Diltiazem und Nifedipin vollwertige Antihypertensiva
- Kommentar: Etzel Gysling
- infomed screen Jahrgang 4 (2000)
, Nummer 10
Publikationsdatum: 1. November 2000 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Kalziumantagonisten gehören gemäss WHO zur ersten Wahl bei der Behandlung einer arteriellen Hypertonie. Ob diese Medikamente auch die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität senken, war bisher unklar. In den vorliegenden Studien wurde deshalb je ein Kalziumantagonist mit Diuretika bzw. mit Betablockern verglichen.
Methoden
Bei beiden Studien handelt es sich um randomisierte Studien. In der NORDIL-Studie wurden die Medikamente offen verabreicht. Eingeschlossen wurden Personen aus Norwegen und Schweden im Alter zwischen 50 und 74 Jahren, die Studiendauer betrug 60 Monate. Personen der Kalziumantagonisten- Gruppe erhielten täglich 180-360 mg Diltiazem (Dilzem® u.a.). Wenn das Ziel, ein diastolischer Blutdruckwert von 90 mm Hg, damit nicht erreicht wurde, wurde zusätzlich ein ACE-Hemmer oder noch weitere Antihypertensiva eingesetzt. In der Vergleichsgruppe wurde mit einem Thiazid-Diuretikum oder einem Betablocker begonnen. Falls notwendig wurden diese beiden Medikamente kombiniert und in einem nächsten Schritt mit ACE-Hemmern oder weiteren Medikamenten ergänzt.
Die INSIGHT-Studie wurde doppelblind durchgeführt. 55- bis 80jährige Personen aus Europa und Israel, die neben der Hypertonie einen zusätzlichen Risikofaktor aufwiesen, nahmen daran teil. Die Beobachtungsdauer betrug 51 Monate. Nifedipin (Adalat® u.a., täglich 30 mg in retardierter Form) wurde mit einem kombinierten Diuretikum (Hydrochlorothiazid/Amilorid 25 mg bzw. 2,5 mg; Moduretic® u.a.) verglichen. Als Ziel wurde ein Blutdruck von maximal 140/90 mm Hg angestrebt, bei ungenügender Wirkung wurde die Dosis verdoppelt, allenfalls Atenolol (Tenormin® u.a., täglich 25-50 mg) oder Enalapril (Reniten® u.a., täglich 5-10 mg) hinzugefügt. Primäre Endpunkte waren in beiden Studien kardiovaskuläre Todesfälle, Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Ergebnisse
In die NORDIL-Studie wurden 10‘916 Personen aufgenommen. Der mittlere Blutdruck konnte von 173/106 mm Hg auf 152/88 mm Hg (Diltiazem-Gruppe) bzw. auf 149/87 mm Hg (Kontrollgruppe) gesenkt werden. In der Diltiazem-Gruppe traten 403 primäre Endpunkte auf (16,6 pro 1’000 Patientenjahre), in der Vergleichsgruppe 400 (16,2 pro 1’000 Patientenjahre). Kopfschmerzen, Müdigkeit, Atemnot und Impotenz traten in der Diltiazem-Gruppe signifikant häufiger auf.
In die INSIGHT-Studie wurden 6’575 Personen aufgenommen. Der mittlere Blutdruck konnte in beiden Gruppen von 173/99 auf 138/82 mm Hg gesenkt werden. In der Nifedipin-Gruppe traten gesamthaft 200 primäre Endpunkte auf (18,2 pro 1’000 Patientenjahre), in der Diuretika-Gruppe 182 (16,5 pro 1’000 Patientenjahre). Auch die Auswertung der individuellen Endpunkte ergab keine signifikanten Unterschiede. Nifedipin musste häufiger wegen unerwünschten Wirkungen (v.a. periphere Ödeme) abgesetzt werden, in der Diuretika-Gruppe traten häufiger metabolische Veränderungen auf.
Schlussfolgerungen
Bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie sind Nifedipin in einer langwirksamen Formulierung oder Diltiazem bezüglich Morbidität und Mortalität gleich wirksam wie Diuretika oder Betablocker. (WE)
Die in den vorliegenden 2 Studien verwendeten Kalziumantagonisten (Diltiazem, retardiertes Nifedipin) vermochten das Auftreten klinisch bedeutsamer Endpunkte – kardiovaskuläre Todesfälle, Hirnschläge, Herzinfarkte – ebenso wirksam zu verhindern wie Diuretika oder Betablocker. Für die letzteren beiden Gruppen von Antihypertensiva ist der Nachweis des klinischen Nutzens bereits seit längerer Zeit erbracht. Die Resultate der hier vorliegenden Studien können vorsichtig positiv gewertet werden, sprechen sie doch dafür, dass die als Surrogatendpunkt verwendete Blutdrucksenkung oft die wirklich relevanten Endpunkte adäquat repräsentiert. Als negativ ist dagegen die Tatsache anzusehen, dass die neueren (und teureren!) Medikamente gegenüber den älteren Substanzen keinen fassbaren Vorteil bringen. Gesamthaft bestätigen NORDIL und INSIGHT, dass eine Hypertonie auch heute noch sehr gut mit Diuretika und Betablockern behandelt werden kann.
Etzel Gysling
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