Bariatrische Operationen und Typ-2-Diabetes
- r -- Schauer PR, Kashyap SR, Wolski K et al. Bariatric surgery versus intensive medical therapy in obese patients with diabetes. N Engl J Med 2012 (26. April); 366: 1567-76 [Link]
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Paolo M. Suter
- infomed screen Jahrgang 16 (2012)
, Nummer 4
Publikationsdatum: 30. Juli 2012 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Bariatrische Operationen führen durch eine Verminderung der Speicherkapazität des Magens und/oder durch Herbeiführen einer Malabsorption zu Gewichtsverlust. Neben dem Gewichtsverlust beeinflussen möglicherweise auch die dadurch induzierten endokrinen Veränderungen den Stoffwechsel, was sich günstig auf einen gleichzeitig bestehenden Typ-2-Diabetes auswirken könnte.
Anhand dieser randomisierten, aber offen geführten Studie aus den USA wurde bei 150 übergewichtigen Diabeteskranken eine konservative Therapie gemäss Guidelines (Medikamente und Gewichtsreduktionsprogramm) mit zwei verschiedenen laparoskopischen bariatrischen Operationen verglichen. Es wurde entweder ein Magenbypass angelegt oder ein sogenannter «Schlauchmagen» gebildet («sleeve-gastrectomy»). In die Studie aufgenommen wurden Diabeteskranke im Alter von 20 bis 60 Jahren, mit einem «Body Mass Index» zwischen 27 und 43 und einem HbA1c von über 7%. Als primärer Endpunkt galt der Anteil der Teilnehmenden, bei denen 12 Monate nach Randomisierung das HbA1c maximal 6% betrug.
In jeder Behandlungsgruppe konnten die Resultate von 50 Personen ausgewertet werden. In der konservativ behandelten Gruppe erreichten 12% der Teilnehmenden den HbA1c-Zielwert, dabei stiegen im Verlauf die benötigte Anzahl und Dosis der Medikamente tendenziell an. Die operativ behandelten Gruppen schnitten deutlich besser ab. Alle operierten Personen benötigten nach einer Operation weniger Medikamente. Bei 42% nach Magenbypass und 49% nach Schlauchmagen-Operation verminderte sich das HbA1c auf maximal 6%. Der Unterschied zwischen den beiden Eingriffen war statistisch nicht signifikant. Nach Magenbypass erreichten aber alle Behandelten den Zielwert ohne medikamentöse Unterstützung, ein Drittel der Personen mit Schlauchmagen-Operation hingegen blieb auf Medikamente angewiesen.
r Mingrone G, Panunzi S, De Gaetano A et al. Bariatric surgery versus conventional medical therapy for type 2 diabetes. N Engl J Med 2012 (26. April); 366: 1577-85
Auch diese Studie aus Italien befasste sich mit dem Nutzen von bariatrischen Operationen bei Diabeteskranken. Hier wurde die konservative Therapie mit einem Magenbypass respektive einer «biliopankreatischer Diversion» (BPD) verglichen. Bei letzterer werden die Verdauungssekrete so umgeleitet, dass im Darm weniger Fette und Stärke resorbiert werden. Als primärer Endpunkt galt der Anteil Behandelter, deren Erkrankung nach zwei Jahren in Remission war. Dies bedeutete, dass der HbA1c-Wert ohne medikamentöse Therapie während mindestens einem Jahr höchstens 6,5% betragen hatte. In die Studie aufgenommen wurden 60 Diabeteskranke zwischen 30 und 60 Jahren mit einem HbA1c von mindestens 7% und einem BMI von mindestens 35.
Die bariatrischen Interventionen wirkten sich auf den Zuckerstoffwechsel günstiger aus als die konservative Therapie, bei welcher die Remissionsrate 0% betrug. Nach Magenbypass erreichten 75% eine Remission, nach BPD 95%. Das HbA1c (initial 8,7%) verminderte sich bei allen untersuchten Personen, aber auch hier zeigten sich in den operativ behandelten Gruppen die besseren Ergebnisse. Bei den konservativ Behandelten betrug das HbA1c nach zwei Jahren durchschnittlich 7,7%, dabei wurden im Verlauf zunehmend mehr Medikamente benötigt. Nach Magenbypass wurden HbA1c-Werte von durchschnittlich 6,3% erreicht, nach BPD von 5%. Ein Zusammenhang zwischen präoperativem BMI, Ausmass des Gewichtverlustes und Verbesserung der diabetischen Stoffwechsellage konnte nicht belegt werden werden.
Beide Studien zusammengefasst von Bettina Wortmann
Seit Dekaden ist bekannt, dass eine Gewichtszunahme von 30 bis 35 kg mit einer bis zu 10- bis 20-fachen Zunahme des Risikos für Diabetes Typ 2 verbunden ist. Die Beziehung ist linear: je schwerer das Individuum, desto höher das Risiko. Wen überrascht es, dass eine bariatrisch induzierte Gewichtsreduktion von über 30 kg (im Vergleich zu 5 kg Gewichtsverlust durch konservative Massnahmen) in einer Heilung oder zumindest hohen Remissionsrate des Diabetes Typ 2 resultiert. Nichts Neues unter der Sonne und trotzdem eine Publikation im NEJM wert. Alles in Einklang mit der Pathophysiologie. Warum werden nicht mit derselben Akribie und dem gleichen Interesse wirksame Präventionsmassnahmen entwickelt? Wahrscheinlich gilt auch hier «the business must go on». Wer heilt, hat recht – Kosten, Ethik und Pathophysiologie usw. spielen dann keine Rolle mehr. Noch nicht.
Paolo M. Suter
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