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Zu viele unnötige Medikamente bei Demenz
- a -- Tjia J, Briesacher BA, Peterson D et al. Use of medications of questionable benefit in advanced dementia. JAMA Intern Med 2014 (November); 174: 1763-71 [Link]
- Zusammenfassung: Renato L. Galeazzi
- infomed screen Jahrgang 19 (2015)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 5. Februar 2015 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Eine fortgeschrittene Demenz führt zu schweren kognitiven und funktionellen Einschränkungen mit terminalem Ausgang. Betroffene leben meist in Heimen und benötigen ständige Überwachung und Hilfe. Für Angehörige, Pflegende und Behandelnde ist «Komfort» und nicht Lebensverlängerung das Ziel aller medizinischen Massnahmen. Die meisten dieser Demenzkranken haben eine Verordnung «keine Reanimation». Unnötige, schlecht belegte, kaum wirksame oder mit schweren Nebenwirkungen belastete Medikamente sollten daher nicht verwendet werden. Aus Beobachtungsstudien weiss man aber, dass gerade bei dieser Gruppe häufig eine teure und gleichzeitig unnötige Polypharmakotherapie betrieben wird. Für die vorliegende Studie wurden Daten einer Apotheke, die rund die Hälfte aller Pflegeheime der USA mit rezeptpflichtigen Medikamenten versorgt, mit den klinischen Daten des sogen. «Minimal Data Sets» (US-bundesweite Erfassung klinischer Daten aller Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner) ausgewertet. Es interessierte, wie vielen Personen mit fortgeschrittener Demenz «unnötige Medikamente» («drugs of questionable benefit», gemäss einer von einem Expertengremium erstellten Liste) verschrieben worden waren, und ob es spezielle Merkmale bei den Betroffenen oder den sie pflegenden Institutionen gab, die das Verschreiben solcher Medikamente wahrscheinlicher machten.
Während eines Jahres konnten 5'406 Personen mit fortgeschrittener Demenz identifiziert werden, welche die Auswahlkriterien erfüllten. Über 50% waren älter als 85 Jahre, 78% waren Frauen und knapp 70% hatten eine Verordnung «keine Reanimation». In speziellen Demenzabteilungen wohnten 13%. Mindestens ein «unnötiges Medikament» erhielten 54% aller Betroffenen. Männern, jüngeren Personen und solchen, die an Diabetes oder Hypertonie litten oder nicht vollkommen auf Pflege angewiesen waren, wurden häufiger solche Medikamente verschrieben. Neben regionalen Unterschieden wurden diese Medikamente auch in Institutionen, in denen Sonden-Ernährung üblicher war, häufiger verschrieben. Cholinesterasehemmer erhielten 36% und Memantin 25% der Kranken, obwohl bewiesen ist, dass diese Medikamente bei fortgeschrittener Demenz nichts nützen. Lipidsenker und Plättchenhemmer, deren Wirkung höchstens langfristig einen Sinn machen würde, wurden in 22% bzw. in 7% eingesetzt. Bei Personen, die mindestens ein «unnötiges Medikament» einnahmen, hätten durch Weglassen dieser Medikamente die Medikamentenkosten um 35% gesenkt werden können.
Diese Querschnittsstudie zeigt eindrücklich, dass bei hochbetagten Personen – hier an Demenzkranken untersucht – oft wenig oder fraglich wirksame oder im gegebenen Fall unnötige Medikamente verschrieben werden, die nichts mit einem ganzheitlichen Ziel der medizinischen Betreuung zu tun haben. In der Schweiz dürfte eine solche Erhebung nicht weniger dramatisch ausfallen. Gerade ältere, multimorbide Kranke werden oft in Grossspitälern behandelt, wo auf spezialisierten Abteilungen gemäss den Richtlinien der jeweiligen Fachgesellschaften sämtliche irgendwie indizierten Medikamente verschrieben werden, und wo niemand mit dem notwendigen Überblick die Verordnungen kontrolliert. Diese Kontrolle muss daher vom Hausarzt oder der Hausärztin übernommen und mit der nötigen Konsequenz durchgeführt werden, ungeachtet allfälliger Kritik durch einzelne Spezialistinnen und Spezialisten.
Zusammengefasst und kommentiert von Renato Galeazzi
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