Teure Intensivmedizin

  • k -- Klepzig H, Winten G, Thierolf C et al. Behandlungskosten auf einer medizinischen Intensivstation. Ein Vergleich von 1992 und 1997. Dtsch Med Wochenschr 1998 (5. Juni); 123: 719-25 [Link]
  • Kommentar: Adrian Frutiger
  • infomed screen Jahrgang 2 (1998) , Nummer 8
    Publikationsdatum: 1. September 1998
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Studienziele
Die Intensivmedizin verursacht hohe Kosten. Ziel der vorliegenden Studie war es, die exakte Zusammensetzung der Ausgaben und die Ursachen der Kostensteigerung auf der internistischen Intensivstation der Universitätsklinik Frankfurt/ Main zu ermitteln.

Methoden
In die Analyse wurden alle 790 intensivbehandelten Personen von 1992 und die 208 Personen von Mai und Juni 1997 einbezogen. In diesen 5 Jahren erhöhte sich die Bettenzahl von 8 auf 14. Das Schwergewicht der intensivbehandelten Personen liegt im Bereich der Kardiologie. Für die Untersuchung wurden die folgenden Daten prospektiv erhoben: 1. die Hauptdiagnose, 2. die Zuordnung zu internistischen Teilgebieten (Angiologie, Endokrinologie, Gastroenterologie, Hämatologie/Onkologie, Kardiologie, Nephrologie, Pneumologie und sonstige), 3. die quantitative Erfassung des diagnostischen und therapeutischen Aufwandes mit einem speziellen Verfahren («Therapeutic Intervention Scoring System»), 4. Untersuchungen und Eingriffe, die nicht vom Personal der Intensivstation selber durchgeführt wurden, 5. teure Medikamente (über DM 50/Tag), 6. Blut- und Gerinnungsprodukte.

Ergebnisse
Das Durchschnittsalter der Behandelten stieg von 1992 bis 1997 von 55 auf 59 Jahre, die Liegezeit blieb konstant bei rund 4 Tagen, die Mortalität sank von 16,3% auf 10,6%. Die durchschnittlichen Kosten pro behandelte Person stiegen von DM 8000 (Zahlen gerundet) auf DM 11500, davon die Personalkosten von DM 2900 auf DM 3600, die Kosten für instrumentelle Diagnostik und Therapie von DM 1700 auf DM 2400 (für Herzkatheter/PTCA allein von DM 350 auf DM 1500), die Medikamentenkosten von DM 1000 auf DM 1300, Kosten für Gerinnungssubstanzen von DM 600 auf DM 1900, die übrigen Kosten von DM 1100 auf DM 1750. Die Kosten für Bluttransfusionen nahmen von DM 730 auf DM 580 ab. Die Fallkosten zeigten Zunahmen in der Angiologie (mehr als verzehnfacht!), in der Kardiologie (+71%) und in der Gastroenterologie (+34%), hingegen Abnahmen in der Nephrologie (-52%) und der Endokrinologie (-54%).

Schlussfolgerungen
Die Kosten einer Intensivbehandlung haben innerhalb von 5 Jahren eine erhebliche Steigerung (+44%) erfahren, wozu alle Kostenfaktoren ausser den Bluttransfusionen beitrugen. Die entscheidende Komponente der Kostensteigerung ist der Wechsel zu neuen verbesserten Behandlungsverfahren, vor allem bei akuten Koronarerkrankungen und bei Gerinnungsstörungen. Bei Menschen, die trotz Intensivtherapie sterben, entstehen besonders hohe Kosten.

Die Autoren vergleichen IPS-Behandlungskosten der Jahre 1992 und 1997. Sie stellen einen Kostenanstieg von 40% fest, für den sie in erster Linie neue Diagnostiken (+44%), neue Medikamente (+31%) und gestiegene Personalkosten (+24%) verantwortlich machen. Aufgrund einer Regressionsanalyse werden zudem fünf prognostische Kostentreiber postuliert. Leider zeigt sich, dass kein klares Kostenmodell verwendet wurde. Für die direkten Kosten wird durcheinander mit Aufwand (costs) und verrechneten Belastungen (charges) operiert. Die indirekten Kosten (Gebäude, Geräte, Overhead) bleiben unberücksichtigt. So sollen die Personalkosten 1997 nur 31% der Gesamtkosten betragen haben. Nirgendwo in der Literatur findet sich ein nur annähernd so geringer Kostenanteil (Schweiz, zum Vergleich: knapp 70%). Es werden aufgrund «weicher» Rohdaten zu weitgehende Schlussfolgerungen gezogen. So wichtig Kostenanalysen in der Intensivmedizin auch sind, mit derart diffusen Kostenmodellen werden wir die brennenden Fragen nicht beantworten.

Adrian Frutiger

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Teure Intensivmedizin ( 1998)