Respiratorische Infekte doch antibiotisch behandeln?
- k -- Petersen I, Johnson AM, Islam A et al. Protective effect of antibiotics against serious complications of common respiratory tract infections: retrospective cohort study with the UK General Practice Research Database. BMJ 2007 (10. November); 335: 9 [Link]
- Zusammenfassung: Peter Ritzmann
- Kommentar: Peter Ritzmann
- infomed screen Jahrgang 12 (2008)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. März 2008 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Wegen des geringen Nutzens einerseits und der Sorge um das Auftreten resistenter Stämme andererseits wird der Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von respiratorischen Infektionen nur in Ausnahmefällen (z.B. bei bakterieller Tonsillopharyngitis oder Pneumonie) empfohlen. Rhinitis, Mittelohrentzündung, virale Pharyngitis und akute Bronchitis sollen nicht routinemässig antibiotisch behandelt werden. Entsprechende Kampagnen haben beispielsweise in Grossbritannien zum Rückgang von Antibiotika-Verschreibungen in der Praxis geführt. Es gibt Hinweise, dass dieser Rückgang mit einer Zunahme von Infektionskomplikationen einhergehen könnte. Aus den Daten der britischen «UK General Practice Research Database» wurde eine Kohorte von über 3 Millionen respiratorischer Infektionen zusammengestellt und so das Risiko für Infektionskomplikationen im darauffolgenden Monat untersucht.
Die Risiken für eine Mastoiditis nach einer Mittelohrentzündung, für einen peritonsillären Abszess nach einer Tonsilinfomed- lopharyngitis und für eine Pneumonie nach einem Infekt der oberen Luftwege waren allesamt niedrig und betrugen auch ohne Antibiotikabehandlung weniger als ein Prozent. Zur Verhinderung einer Komplikation wären jeweils über 4’000 Behandlungen nötig. Eine Ausnahme stellt eine Infektion der unteren Luftwege dar. In diesem Fall beträgt das Risiko für eine Pneumonie in allen Altersgruppen mehr als ein Prozent, bei Personen über 65 Jahren etwa 4%. In dieser Altersgruppe betrug die «number needed to treat» zur Verhinderung einer Pneumonie 39, in den jüngeren Altersgruppen 96 bis 119.
Eine solche Studie gibt die Realität in der Praxis zwangsläufig nur unvollständig wieder. Die in dieser Studie vermeintlich einheitlichen Diagnosen entsprechen in der Praxis Krankheiten ganz unterschiedlicher Dignität. Die Fragestellung «Antibiotika bei respiratorischen Infektionen – ja oder nein?» stellt sich in der Praxis weniger in einem generellen Sinn als vielmehr in jedem einzelnen Fall. Immerhin zeigen die Daten dieser britischen Praxis-Datenbank, dass Komplikationen nach respiratorischen Infektionen allgemein selten auftreten und einen generellen Antibiotikaeinsatz nicht rechtfertigen. Sie zeigen aber auch, dass akute Bronchitiden vor allem bei älteren Leuten nicht einfach von Pneumonien abgegrenzt werden können; auch kann eine Bronchitis in eine Pneumonie übergehen. Keine Antwort gibt die Studie aber auf die Frage, wie wir die Kranken erkennen, die Antibiotika erhalten sollten.
Zusammengefasst von Peter Ritzmann
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
-
Jahrgang 2024
Jahrgang 2023
Jahrgang 2022
Jahrgang 2021
Jahrgang 2020
Jahrgang 2019
Jahrgang 2018
Jahrgang 2017
Jahrgang 2016
Jahrgang 2015
Jahrgang 2014
Jahrgang 2013
Jahrgang 2012
Jahrgang 2011
Jahrgang 2010
Jahrgang 2009
Jahrgang 2008
Jahrgang 2007
Jahrgang 2006
Jahrgang 2005
Jahrgang 2004
Jahrgang 2003
Jahrgang 2002
Jahrgang 2001
Jahrgang 2000
Jahrgang 1999
Jahrgang 1998
Jahrgang 1997