Praxiserfahrungsstudien — Wissenschaft oder Marketing?
- Zusammenfassung:
- infomed screen Jahrgang 15 (2011)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 1. September 2011 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Phase-IV-Studien, die nach der Zulassung eines Medikamentes dessen Sicherheit in der Praxis prüfen sollten, werden oft zu Marketingzwecken missbraucht. In sogenannten «Praxiserfahrungsstudien» wird versucht, das Medikament bei möglichst vielen Ärztinnen und Ärzten bekannt zu machen und seine Verschreibungsrate zu erhöhen. Im englischen Sprachraum werden solche Studien «seeding trials» («Aussaat-Studien») genannt. Die drei Autoren der vorliegenden Arbeit hatten als Berater in einem Haftpflichtprozess Einblick in alle, auch firmeninternen Dokumente im Zusammenhang mit der STEPS-Studie – einer Studie, welche vordergründig die Wirksamkeit und Sicherheit hoher Gabapentin-Dosierungen untersuchen sollte.
Die Dokumente zeigen auf, dass die Studie hauptsächlich zu Marketingzwecken geplant und durchgeführt, aber als Dosisfindungsstudie getarnt worden war. Sie wurde schon vor Beginn von zwei externen Stellen in Frage gestellt, da sie keine Kontrollgruppe aufwies und nicht verblindet war. Während der Durchführung haben Angestellte der Firma in unzulässiger Art mitgearbeitet. So geht aus einem Dokument beispielsweise hervor, dass sie teilweise Studienformulare ausgefüllt haben. Es konnten keine wesentlichen neuen Erkenntnisse über das Medikament gewonnen werden und die Daten sind aufgrund des schlechten Studiendesigns nicht vertrauenswürdig. So wurden z.B. bei der Beurteilung der Verträglichkeit 87% der Teilnehmenden nicht berücksichtigt. Dagegen wurde eindeutig festgestellt, dass bei den teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten gegenüber einer Vergleichspopulation die Verschreibung von Gabapentin erhöht werden konnte. Eine Information die firmenintern vorhanden, aber nirgendwo publiziert worden war. Die Autoren fordern, dass die Aufsicht über Medikamentenstudien dringend verstärkt wird.
Was man bisher bereits ahnen oder gar wissen konnte, wird in dieser Arbeit anhand von Hunderten von Dokumenten belegt: dass Firmen mit fragwürdigen Studien versuchen, unser Verschreibungsverhalten zu ändern. Bei Studien, anhand denen uns bei einem neuen Präparat nur die Vorteile gezeigt werden, sollten wir vorsichtig sein.
Zusammengefasst von Peter Koller
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