Insulin nützt auch bei Typ-II-Diabetes

  • k -- Hayward R, Manning W, Kaplan S et al. Starting insulin therapy in patients with type 2 diabetes: effectiveness, complications, and resource utilization. JAMA 1997 (26. November); 278: 1663-9 [Link]
  • Kommentar: Peter Diem
  • infomed screen Jahrgang 2 (1998) , Nummer 1
    Publikationsdatum: 1. Januar 1998
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Studienziele

Personen mit Diabetes-Typ I profitieren hinsichtlich vaskulärer Komplikationen von einer möglichst optimalen Blutzucker-Einstellung. Es stellt sich daher die Frage, ob dies auch für Personen mit Diabetes-Typ II gilt. Die vorliegende Kohorten-Studie untersuchte diese Frage unter Alltagsbedingungen.

Methoden

In einer grossen HMO im Nordwesten der USA wurden 8668 Typ-II-Diabetiker und -Diabetikerinnen von Januar 1990 bis Dezember 1993 durch 192 Allgemeinpraktiker behandelt. Die Wirksamkeit der Behandlung wurde durch Bestimmungen von Hämoglobin A1c (HbA1c) beurteilt, die Sicherheit aufgrund der rapportierten oder beobachteten Hypoglykämien. Die Beanspruchung der Ressourcen wurde errechnet aus der Anzahl an Arztvisiten, Hospitalisationen wegen metabolischen Problemen, Notfallkonsultationen, Laboruntersuchungen, Blutzuckerselbstmessungen. An einer Untergruppe von 1738 Personen wurde in einer ersten Phase ein statistisches Modell entwickelt und validiert, um studienfremde Einflüsse auszuschalten. Diese Untergruppe wurde dann entsprechend der Behandlung mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin nochmals aufgeteilt und in bezug auf metabolische Kontrolle, Hypoglykämien und Ressourcenbeanspruchung untersucht. Nach den gleichen Kriterien wurden in der zweiten Phase alle Personen beurteilt, die zwischen 1991 und 1993 neu mit Insulin behandelt wurden.

Ergebnisse

Bei der zuerst untersuchten Untergruppe betrug die Häufigkeit der Hospitalisationen wegen schweren Hypoglykämien in der Sulfonylharnstoff-Gruppe 0,1, in der Insulin-Gruppe 0,5 pro 100 Patienten-Jahre. Vom gesamten Kollektiv wurden zwischen 1991 und 1993 7% der Personen ohne Medikamente und 23% der mit Sulfonylharnstoffen Behandelten auf Insulin umgestellt. Dadurch wurde eine auch in den folgenden Jahren persistierende Kostenerhöhung ausgelöst: Konsultationen stiegen um 32%, Labor um 12%, Notfallkonsultationen um 50%; auch die Blutzuckerselbstmessung verursachte Mehrkosten. Das HbA1c konnte durchschnittlich um 0,9 reduziert werden. Die Senkung fiel dabei umso stärker aus, je höher der Anfangswert war.

Schlussfolgerungen

Der Wechsel auf eine Insulintherapie bei Typ-II-Diabetikern unter Alltagsbedingungen erbrachte eine deutliche Verbesserung der Blutzuckereinstellung. Die Umstellung war aber mit einer dauerhaften Erhöhung der Behandlungskosten verbunden. Bei Patienten mit einem anfänglich hohen HbA1c lohnt sich die Umstellung auf Insulin; die höheren Kosten werden durch die Verminderung von Spätkomplikationen kompensiert. Bei mässig erhöhtem HbA1c (<10%) sollte die Umstellung abhängig gemacht werden vom Alter, von der Kooperationsbereitschaft und auch von Wünschen der Kranken.

In kontrollierten, klinischen Studien lässt sich bei ungenügend kontrolliertem Diabetes mellitus Typ II das HbA1c im allgemeinen durch einen Wechsel auf eine Insulintherapie um etwa 2% verbessern. Viele Behandelte erreichen ein HbA1c von 6-7% und die meisten erreichen immerhin ein HbA1c unter 8%. In der vorliegenden, in einem HMO-Setting durchgeführten Kohorten-Studie wurde ein durchschnittlicher HbA1c-Abfall von 1% erreicht und insgesamt nur 40% der Behandelten erreichten unter Insulintherapie ein HbA1c unter 8%. Dies ist sicher enttäuschend. Zudem muss erwähnt werden, dass von 1738 Personen, welche auf Insulin umgestellt wurden, nur 1411 (!) HbA1c-Bestimmungen vorlagen. Diese Tatsache allein spricht nicht gerade für eine gute Betreuung. Mehrere Studien haben gezeigt, dass der Team-Approach in der Diabetesbetreuung der ausschliesslich ärztlichen Betreuung überlegen ist. Der Miteinbezug von Diabetesschwestern und Ernährungsberaterinnen in die Diabetesbetreuung fehlte allerdings im vorliegenden HMO-Therapiekonzept. Nicht unerwarteterweise waren Hypoglykämien unter Insulintherapie häufiger als unter Therapie mit Sulfonylharnstoffen. Wichtig scheint mir aber, dass die schweren Hypoglykämien unter Insulintherapie nicht signifikant häufiger waren!

Peter Diem

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