Bei Alterskranken sedierende Mittel überprüfen
- r -- Cohen-Mansfield J, Lipson S, Werner P et al. Withdrawal of haloperidol, thioridazine, and lorazepam in the nursing home: a controlled, double-blind study. Arch Intern Med 1999 (9./23. August); 159: 1733-40 [Link]
- Kommentar: Andreas E. Stuck
- infomed screen Jahrgang 3 (1999)
, Nummer 9
Publikationsdatum: 1. Oktober 1999 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Neuroleptika und Benzodiazepine werden bei agitierten Alterskranken oft verschrieben. Über Versuche, diese Medikamente abzusetzen, ist wenig bekannt. In dieser Studie wurde versucht, die Konsequenzen des Entzugs von sedierenden Medikamenten unter kontrollierten Bedingungen zu dokumentieren.
Methoden
Die Studie wurde in einem Pflegeheim bei 58 Personen – 43 Frauen, 15 Männer, durchschnittlich 86 Jahre alt – durchgeführt. Sie standen seit mindestens vier Wochen, im Durchschnitt jedoch seit neun Monaten, unter Haloperidol (Haldol® u.a.), Thioridazin (Melleril®) oder Lorazepam (Temesta® u.a.). Nur bei einer nach dem Zufall ausgelesenen Hälfte dieser Kranken wurde das Psychopharmakon allmählich reduziert und dann für 7 Wochen durch Placebo ersetzt. Anschliessend erhielten diese Personen ihr ursprüngliches Medikament erneut. Bei allen anderen Kranken, die zunächst ihr Psychopharmakon unverändert erhielten, erfolgte das Absetzen in der zweiten Phase der Studie nach demselben Verfahren (Dosisreduktion, anschliessend 7 Wochen Placebo). Das psychische Verhalten der Kranken wurde mit verschiedenen Skalen erfasst. Nebenwirkungen wurden ebenfalls aufgezeichnet.
Ergebnisse
Nur 35 Personen beendeten die Studie. Bei 9 Personen wurde die Studie wegen vermehrter Erregung abgebrochen; 6 befanden sich in der aktiven Therapiephase. Wurden das Verhalten und die Erregbarkeit während der Aktiv- und der Placebophase miteinander verglichen, so konnte kein statistisch signifikanter Unterschied gefunden werden. In beiden Phasen traten Nebenwirkungen gleich selten auf.
Schlussfolgerungen
Bei 35 Alterskranken, die seit längerer Zeit Psychopharmaka erhielten, hatte der Entzug des Medikaments bezüglich Verhalten keine Konsequenzen.
Folgende Beobachtung zeigte besonders deutlich die fehlende Wirksamkeit der Psychopharmaka zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei älteren Personen: Während der laufenden Studie konnten die verantwortlichen Pflegenden die Forscher bei Problemen anrufen. In solchen Notfallsituationen vermuteten die Pflegenden meistens, dass eine Verschlimmerung der Symptome aufgetreten sei, weil sich die Kranken in der Placebophase befänden. In diesen Fällen musste die Studie jeweils bei der betreffenden Person abgebrochen werden. Es zeigte sich jedoch, dass solche Studienabbrüche häufiger unter Psychopharmaka als unter Placebo notwendig waren. Aus diesem Grund sollte bei allen Pflegeheimpatienten routinemässig in etwa 6wöchigen Abständen die Indikation und Dosierung von verordneten Psychopharmaka überprüft werden und insbesondere bei Neuroleptika ein Reduktionsversuch gemacht werden. Das Pflegepersonal hat dabei die schwierige Aufgabe, den verwirrten Patienten Tag und Nacht zu betreuen. Der Arzt kann die Resultate dieser Studie dazu benützen, beim Pflegepersonal das Verständnis für die Notwendigkeit solcher Massnahmen zu fördern.
Andreas Stuck
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