Primärprävention mit Acetylsalicylsäure?
- m -- Seshasai SR, Wijesuriya S, Sivakumaran R et al. Effect of aspirin on vascular and nonvascular outcomes. Meta-analysis of randomized controlled trials. Arch Intern Med 2012 (13. Februar); 172: 209-16 [Link]
- Zusammenfassung: Peter Schläppi
- Kommentar: Michel Zuber
- infomed screen Jahrgang 16 (2012)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 19. April 2012 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Acetylsalicylsäure (ASA) – in primärpräventiver Absicht eingesetzt – vermindert laut bisherigen Untersuchungen das Risiko, an einem kardiovaskulären Ereignis zu erkranken. Die Verantwortlichen der hier vorgestellten Studie wollten die Nutzen-/Risiko-Bilanz dieser Verwendung von ASA genauer beurteilen.
Methoden
Die Meta-Analyse basiert auf Studien, die aufgrund einer Suche in den Datenbanken von PubMed und Cochrane gefunden worden waren. Dabei wurden Publikationen bis Juni 2011 berücksichtigt. In die Analyse einbezogen wurden Studien, die mindestens 1'000 Teilnehmende umfassen und Daten zur kardiovaskulären, aber auch nichtvaskulären Morbidität und Mortalität enthalten. Für die Nutzen-/Risiko-Bilanz wurde die kardiovaskuläre Risikoreduktion in Relation gesetzt zur Erhöhung des Blutungsrisikos.
Ergebnisse
Aus 680 potentiell relevanten Studien konnten schliesslich neun placebokontrollierte, randomisierte Studien für die Analyse verwendet werden. Diese umfassten insgesamt 102'000 Studienteilnehmende, welche im Mittel 57 Jahre alt, zu 46% männlich waren und mehrheitlich aus westlichen Ländern stammten. Die mittlere Beobachtungszeit betrug sechs Jahre. ASA als Primärprävention reduzierte das kardiovaskuläre Risiko um 10% («odds ratio» OR 0,90; 95% CI 0,85-0,96; NNT 120), vor allem durch eine Senkung der Zahl nicht-tödlicher Herzinfarkte um 20% (OR 0,80; 95% CI 0,67-0,96; NNT 162). Die kardiovaskuläre Mortalität (OR 0,99; 95% CI 0,85-1,15) und die Krebsmortalität (OR 0,93; 95% CI 0,84-1,03) wurden hingegen nicht beeinflusst. Allerdings nahm das Risiko schwererer Blutungen um 30% zu (OR 1,31; 95% CI 1,14-1,50; NNH 73).
Schlussfolgerungen
Trotz der Verminderung des Risikos, einen nicht-tödlichen Herzinfarkt zu erleiden, erscheint die Risikobilanz einer Primärprophylaxe mit ASA negativ, da einerseits die kardiovaskuläre Mortalität und die Krebsmortalität nicht beeinflusst wurden und andererseits die Zahl gefährlicher Blutungen deutlich zunahm. Allenfalls ist im Einzelfall das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, gegen das Blutungsrisiko abzuwägen.
Zusammengefasst von Peter Schläppi
Eine primäre Prophylaxe mit ASA wird in Guidelines für Personen mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko empfohlen und sogar in der Normalbevölkerung angewendet. Dieses Vorgehen wird mit der vorliegenden Meta-Analyse wegen grenzwertigem Nutzen bei beiden Geschlechtern stark in Frage gestellt. Das Argument der nur kurzen Studiendauer vor dem Hintergrund einer lebenslangen Einnahme wird bei der individuellen Beratung mit einfliessen müssen. Wirkliche Langzeit-Resultate und erweiterte Subgruppen-Analysen sind notwendig, denn zurzeit ist die Datenlage enttäuschend und sollte zu weniger ASA-Rezepten führen. Die Primärprophylaxe kann schlussendlich nicht einfach auf eine Tabletteneinnahme reduziert werden; damit werden die Nikotinabstinenz und die körperliche Betätigung wieder vermehrt in den Vordergrund gerückt.
Michel Zuber
Standpunkte und Meinungen
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