Ist eine aggressive Blutzuckersenkung gefährlich? (Studie 2)
- r -- The ADVANCE Collaborative Group. Intensive blood glucose control and vascular outcomes in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2008 (6. Juni); 358: 2560-72 [Link]
- Zusammenfassung: Sabin Allemann
- Kommentar: Christoph Stettler
- infomed screen Jahrgang 12 (2008)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 1. September 2008 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Auch in dieser Studie wurde untersucht, wie sich eine aggressive Blutzuckerkontrolle auf Gefässkomplikationen bei Personen mit Typ-2-Diabetes auswirkt. 11’140 Diabeteskranke mit zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktoren oder Gefässkomplikationen wurden in eine Gruppe mit intensiver Behandlung (Ziel-HbA1c höchstens 6,5%) oder eine Standardgruppe eingeteilt. Die intensive Therapie erfolgte hauptsächlich mit dem Sulfonylharnstoff Gliclazid in retardierter Form (Diamicron® MR), bei Bedarf konnten weitere Medikamente hinzugefügt werden. In der Standardgruppe waren ausser Gliclazid alle Antidiabetika erlaubt. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 5 Jahren betrug das mittlere HbA1c 6,5% unter der intensiveren und 7,3% unter der Standardtherapie. Mikrovaskuläre Komplikationen waren unter der aggressiveren Therapie signifikant seltener (9% gegenüber 11%), insbesondere Nierenschädigungen traten seltener auf oder verschlechterten sich weniger schnell. Makrovaskuläre Ereignisse sowie Todesfälle waren in beiden Gruppen ähnlich häufig. Schwere Hypoglykämien waren insgesamt selten, jedoch signifikant häufiger unter einer intensiven Therapie (3% gegenüber 2%).
Beide Studien zusammengefasst von Sabin Allemann
Kündigt sich hier ein Paradigmenwechsel in der Diabetologie an? Erhöht eine intensive Blutzuckersenkung gar das kardiovaskuläre Risiko? Die Sache ist nicht ganz so klar: Zum einen könnte eine zu rasche Blutzuckersenkung zu häufigeren kardialen Komplikationen führen – eine vergleichbare Situation wie bei der diabetischen Retinopathie. Dass in der ACCORD-Studie das HbA1c schneller gesenkt wurde (1,4% in 4 Monaten gegenüber 0,6% in 12 Monaten in der ADVANCE-Studie), ist ein mögliches Indiz dafür. Zum anderen könnte der verwendeten Kombinationstherapie eine ebenso grosse Bedeutung zukommen wie den erreichten Blutzuckerwerten: Die intensiver Behandelten erhielten in der ACCORD-Studie in einem grossen Prozentsatz Rosiglitazon (Avandia®), welches in verschiedenen Studien mit einem erhöhten Herz- Kreislaufrisiko assoziiert war. Allerdings betonen die Studienverantwortlichen, dass ihre Analysen kein erhöhtes Risiko für Glitazone ergeben hätten. Da auch gesunde Menschen einen normalen Blutzuckerspiegel haben, ist wohl kaum der normale Blutzuckerspiegel das Problem, sondern eher der Weg dahin. Deshalb wäre es ein Trugschluss, das Ziel einer guten Blutzuckerkontrolle aufzugeben. Und eines darf ob all dem nicht vergessen gehen: Diabeteskranke leiden auch unter den mikrovaskulären Komplikationen, bei denen die Risikoreduktion durch verbesserte Blutzuckerkontrolle unumstritten ist.
Christoph Stettler
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