Acetylsalicylsäure reduziert Krebsrisiko und Krebssterblichkeit schon früh
- a -- Rothwell PM, Wilson M, Price JF et al. Effect of daily aspirin on risk of cancer metastasis: a study of incident cancers during randomised controlled trials. Lancet 2012 (28. April); 379: 1591-601 [Link]
- Zusammenfassung: Renato L. Galeazzi
- infomed screen Jahrgang 16 (2012)
, Nummer 4
Publikationsdatum: 30. Juli 2012 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Die Tatsache, dass Acetylsalicylsäure (ASS; Aspirin® u.a.) in «kardiologischer» Dosierung von 80 bis 325 mg pro Tag die Sterblichkeit an Krebs ab fünf Jahren nach Studienbeginn langfristig senkt, ist gut belegt. Gemäss neueren Daten könnte dieser Nutzen bereits noch früher auftreten. Dies lässt vermuten, dass nicht nur die Tumor-Neubildung sondern auch die Metastasierung gehemmt werden könnte. Es wurden die Daten aus fünf randomisierten Studien, welche zwischen 1988 und 2010 publiziert worden waren, im Bezug auf das Auftreten von Primärtumoren und Fernmetastasen neu ausgewertet. Die primäre Fragestellung all dieser Studien bestand darin, ASS für die primäre oder sekundäre Prävention von kardiovaskulären Ereignissen zu untersuchen. Man beschränkte sich auf Studien aus England, weil so anhand der zentralen Todesfall- und Krebsregister fehlende Daten zuverlässig ergänzt werden konnten.
Bei den 17'285 Studienteilnehmenden traten im untersuchten Zeitraum 1'101 neue Malignome auf, welche in 563 Fällen zum Tod führten. Unter ASS war das Risiko für das Auftreten eines neuen Primärtumors geringer («hazard ratio» HR 0,88, 95% CI 0,78 - 0,99), ebenso das Risiko, daran zu versterben (HR 0,77, 95% CI 0,65 - 0,91). Bei 775 der neu aufgetretenen Tumoren war der Verlauf bezüglich Metastasen genau dokumentiert. Dabei zeigte sich, dass unter ASS das Risiko für einen metastasierenden Tumor geringer war; dies galt insbesondere für kolorektale Karzinome (HR 0,36, 95% CI 0,18 - 0,74) und für Adenokarzinome insgesamt (HR 0,52, 95% CI 0,35- 0,75). Bei Tumoren mit anderer Histologie zeigte ASS diesen Effekt nicht. Wenn nur Adenokarzinome betrachtet wurden, welche erst im weiteren Verlauf eine Metastasierung zeigten, betrug die HR für ASS 0,46 (95% CI 0,29-0,73). Die Autorenschaft schliesst daraus, dass der gezeigte Nutzen von ASS bezüglich Krebssterblichkeit zumindest teilweise auf eine Hemmung der Metastasierung zurückzuführen ist.
m Mills EJ, Wu P, Alberton M et al. Low-dose aspirin and cancer mortality: a meta-analysis of randomized trials. Am J Med 2012 (Juni); 125: 560-7
Hier handelt es sich um eine konventionelle Meta-Analyse von 23 randomisierten Studien, in welchen niedrige ASS-Dosen (75 bis 325 mg/Tag) untersucht worden waren. Es zeigte sich, dass das relative Risiko für nicht-vaskuläre Todesfälle in der ASS-Gruppe reduziert war (relatives Risiko RR 0,88, 95% CI 0,81-0,96). In elf der Studien wurde auch die Krebssterblichkeit erfasst; diese zeigte eine ähnliche Risikoreduktion (RR 0,77, 95% CI 0,63-0,95). In beiden Fällen erreichte der Behandlungsnutzen nach rund 4 Jahren statistische Signifikanz.
m Rothwell PM, Price JF, Fowkes FG et al. Short-term effects of daily aspirin on cancer incidence, mortality, and non-vascular death: analysis of the time course of risks and benefits in 51 randomised controlled trials. Lancet 2012 (28. April); 379: 1602-12
In dieser Meta-Analyse (aus der Feder derselben Studiengruppe wie die erste oben zusammengefasste Studie) wurden die individuellen Daten von total 77'549 Teilnehmenden aus 51 randomisierten Studien – sowohl mit hohen als auch niedrigen ASS-Tagesdosen gegenüber keiner ASS – analysiert. Nach 5 Jahren Behandlung mit ASS war das Risiko für nicht-vaskuläre Todesfälle insgesamt (OR 0,88) und für Todesfälle aufgrund von Krebs (OR 0,85) vermindert. Beschränkte man sich auf die Analyse der sechs Studien, in denen ASS in niedriger Dosierung zur Primärprävention untersucht worden war, zeigte sich ein Nutzen auf die Krebsinzidenz bereits ab drei Jahren (OR 0,76), dabei konnte eine absolute Reduktion der Krebsinzidenz von 3,1 pro 1'000 Kranke pro Jahr errechnet werden.
Es scheint bewiesen zu sein, dass die tägliche Einnahme von Acetylsalicylsäure – in welcher Dosis und Indikation auch immer – die Gesamtsterblichkeit und auch die Krebssterblichkeit ab dem dritten Jahr zu senken vermag. Der absolute Effekt ist nicht sehr gross, aber doch eindrücklich. Ein präventiver Einsatz zur Reduktion des Risikos eines Kolorektalkarzinoms ist angesichts der möglichen Nebenwirkungen (Blutungsrisiko) nicht zu befürworten, jedoch wären Studien zum Einsatz von ASS bei Krebskranken mit einer Überlebenswahrscheinlichkeit von drei und mehr Jahren sicher von grossem Interesse.
Studien zusammengefasst und kommentiert von Renato L. Galeazzi
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