Mehr Rückfälle nach Antibiotika bei Mittelohrentzündungen
- Zusammenfassung: Martin Feller
- Kommentar: Christoph Fux
- infomed screen Jahrgang 13 (2009)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 1. September 2009 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Es werden die Langzeitresultate einer randomisierten Studie zur Gabe von Antibiotika bei Kleinkindern mit akuter Mittelohrentzündung vorgestellt. Kurzfristig konnte in der Studie kein klarer Nutzen des Antibiotikums gezeigt werden – die Kinder erholten sich damit allenfalls etwas schneller von ihren Symptomen (vgl. infomed-screen April 2000).1 Mit einer Befragung wurde nun untersucht, welchen Einfluss der Einsatz von Antibiotika auf den Langzeitverlauf hatte.
Methoden
240 holländische Kinder im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren, die wegen akuter Mittelohrentzündung von ihren Eltern zum Hausarzt gebracht worden waren, wurden nach dem Zufall entweder mit Amoxicillin (Clamoxyl® u.a., 40 mg/kg Körpergewicht täglich) oder mit Placebo behandelt. Durchschnittlich dreieinhalb Jahre später erhielten die Eltern (die meisten wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob ihr Kind Antibiotika oder Placebo erhalten hatte) einen Fragebogen zum weiteren Verlauf – dabei interessierte vor allem das Auftreten von Rezidiven.
Resultate
Für 70% der Kinder wurde der Fragebogen beantwortet. Die Merkmale dieser Kinder unterschieden sich nicht von denjenigen, deren Eltern den Fragebogen nicht beantwortet hatten. Bei den Kindern der Antibiotikagruppe kam es bei 47 von 75 (63%) zu mindestens einer erneuten Mittelohrentzündung, während dies in der Placebogruppe nur bei 37 von 86 (43%) der Fall war. Dies bedeutet, dass durchschnittlich jedes fünfte mit Amoxicillin behandelte Kind eine erneute Mittelohrenzündung erleidet, welche ihm mit Placebobehandlung erspart geblieben wäre («number needed to harm» = 5). Andere Endpunkte wie das Risiko für eine Weiterweisung zum Spezialisten oder für eine Hals-Nasen- Ohren-Operation unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen.
Schlussfolgerung
Rezidive von Mittelohrentzündungen waren häufiger bei Kindern, welche mit Antibiotika behandelt worden waren. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Antibiotika die Kolonisierung der Nasenschleimhaut mit resistenten Bakterien begünstigen. Es wird ein vernünftiger Einsatz von Antibiotika gefordert – auch bei Kleinkindern mit akuter Mittelohrentzündung.
Zusammengefasst von Martin Feller .
Tagtäglich sind wir Behandelnden konfrontiert mit der Erwartungshaltung, dass Infekte mit Antibiotika behandelt werden müssen. Entsprechend dankbar sind wir für wissenschaftliche Daten, die uns dabei unterstützen, Antibiotika mit Bedacht einzusetzen.
Die Verantwortlichen dieser Studie haben im Jahr 2000 gezeigt, dass Kinder unter zwei Jahren mit Otitis media nicht generell von Antibiotika profitieren.1 Allerdings wurden 7% der Kinder, die für die damalige Studie in Frage gekommen wären, nicht in die Analyse einbezogen, da a priori eine Antibiotika-Therapie für notwendig gehalten wurde.
Doch erhöhen Antibiotika nun sogar das Rezidivrisiko? Der fehlende Einfluss der Antibiotika auf die weiteren Endpunkte und auf die Rezidivrate nach einem Jahr in anderen Publikationen lässt Zweifel aufkommen. Sind möglicherweise vorbestehende Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen für dieses Resultat verantwortlich? Dass bei den antibiotisch behandelten Kindern mehr Knaben, mehr Geschwister und eine häufigere Betreuung in Kinderkrippen zu finden waren, spricht dafür; dass diese Kindern weniger Otitiden in der eigenen Vorgeschichte sowie derjenigen ihrer Familien zeigten, jedoch dagegen.
Sicher ist, dass der Antibiotika-Konsum reduziert werden muss und dass wir den langfristigen Effekt von Antibiotika auf unsere mikrobielle Flora immer noch massiv unterschätzen!
Christoph Fux
1 Damoiseaux RA, van Balen FA, Hoes AW et al. Primary care based randomised, double blind trial of amoxicillin versus placebo for acute otitis media in children aged under 2 years. BMJ 2000 (5. Februar); 320: 350-4
Standpunkte und Meinungen
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