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Kühler Kopf gegen Chemotherapie-bedingten Haarausfall
- r -- Nangia J, Wang T, Osborne C et al. Effect of a scalp cooling device on alopecia in women undergoing chemotherapy for breast cancer: the SCALP randomized clinical trial. JAMA 2017 (14. Februar); 317: 596-605 [Link]
- Zusammenfassung: Barbara Loeliger
- Kommentar: Beat Thürlimann
- infomed screen Jahrgang 21 (2017)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 13. Juni 2017 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Von der Chemotherapie induzierter Haarausfall zählt zu den unangenehmsten Nebenwirkungen für Frauen mit Brustkrebs. Die Kühlung der Kopfhaut mittels (mit spezieller Flüssigkeit gefüllten) Hauben soll die Toxizität der Chemotherapie auf die Haarfollikelzellen reduzieren und die Haarausfallrate verringern. Bisher fehlten randomisierte Studien zur Wirksamkeit dieser Methode. Das Ziel dieser amerikanischen Studie war, die Wirksamkeit und Sicherheit der Kühlhaube zur Prävention der Chemotherapie-induzierten Alopezie bei Frauen mit Brustkrebs zu evaluieren.
Methoden
Zwischen 2013 bis 2016 erhielten 142 Frauen mit Brustkrebs im Stadium I oder II während der Chemotherapie nach dem Zufall entweder eine Kühlung der Kopfhaut (95 Frauen) oder keine Kühlung (47 Frauen). Die Chemotherapie bestand aus 4 Zyklen mit Taxanen und/oder Anthrazyklinen. Die Kühlhaube wurde jeweils 30 min vor bis 90 min nach der Verabreichung der Chemotherapie appliziert. Als Behandlungserfolg galt ein Haarausfall von weniger als 50% (Alopezie Grad 0-1) nach dem vierten Chemotherapie-Zyklus. Die Beurteilung erfolgte dabei durch Ärztinnen und Ärzte, denen die Gruppenzuteilung der entsprechenden Frauen nicht bekannt war. Die erwarteten Nebenwirkungen der Kühlhaube wie Kältemissempfindung, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Hautreaktionen wurden nach jedem Zyklus erhoben.
Ergebnisse
Bei 50% der Frauen in der Interventionsgruppe konnte ein Behandlungserfolg verzeichnet werden (48 von 95 Frauen) verglichen mit 0% in der Kontrollgruppe (0 von 47 Frauen), was einer Erfolgsdifferenz von 50% (95% CI 40-60%) entspricht. Dabei handelt es sich um die Zahlen einer geplanten Interims-Analyse, die dazu führten, dass keine weiteren Frauen in die Studie aufgenommen wurden. Bei einer Taxan-basierten Chemotherapie war der Behandlungserfolg deutlich besser als bei einer solchen die auf Anthrazyklinen beruhte (59% gegenüber 16%). Die Erfolgsraten der verschiedenen Zentren unterschieden sich stark (0% bis 69%), was die Studienverantwortlichen auf ein unterschiedliches Ausmass an Erfahrung mit der korrekten Anwendung der Kühlhaube zurückführen. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen auf und die Kühlhaube wurde insgesamt gut toleriert.
Schlussfolgerungen
Bei Frauen mit Brustkrebs, welche eine Taxan- oder Anthrazyklin-basierte Chemotherapie erhalten, kann mit Hilfe einer Kopfhautkühlung das Risiko für Haarausfall vermindert werden, ohne dass schwere unerwünschte Wirkungen auftreten. Langzeitstudien zur Sicherheit und Wirksamkeit fehlen aber bislang, weshalb die teilnehmenden Frauen über die nächsten 5 Jahre bezüglich Auftreten von Metastasen, Kopfhautmetastasen und Überlebensrate weiter beobachtet werden.
Die Wirkung einer Kopfhautkühlung auf Chemotherapie-induzierten Haarausfall wurde auch in dieser zweiten amerikanischen Studie untersucht. Hierbei handelte es sich um eine prospektive (nicht randomisierte) Kohortenstudie. Von 122 Frauen mit Brustkrebs, die eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie auf Taxan-Basis erhielten, wurde bei 106 ein Kopfhaut-Kühlungssystem eingesetzt und bei 16 nicht. Als primärer Endpunkt galt die subjektive Einschätzung des Haarausfalls durch die Frauen selbst vier Wochen nach Abschluss der Chemotherapie. Auch hier wurde ein Haarausfall von weniger als 50% als Behandlungserfolg gewertet.
Von den 117 Frauen, deren Resultate ausgewertet werden konnten, verzeichneten in der Interventionsgruppe 67 von 101 Frauen (66%) einen Behandlungserfolg, verglichen mit 0 von 16 Frauen (0%) in der Kontrollgruppe. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen auf. Auch diese Resultate sprechen für eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Kopfhautkühlung bei Taxan-induziertem Haarausfall, aufgrund der Studienanlage sind die Resultate allerdings deutlich weniger aussagekräftig als diejenigen der ersten Studie.
Zusammenfassungen von Barbara Loeliger
Kopfhautkühlung wird in der Schweiz seit vielen Jahren durchgeführt und ist – wie wir aus Erfahrung wissen - vor allem bei niedrig dosierter, wöchentlicher Monotherapie mit Anthrazyklinen und Taxanen erfolgreich. Die randomisierte Studie bringt jetzt etwas mehr wissenschaftliche Evidenz: Zum einen bestätigt sie unsere Erfahrung, dass viele Frauen zwar «Scalp Cooling» in Betracht ziehen und es auch beginnen, dass aber die Behandlung oft nicht zu Ende geführt wird. Selbst in dieser Studie mit sehr motivierten Frauen fanden sich 20-30% Aussteigerinnen, in unserer täglichen Erfahrung sind es bedeutend mehr. Zum anderen bedeutet das untersuchte Erfolgskriterium «Alopezie Grad 1», dass bis zu 50% der Haare ausfallen können, so dass oft trotzdem eine Perücke getragen werden muss. Der Aufwand für die Kopfhautkühlung ist erheblich, sowohl für die betroffenen Frauen als auch das Pflegepersonal, auch die Kühlgeräte sind nicht gerade billig. Die Studie bestätigt anhand von wissenschaftlicher Evidenz, was wir in den letzten 15 Jahren «aus Erfahrung gelernt» haben. Es ist eine hilfreiche Option, die aber in der Praxis nicht so einfach anzuwenden und wirksam ist, wie wir uns das wünschen.
Beat Thürlimann
Standpunkte und Meinungen
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