Was bringt eine intensive Blutdrucktherapie bei Typ-2-Diabetes?
- m -- McBrien K, Rabi DM, Campell N et al. Intensive and standard blood pressure targets in patients with type 2 diabetes mellitus: systematic review and meta-analysis. Arch Intern Med 2012 (24. September); 172: 1296-1303 [Link]
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Peter Ritzmann
- infomed screen Jahrgang 16 (2012)
, Nummer 6
Publikationsdatum: 10. Dezember 2012 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Aufgrund von Studien wie z.B. der UKPDS, die bei Personen mit Typ-2-Diabetes einen Nutzen einer intensiven Blutdrucksenkung zeigen konnten, wurden die Zielblutdruckwerte für Diabeteskranke gesenkt. Heute werden oft Zielwerte von systolisch 130 und diastolisch 80 mm Hg empfohlen, was allerdings oft eine intensive Behandlung mit drei bis vier Antihypertensiva erfordert. In der vorliegenden Meta-Analyse wurde die Frage untersucht, inwieweit ein niedrigeres Blutdruckziel tatsächlich Vorteile gegenüber einer Behandlung mit einem höheren Zielblutdruck ergibt.
Methoden
In einer systematischen Datenbanksuche wurden fünf randomisierte Studien mit insgesamt 7'312 erwachsenen Diabeteskranken mit einer Hypertonie gefunden, die antihypertensive Behandlungen mit unterschiedlichen Blutdruckzielwerten verglichen hatten. Als intensive Blutdrucksenkung galt eine Behandlung mit einem Zielblutdruck von höchstens 130 mm Hg systolisch und 80 diastolisch. Als Standardbehandlung galten Zielblutdruckwerte von systolisch 140 bis 160 und diastolisch 85 bis 100 mm Hg. Untersucht wurde der Einfluss auf verschiedene Endpunkte wie die Gesamtmortalität und das Risiko für Myokardinfarkt oder Schlaganfall.
Ergebnisse
Zusammengenommen zeigten die Studien keine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität und keine signifikante Reduktion des Myokardinfarktrisikos unter der intensiven Behandlung des Hochdrucks gegenüber einer Standardtherapie. Signifikant niedriger erschien allerdings das Risiko für einen Schlaganfall (relatives Risiko 0,65; 95% CI 0,48-0,86). Die absolute Risikoreduktion war jedoch klein (1%). Damit müssen etwa 100 Personen für 2 bis 5 Jahre intensiv behandelt werden, um einen Schlaganfall mehr als mit einer Standardbehandlung zu verhindern. Diese «Number Needed to Treat» (NNT) von 100 ist etwa viermal so hoch wie für eine Standardbehandlung gegenüber keiner Behandlung. Gefährliche Nebenwirkungen (z.B. hypotone Episoden, Rhythmusstörungen, Hyperkaliämien) wurden nur in einer der berücksichtigten Studien erfasst, waren aber unter intensiver Behandlung signifikant häufiger.
Schlussfolgerungen
Eine intensive antihypertensive Behandlung von Typ-2-Diabeteskranken mit einem Blutdruckziel von höchstens 130/80 mm Hg bringt im Vergleich mit einer Standardbehandlung nur einen kleinen Zusatznutzen und häufiger schwerwiegende Nebenwirkungen.
Zusammengefasst von Bettina Wortmann
In der Praxis sind absolute Zielvorgaben für eine Blutdrucksenkung wenig hilfreich: wenn bei einem hohen Risiko eine Blutdrucksenkung auf 130/80 mm Hg ohne riesigen Aufwand zu erreichen ist, spricht wenig dagegen, diese auch zu realisieren. Personen mit einem Typ-2-Diabetes, die einem besonders hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen unterworfen sind, gehören zu der Gruppe, die absolut gesehen am meisten von einer Blutdrucksenkung profitieren. Andererseits macht es aber schon intuitiv wenig Sinn, ein Blutdruckziel von 130/80 mm Hg «auf Teufel komm raus» bei allen Diabeteskranken erreichen zu wollen. Die aktuelle Meta-Analyse zeigt diese Grenzen des Sinnvollen auf: Die grösste Risikoreduktion wird mit der Senkung eines stark erhöhten Blutdrucks erreicht. Eine Senkung von 140 auf 130 mm Hg systolisch bringt demgegenüber vergleichsweise wenig Zusatznutzen und muss bei einem Teil der Behandelten mit einer aufwendigen Behandlung und einem erheblichen Nebenwirkungsrisiko erkauft werden.
Peter Ritzmann
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