Betablocker oder der Preis der Lebensverlängerung

  • k -- Steinman MA, Zullo AR, Lee Y et al. Association of β-blockers with functional outcomes, death, and rehospitalization in older nursing home residents after acute myocardial infarction. JAMA Intern Med 2017 (1. Februar); 177: 254-62 [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Häusermann
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 2
    Publikationsdatum: 4. April 2017
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Betablocker senken nach einem Myokardinfarkt die Mortalität und gehören deshalb zur Standardbehandlung; in den entsprechenden Studien waren jedoch hochbetagte Kranke meist ausgeschlossen. Bei 5'496 in Pflegeheimen wohnenden Männern und Frauen, die wegen eines Myokardinfarkts hospitalisiert waren und nach der Entlassung neu einen Betablocker einnahmen, wurde in einer Kohortenstudie der Verlauf mit demjenigen einer gleich grossen Kontrollgruppe ohne Betablocker-Behandlung verglichen. Mit Hilfe von sogenanntem «propensity matching» wurde dabei versucht, den Einfluss von Störfaktoren möglichst gering zu halten. Das mittlere Alter betrug 84 Jahre, die Betroffenen waren im Alltag zu je einem Drittel gering oder stark hilfsbedürftig oder vollständig pflegeabhängig. Personen, die schon vor dem Infarkt einen Betablocker eingenommen hatten, wurden nicht berücksichtigt.

Innert 90 Tagen nach Spitalentlassung starben 14% aller Kranken, unter Betablockern deutlich weniger als in der Kontrollgruppe («Odds Ratio» OR 0,74; 95% CI 0,67- 0,83). In derselben Periode verschlechterten sich aber die Alltagsfunktionen unter Betablockern häufiger als in der Kontrollgruppe (OR 1,14; 95% CI 1,02-1,28). Insgesamt waren 12% der überlebenden Kranken davon betroffen, und zwar vorwiegend die stark pflegebedürftigen und diejenigen mit fortgeschrittener Demenz, kaum aber die funktionell und kognitiv weniger eingeschränkten Personen. Es brauchte 26 Betablocker-Behandlungen, um ein Leben zu retten («number needed to treat»), dies wurde aber einmal unter 52 Behandlungen mit einer einschneidenden Verschlechterung in den Alltagsfunktionen erkauft («number needed to harm»).

Die vorliegende, zwar nicht randomisierte, aber sehr sorgfältig gemachte Studie befasst sich mit der in den meisten Studien vernachlässigten Gruppe der Hochbetagten und Pflegebedürftigen und zeigt, dass bei ihnen die gemäss Guidelines empfohlenen Medikamente zwar auch das Leben verlängern, aber auch mehr Nebenwirkungen als bei jüngeren Personen verursachen. Diese Nebenwirkungen sind im Einzelnen subtil und werden oft nicht als solche erkannt, etwa wenn ein dementer Mensch mehr vor sich hindöst und weniger an seinem Umfeld Anteil nimmt. Bei dieser Patientengruppe müssen wir also besonders aufmerksam auf Medikamentennebenwirkungen achten, Nutzen und Nebenwirkungen individuell abwägen und wenn nötig auch von den Guidelines abweichen, denn hier ist die Erhaltung der verbleibenden Selbständigkeit und Lebensqualität meist wichtiger als eine Lebensverlängerung um jeden Preis.

Zusammengefasst und kommentiert von Markus Häusermann

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infomed-screen 21 -- No. 2
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Betablocker oder der Preis der Lebensverlängerung ( 2017)