Diabetes und Autofahren: Vorsicht
- a -- Clarke WL, Cox DJ, Gonder-Frederick LA et al. Hypoglycemia and the decision to drive a motor vehicle by persons with diabetes. JAMA 1999 (25. August); 282: 750-4 [Link]
- Kommentar: Peter Diem
- infomed screen Jahrgang 3 (1999)
, Nummer 9
Publikationsdatum: 1. Oktober 1999 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
In Untersuchungen unter Laborbedingungen (Fahrzeugsimulator) konnte gezeigt werden, dass sich die Fähigkeit, ein Auto zu lenken, bei Personen mit Typ-I-Diabetes signifikant verschlechtert, wenn sich der Blutzuckerwert zwischen 2,6 und 3,6 mmol/l bewegt. In dieser Studie wurde untersucht, wie stark der Wert des geschätzten Blutzuckerspiegels die Entscheidung beeinflusst, Auto zu fahren. Dieser Entscheid wurde zudem mit den tatsächlich gemessenen Blutzuckerspiegeln in Zusammenhang gebracht.
Methoden
Die Untersuchungen wurden nach dem gleichen Protokoll bei 2 Studiengruppen durchgeführt. An der ersten Studie nahmen 65 (Gruppe 1) und an der 2 Jahre später durchgeführten zweiten Studie 93 Diabeteskranke (Gruppe 2) teil. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten einen tragbaren Computer, in dem folgende Daten festgehalten wurden: klinische Symptome, Ergebnisse von Reaktionstests, geschätzter Blutzuckerwert und davon abgeleitet der Entscheid über die Fahrtüchtigkeit. Schliesslich wurde auch der gemessene Blutzuckerwert registriert. Die Daten wurden täglich 3- bis 6mal in den Computer eingegeben. Der Beobachtungszeitraum betrug 3 bis 4 Wochen.
Ergebnisse
Die Ergebnisse waren in beiden Gruppen ungefähr identisch. Personen, die ihren Blutzuckerspiegel auf Werte zwischen 3,3 bis 3,9 mmol/l schätzten, entschieden in 40 bis 45% der Fälle, doch noch ein Auto zu lenken. Selbst wenn der Blutzuckerwert auf unter 2,2 mmol/l geschätzt wurde, entschlossen sich die Versuchspersonen in 28% der Fälle zum Autofahren. Der Entscheid, bei relativ niedrigen Blutzuckerwerten ein Auto zu lenken, wurde vorwiegend durch die Präsenz vegetativer Symptome, das Ausmass der kognitiven Beeinträchtigung und den geschätzten Blutzuckerwert beeinflusst. Etwa die Hälfte der Versuchspersonen wären – gemäss der tatsächlichen Messung – noch mit einem Blutzucker-Wert unter 3,9 mmol/l gefahren.
Schlussfolgerungen
Viele Diabeteskranke schätzen ihre Fähigkeit, bei niedrigen Blutzuckerwerten Auto fahren zu können, falsch ein. Deshalb fahren wohl viele, wenn ihr aktueller Blutzuckerwert zu tief ist. Ärztinnen und Ärzte sollten Diabeteskranke motivieren, ihren Blutzuckerspiegel zu messen, bevor sie sich hinter das Steuer setzen. Bei einem gemessenen Wert unter 3,9 mmol/l sollten Diabeteskranke generell kein Fahrzeug lenken.
Retrospektive Studien, welche die Häufigkeit schwerer Autounfälle bei Personen mit einem Diabetes Typ I untersuchten, lieferten bisher sehr widersprüchliche Resultate. Am Simulator nimmt die Fahrleistung allerdings bereits im Blutzuckerbereich von 2,6-3,6 mmol/l signifikant ab. Die vorliegende Arbeit zeigt nun, dass Personen mit einem Diabetes Typ I ihre Blutzuckerlage und damit ihre Fähigkeit ein Fahrzeug zu lenken, sehr oft falsch einschätzen. Entsprechende Information und Schulung ist für die betreuenden Ärzte zwingend und Blutzuckerselbstkontrollen vor Autofahrten sind für Personen mit einem Diabetes Typ I unabdingbar!
Peter Diem
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