Schützt das Stillen wirklich vor Asthma und Allergien?
- Zusammenfassung: Claudia Kuehni
- Kommentar: Claudia Kuehni
- infomed screen Jahrgang 12 (2008)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 1. Januar 2008 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Ob ein Säugling vor allergischen Erkrankungen geschützt ist, wenn er längere Zeit ausschliesslich mit Muttermilch gestillt wird, ist umstritten. Während für Neurodermitis im Säuglingsalter konsistent eine Schutzwirkung gezeigt wurde, ist die Datenlage zu Asthma und anderen atopischen Erkrankungen widersprüchlich. Die Evidenz stammt jedoch fast ausschliesslich aus Kohorten- oder Fall-Kontrollstudien, so dass kausale Rückschlüsse schwierig sind. Erstmals wurde nun in einer grossen randomisierten Studie untersucht, ob das Risiko von Asthma und Allergien reduziert werden kann, wenn in den Geburtskliniken das Stillen gefördert wird.
Methoden
In dieser randomisierten Studie in Weissrussland wurden 31 Geburtskliniken (17'046 Mutter-Kind Paare) zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. In der Interventionsgruppe (16 Kliniken) wurden stillwillige Frauen im Sinne der «baby friendly hospital»-Initiative im Spital und anlässlich der ambulanten Nachkontrollen gezielt zu ausschliesslichem und längerdauerndem Stillen angeleitet (ohne Nachschöppeln oder Beikost). In der Kontrollgruppe (15 Kliniken) wurde die ortsübliche Praxis weitergeführt. Mit 6 Jahren wurden Haut- Pricktests durchgeführt und atopische Erkrankungen mittels Fragebogen erfasst.
Ergebnisse
Die Daten von 13'889 Kindern wurden ausgewertet. Die Intervention führte zu einer längeren totalen Stilldauer: nach 3 Monaten stillten noch 73% (Vergleichsgruppe: 60%), nach 6 Monaten noch 50% (gegenüber 36%). Ausschliesslich mit Muttermilch gestillt wurden nach 3 Monaten in der Interventionsgruppe noch 43% (gegenüber 6%), nach 6 Monaten 8% (gegenüber 1%). Die Häufigkeit positiver Hauttests und atopischer Erkrankungen mit 6 Jahren unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Nach Ausschluss von sechs Kliniken mit möglicherweise falschen Hauttestresultaten zeigte die Interventionsgruppe sogar eine erhöhte Prävalenz von positiven Hauttests.
Schlussfolgerungen
Die Studienverantwortlichen folgern, dass diese Studie keinen protektiven Effekt von längerem und ausschliesslichem Stillen in Bezug auf Asthma und Allergien zeigt.
Zusammengefasst von Claudia Kuehni
Wegen methodischen Einschränkungen ist diese Studie vorsichtig zu interpretieren und liefert nicht die erhoffte definitive Antwort. Die Daten sind beschränkt verlässlich: eine Klinik wurde ausgeschlossen wegen gefälschter klinischer Endpunkte, weitere sechs Kliniken zeigten unglaubwürdige Hauttestresultate. Weder Eltern noch Pädiater waren in Bezug auf die Intervention blind, so dass verzerrte Resultate möglich sind, insbesondere weil die Endpunkte (Asthma, Heuschnupfen, Ekzem) als subjektive Fragebogen-Antworten erfasst wurden. Falls Interventions-Familien vermehrt auf allergische Erkrankungen aufmerksam wurden, gaben sie möglicherweise mehr positive Antworten. Deshalb wäre denkbar, dass ein wahrer protektiver Effekt neutralisiert worden wäre. Es wurde ausserdem nicht zwischen ätiologischen Untergruppen (Asthma- Phänotypen) unterschieden. Schliesslich können Resultate aus Weissrussland nur mit Vorbehalt auf mitteleuropäische Verhältnisse übertragen werden.
Claudia Kuehni
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