Sind Frauen die besseren Ärzte?

  • k -- Tsugawa Y, Jena AB, Figueroa JF et al. Comparison of hospital mortality and readmis­sion rates for Medicare patients treated by male vs female physicians. JAMA Intern Med 2017 (1. Februar); 177: 206-13 [Link]
  • Zusammenfassung: Barbara Loeliger
  • Kommentar: Sonja Merten
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 2
    Publikationsdatum: 4. April 2017
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Studienziele

Gemäss mehreren Studien stützen sich Frauen bei der Ausübung des Arztberufs eher auf medizinische Leitlinien und evidenzbasierte Empfehlungen als ihre männlichen Kollegen. Ob dies einen Einfluss auf das Behandlungsresultat hat, ist jedoch unklar und sollte anhand der vorliegenden Studie untersucht werden.

Methoden

Es wurde eine Stichprobe von 20% aller im amerikanischen «Medicare»-Modell Versicherten im Alter von mindestens 65 Jahren untersucht, welche von Januar 2011 bis Dezember 2014 aufgrund einer akuten internistischen Erkrankung hospitalisiert worden waren. Jedem Krankendossier wurde anhand der Spitalrechnung ein hauptverantwortlicher Arzt oder eine hauptverantwortliche Ärztin zugewiesen. Primäre Endpunkte waren die Sterblichkeit und die Häufigkeit erneuter Spitaleinweisungen 30 Tage nach der Entlassung. Untersucht wurde, ob eine Assoziation zwischen diesen Endpunkten und dem Geschlecht der wichtigsten behandelnden Person bestand. Des Weiteren interessierte, ob sich die geschlechterspezifischen Behandlungsresultate je nach Erkrankung oder deren Schweregrad unterschieden.

Ergebnisse

Insgesamt wurden über anderthalb Millionen «Medicare»-Versicherte durch 58'344 Ärztinnen und Ärzte der allgemeinen inneren Medizin hauptverantwortlich betreut, davon waren 18'751 (32,1%) Frauen. Diese waren generell jünger und behandelten weniger Patientinnen und Patienten pro Jahr als ihre männlichen Kollegen. Die von ihnen behandelten Personen unterschieden sich jedoch nicht von denjenigen, die von Männern behandelt wurden. Die Sterblichkeit 30 Tage nach der Spitalentlassung betrug insgesamt 11,32%. Wurden die Betroffenen während ihres Spitalaufenthaltes von einer Ärztin behandelt, so waren es 11,07%, bei Behandlung durch einen Arzt 11,49%. Die daraus resultierende absolute Differenz von 0,43% ist statistisch signifikant. Um einen Todesfall zu vermeiden, mussten 233 Kranke von einer Frau statt von einem Mann behandelt werden («Number Needed to Treat», NNT). Auch hinsichtlich erneuter Spitaleinweisungen schnitten die behandelnden Ärztinnen besser ab als ihre männlichen Kollegen (15,02% gegenüber 15,57%), hier betrug die NNT 182. Die medizinische Diagnose und der Schweregrad der Krankheit beeinflussten die Resultate nicht.

Schlussfolgerungen

Bei älteren Personen, welche auf einer allgemeininternistischen Abteilung hospitalisiert waren, ist die Sterblichkeit und Häufigkeit einer erneuten Hospitalisation nach der Behandlung durch eine Ärztin geringer als nach Behandlung durch einen Arzt. Die absolute Risikoreduktion von 0,43% bezüglich Mortalität erscheint zwar gering, doch auf alle «Medicare»-Versicherten mit 10 Millionen medizinischen Akuthospitalisationen pro Jahr hochgerechnet, würden 32'000 Personen pro Jahr weniger sterben, wenn sie durch Frauen statt  Männer betreut würden.

Zusammengefasst von Barbara Loeliger

Die Studienverantwortlichen interpretieren ihre Resultate so, dass Frauen vermutlich eher Evidenz-basierte Medizin anwenden, was sich positiv auf die Gesundheit der von ihnen behandelten Personen auswirke. Wird diese Interpretation allein den Medizinern und Medizinerinnen von heute gerecht? Qualitative Forschung deutet darauf hin, dass Ärztinnen auch patientenorientierter kommunizieren. So mögen letzten Endes sowohl die stärker Evidenz-basierte Herangehensweise in der medizinischen Praxis der Ärztinnen wie auch geschlechtsspezifische Kommunikationsmuster eine Rolle spielen für die Unterschiede bei den Behandlungsergebnissen. Um eine patientenzentriertere Betreuung zu gewährleisten, sind aber nicht nur die Ärztinnen und Ärzte gefragt, sondern auch die Patientinnen und Pa­tienten, die ihre Anliegen unabhängig vom Geschlecht des Gegenübers gleich aktiv einbringen sollten.

Sonja Merten

Standpunkte und Meinungen
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