Pneumonie bei Kindern ambulant behandeln?
- r -- Hazir T, Fox LM, Nisar YB et al. Ambulatory short-course high-dose oral amoxicillin for treatment of severe pneumonia in children: a randomised equivalency trial. Lancet 2008 (5. Januar); 371: 49-56 [Link]
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Sergio Stocker
- infomed screen Jahrgang 12 (2008)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. März 2008 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
In den Richtlinien der WHO wird bei Kindern mit einer schweren Pneumonie eine stationäre intravenöse Antibiotikatherapie empfohlen. In dieser pakistanischen Studie wurde untersucht, ob mit einer ambulanten Behandlung mit oralen Antibiotika nicht gleichwertige Ergebnisse erzielt werden können. Diese Frage ist vor allem für Länder mit weniger Spitalbetten, längeren Anfahrtswegen und geringeren finanziellen Ressourcen von Ineresse. Aber auch bei uns gibt es Eltern, die ihr Kind lieber ambulant behandeln möchten, als es hospitalisieren zu lassen.
Methoden
2’100 Kinder im Alter zwischen 3 und 59 Monaten mit einer schweren Pneumonie gemäss WHO-Kriterien (inspiratorische Thoraxeinziehung mit oder ohne erhöhte Atemfrequenz), wurden nach dem Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die Kinder der ersten Gruppe wurden hospitalisiert und erhielten initial intravenös Amoxicillin (z.B. Clamoxyl®). Bei Besserung des Zustandes wurde nach 48 Stunden auf eine orale Verabreichung gewechselt. Die Kinder der zweiten Gruppe wurden ambulant mit Amoxicillin per os behandelt. Der primäre Endpunkt war ein Therapieversagen, definiert als Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Erbrechen, das die Medikamenteneinnahme verhinderte, Fieber über 38°, persistierende Thoraxeinziehungen oder Tod bis zum 6. Tag.
Ergebnisse
Therapieversagen wurde in beiden Gruppen etwa gleich häufig registriert: in der hospitalisierten Gruppe bei 9%, in der ambulanten Gruppe bei 8%. Die häufigsten Gründe für ein Therapieversagen waren Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Fieber über 38° und persistierende Thoraxeinziehungen. Überdurchschnittlich häufig waren Therapieversagen in der Altersgruppe der 3- bis 5-Monatigen, bei Untergewicht und bei Kindern mit einer initial sehr hohen Atemfrequenz (über 60/Min). Fünf Kinder (0,2%) starben innerhalb von 14 Tagen, 4 in der hospitalisierten und 1 in der ambulanten Gruppe. Rückfälle innerhalb von 14 Tagen waren in beiden Gruppen etwa gleich selten (ungefähr 3% der Kinder).
Schlussfolgerungen
Die ambulante Behandlung einer schweren kindlichen Pneumonie mit oralem Amoxicillin versagt nicht häufiger als die stationäre intravenöse Therapie. Generell erhöhte Aufmerksamkeit ist geboten bei Kindern, die sehr jung oder untergewichtig sind oder deren Atemfrequenz sehr hoch ist.
Zusammengefasst von Bettina Wortmann
Schwere Lungenentzündungen gemäss Definition der WHO lassen sich bei Kindern zwischen 3 Monaten und 5 Jahren ambulant zu Hause behandeln. Diese Erkenntnis kommt sicher vor allem Kindern in Ländern zu Gute, die nicht eine solch hoch qualifizierte und flächendeckende medizinische Infrastruktur zur Verfügung haben wie wir. Die WHO-Richtlinien zur Behandlung von akuten Infektionen der unteren Atemwege finden bei uns keine Anwendung. Diese Studie wird an unserem Behandlungsregime nichts ändern. Die Ansprüche der Eltern unserer Patientinnen und Patienten sind anders: Bestmögliche Behandlung auch banaler Erkrankungen zu irgendeinem Zeitpunkt ohne Wartezeit durch den Chefarzt im Einzelzimmer. Als Behandelnde müssen wir nur zu häufig versuchen, die Realitäten und die Verhältnismässigkeit zu wahren und uns z.B. überlegen, ob die (geforderten) Antibiotika überhaupt notwendig sind.
Sergio Stocker
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