Schützt Acetylsalicylsäure vor kolorektalem Karzinom?

  • m -- Flossmann E, Rothwell PM et al. Effect of aspirin on long-term risk of colorectal cancer: consistent evidence from randomised and observational studies. Lancet 2007 (12. Mai); 369: 1603-13 [Link]
  • Zusammenfassung: Erik von Elm
  • Kommentar: Hans Rudolf Koelz
  • infomed screen Jahrgang 11 (2007) , Nummer 4
    Publikationsdatum: 1. Juli 2007
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Studienziele
Es wurde untersucht, ob die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms durch eine langfristige Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS, z.B. Aspirin®) reduziert werden kann.

Methoden
Grundlage für die Analysen waren zwei britische randomisierte Studien zur prophylaktischen ASS-Gabe, in welchen das Auftreten von Krebserkrankungen untersucht wurde. Am «British Doctors Aspirin Trial» nahmen 5’139 männliche Ärzte teil. Zwei Drittel der Teilnehmer erhielten nach dem Zufallsprinzip über 5 bis 6 Jahre täglich 500 mg ASS, ein Drittel kein Medikament. Im «UK-TIA Aspirin Trial» wurden insgesamt 2’449 Personen mit transitorischen ischämischen Attacken (TIA) oder leichtem ischämischen Schlaganfall untersucht. Sie erhielten über 1 bis 7 Jahre täglich 1’200 mg beziehungsweise 300 mg ASS oder Placebo. Hauptendpunkt der Analyse war die Häufigkeit kolorektaler Karzinome. Zusätzlich wurden die Ergebnisse der beiden Studien mit den Resultaten relevanter Beobachtungsstudien verglichen.

Ergebnisse
In den randomisierten Studien verringerte ASS die Entstehung von Darmkrebs während einer medianen Beobachtungsdauer von 23 Jahren (gepoolte «hazard ratio» HR 0,74; 95%-CI 0,56 - 0,97). Die Wirkung war erst 10 bis 19 Jahre nach Studienbeginn nachweisbar, was mit der Latenz in der Darmkrebsentstehung erklärt wird. Wurde ASS während 5 Jahren oder mehr eingenommen, war der Schutzeffekt noch deutlicher (HR 0,63; 95%-CI 0,47 - 0,85). Für andere Krebserkrankungen konnte keine Wirkung gezeigt werden. Auch in 19 Fall-Kontroll- und 11 Kohorten-Studien war die Einnahme von mindestens 300 mg ASS täglich (oder anderer nicht-steroidaler Antirheumatika) mit einer Reduktion des Darmkrebsrisikos verbunden.

Schlussfolgerungen
Die Einnahme von täglich mindestens 300 mg ASS über 5 Jahre oder länger ist wirksam in der Primärprävention des kolorektalen Karzinoms. Die Ergebnisse von experimentellen und beobachtenden Studien sind konsistent.

Zusammengefasst von Erik von Elm

Mit dieser und einigen anderen kürzlich erschienenen Studien ist vieles klar geworden: Eine mindestens 5- jährige Einnahme von mindestens 300 mg Acetylsalicylsäure täglich schützt etwas vor dem Kolonkarzinom. Nach 10 und mehr Jahren liegt die Inzidenz relativ etwa 40% tiefer. Die Wirkung wird wahrscheinlich über eine Hemmung der COX-2-Aktivität vermittelt; verhindert werden nur Tumoren, welche COX-2 exprimieren, was bei etwa 2/3 zutrifft. Ein günstiger Effekt auf Kolon- Adenome wurde auch mit selektiven COX-2- Hemmern (Rofecoxib oder Celecoxib) gezeigt, führte aber zu nicht akzeptablen kardiovaskulären Nebenwirkungen. Aber auch die Dauerbehandlung mit Acetylsalicylsäure lohnt sich angesichts des in absoluten Zahlen bescheidenen Erfolgs bei potentiell schweren Nebenwirkungen (gastrointestinale und zerebrale Blutungen, Hypertonie usw.) sicher nicht. Statt 3’653 Tabletten in 10 Jahren einzunehmen, womit die Chance, kein Kolonkarzinom zu erleiden, von durchschnittlich 95% auf vielleicht 97% erhöht wird, erduldet man wohl besser alle 10 Jahre eine Koloskopie, welche die guten Aussichten auf weit über 99% bringt.

Hans Rudolf Koelz

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Schützt Acetylsalicylsäure vor kolorektalem Karzinom? ( 2007)