Medizinische Guidelines und Interessenkonflikte
- a -- Neuman J, Korenstein D, Ross JS et al. Prevalence of financial conflicts of interest among panel members producing clinical practice guidelines in Canada and United States: cross sectional study. BMJ 2011 (11.Oktober); 343: d5621 [Link]
- Zusammenfassung: Renato L. Galeazzi
- infomed screen Jahrgang 16 (2012)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 29. Februar 2012 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Das «Institute of Medicine» aus den USA hat im Jahre 2009 Empfehlungen veröffentlicht, in welchen gefordert wird, dass Institutionen und Einzelpersonen, welche an der Erarbeitung von medizinischen Guidelines beteiligt sind oder andere für die medizinische Praxis wichtige Entscheidungen treffen, ihre (insbesondere finanziellen) Interessenkonflikte offenlegen. Insbesondere sollte diese Deklaration möglicher Interessenkonflikte in allen davon betroffenen Publikationen erwähnt werden. Mit diesen Empfehlungen als Richtschnur wurden die Guidelines zu Hyperlipidämie und Diabetes, welche in den USA oder in Kanada zwischen 2000 und 2010 veröffentlicht worden waren, daraufhin untersucht, wieweit Interessenkonflikte auch tatsächlich offengelegt worden waren. Mittels Internetsuche und dem Durchforsten weiterer Publikationen der beteiligten Personen wurde zusätzliche, nicht offengelegte Interessenkonflikte ausfindig gemacht.
An der Erarbeitung der 14 vorhandenen Guidelines waren insgesamt 288 Personen beteiligt – die verantwortlichen Kommissionen umfassten zwischen 9 und 93 Mitgliedern (Median 15). In fünf der Guidelines (36%) wurde das Thema Interessenkonflikte gar nicht angesprochen. Von den 288 Mitgliedern gaben 138 (48%) Interessenkonflikte an, von den 150 übrigen, gaben 73 keine Interessenkonflikte an und 77 waren an Guidelines ohne Angabe von Interessenskonflikte beteiligt. Es wurden zwölf zusätzliche, nicht deklarierte Interessenkonflikte gefunden, acht davon bei Mitgliedern, die deklarierten, keine solchen zu haben und vier bei Mitgliedern, welche keine Gelegenheit hatten, sie zu deklarieren. Somit bestanden bei insgesamt 150 (52%) der Beteiligten Interessenkonflikte. Bei den von Regierungen gesponserten Guidelines waren Interessenkonflikte viel seltener als bei den übrigen, welche vorwiegend von medizinischen Fachgesellschaften herausgegeben worden waren.
Die Resultate erstaunen nicht. Die Fachgesellschaften medizinischer Spezialgebiete werden stark von der Industrie unterstützt. Allenfalls wird nicht die Gesellschaft selbst unterstützt, wohl aber deren Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen sowie andere öffentliche Aktivitäten wie das Erarbeiten von Guidelines. Auch ist bekannt, dass die sogenannten «Opinion Leaders» aus den Reihen der Fachgesellschaften ebenfalls von der Industrie umworben werden, wobei häufig erkleckliche Summen im Spiele sind. Die Forderung, dass Guidelines von unabhängigen – insbesondere auch von Fachgesellschaften unabhängigen – Gremien erarbeitet werden sollten, ist daher gerechtfertigt. Wenn trotzdem Interessenkonflikte vorliegen, muss deren Deklaration obligatorisch sein, was jedoch nur die zweitbeste Lösung darstellt. Das gleiche gilt auch für das sogenannte «Health Technology Assessment», ein Thema, das zurzeit in der Schweiz heftig diskutiert wird.
Zusammengefasst von Renato L. Galeazzi
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