Grundversorgungsdatenbank («Clinical Practice Research Datalink»), welche rund 7% der britischen Bevölkerung umfasst, wurden Personen identifiziert, denen neu ein RASI verordnet worden war. Dank der Verknüpfung mit einer weiteren (Spital-)Datenbank konnten alle kardialen und renalen Komplikationen (terminale Niereninsuffizienz, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Todesfälle) erfasst werden, die in der Folge auftraten. In einer primären Analyse wurden in Hinblick auf das Risiko, solche Komplikationen zu entwickeln, alle Personen mit einem Kreatininanstieg von mindestens 30% mit den übrigen verglichen. In einer weiteren Auswertung wurde untersucht, wieweit das Ausmass des Kreatininanstiegs mit der Risikozunahme korreliert.

Ergebnisse

Von 303'451 Personen, die zwischen April 1997 und März 2014 eine neue Therapie mit einem RASI begannen, konnten 122'363 (40%) in die Studie einbezogen werden, da von ihnen Kreatininmessungen vor und nach Behandlungsbeginn vorlagen. 2'078 (1,7%) davon wiesen einen Kreatininanstieg von mindestens 30% auf. Risikofaktoren für einen ausgeprägten Kreatininanstieg waren fortgeschrittenes Alter, weibliches Geschlecht, mittel- bis schwergradige Niereninsuffizienz, kardiale Begleiterkrankungen sowie Einnahme von nicht-steroidalen Entzündungshemmern, Schleifendiuretika oder Kalium-sparenden Diuretika. Bei einem Kreatininanstieg von mindestens 30% traten alle untersuchen kardiorenalen Komplikationen häufiger auf: Die für Störfaktoren korrigierte «Risk Ratio» der Inzidenz betrug dabei 3,43 für terminale Niereninsuffizienz, 1,46 für Herzinfarkte, 1,37 für Herzinsuffizienz und 1,84 für Todesfälle. Auch ein geringerer Kreatininanstieg war mit einem erhöhten Risiko verbunden. Das Risiko nahm dabei parallel zum Ausmass des Kreatininanstieges zu. Das 1-Jahres-Sterblichkeitsrisiko betrug beispielsweise 2% bei einem Kreatininanstieg von weniger als 20%, 4% bei einem Anstieg von 20-29%, 7% bei einem Anstieg von 30-39% und 16% bei einem Anstieg von mehr als 40%.

Schlussfolgerungen

Wenn nach Therapiebeginn mit einem RASI das Kreatinin ansteigt, bedeutet dies ein höheres Risiko für kardiale und renale Komplikationen.

Zusammengefasst von Felix Tapernoux

Renin-Angiotensinhemmer führen im Glomerulum der Niere zu einer stärkeren Dilatation des Vas efferens als des Vas afferens. Dank der intakten Autoregulation kann bei Gesunden der glomeruläre Druck und damit die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) über einen breiten Blutdruckbereich trotzdem stabil gehalten werden. Bei Hypertonie, Niereninsuffizienz und anderen vaskulären Begleiterkrankungen hingegen ist diese Autoregulation gestört, was zwangsläufig einen stärkeren Abfall des glomerulären Druckes und einen Anstieg des Kreatinins zur Folge hat. Das höhere kardiorenale Risiko bei Personen mit Kreatininanstieg unter RASI, das in der vorliegenden riesigen Kohorte beschrieben wird, resultiert für mich eher daraus, dass durch den Kreatininanstieg die zugrundeliegende Pathophysiologie offengelegt wird, als dass die Medikamente selber diese negativen Auswirkungen hätten. So waren die Personen mit einem besonders ausgeprägten Kreatinin­anstieg auch älter und kränker als die übrigen. Die Frage, ob die Einnahme eines RASI für diese Personen langfristig wirklich ungünstig ist, kann diese Studie nicht beantworten. Wie die Studienverantwortlichen selber schreiben, braucht es dazu weitere Untersuchungen. Bis dann wissen wir nicht, ob wir durch das Wieder-Absetzen der RASI den durch die vorbestehende höhere Morbität bestimmten, ungünstigen Verlauf positiv beeinflussen können.

Paul Erne

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Kreatininanstieg als Risikomarker ( 2017)