Helicobacter pylori: Diagnose & Therapie
- Autor(en): J. Ruppelt Marusic, P. Ritzmann
- pharma-kritik-Jahrgang 37
, Nummer 5, PK964
Redaktionsschluss: 14. Juli 2015
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2015.964 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Helicobacter pylori, ein gram-negatives Bakterium, verursacht eine chronische Entzündung der Magenschleimhaut. Es wurde 1983 zum ersten Mal von Warren und Marshall isoliert, wofür die beiden 2005 den Nobelpreis erhielten. Die Prävalenz der Infektion steigt mit dem Alter und ist höher bei niedrigerem sozio-ökonomischem Status während der Kindheit. Weltweit sind mindestens 50% der Menschen mit H. pylori infiziert, wobei geographisch grosse Unterschiede bestehen.(1) In der Schweiz existieren nur spärliche Daten, die Prävalenz bei Erwachsenen wird auf etwa 12% geschätzt.(2) Die Prävalenz ist in den Industrieländern in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen und scheint auch weltweit abzunehmen. Andererseits nehmen die Resistenzen von H. pylori auf gängige Antibiotika überall zu und auch hier sind grosse regionale Unterschiede zu beobachten.
Eine Infektion mit H. pylori ist ein Kofaktor für die Entwicklung von Duodenal- und Magen-Ulzera (bei 1% bis 10% der Infizierten), Magenkrebs (bei 0,1 bis 3%) und MALT-Lymphomen des Magens («mucosa associated lymphoid tissue»-Lymphome = B-Zell-Lymphome des Magens; bei weniger als 0,1%).(1)
Diagnostik
Ein grosser Teil der Helicobacter-Infektionen verläuft asymptomatisch. Ein Screening von asymptomatischen Personen macht in Europa angesichts der niedrigen Prävalenz keinen Sinn. Die Diagnose einer Infektion mit H. pyori wird in der Regel im Rahmen der Abklärungen von Oberbauchbeschwerden gestellt. Von einer Dyspepsie wird gesprochen, wenn Oberbauchschmerzen, Brennen, Übelkeit und Erbrechen über eine längere Zeit anhalten oder rezidivieren.
Eine endoskopische Untersuchung des oberen Magen-Darm-Traktes wird empfohlen, wenn die Beschwerden von Alarmsymptomen begleitet werden. Dazu zählen Gewichtsverlust, Schluckbeschwerden, schnelles Sättigungsgefühl, anhaltendes Erbrechen, eine gastro-intestinale Blutung oder eine Eisenmangelanämie. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit eines Malignoms, weshalb bei einer Dyspepsie bei Menschen über 55 Jahren (nach einzelnen Guidelines bereits ab 45 oder 50 Jahren) eine Endoskopie empfohlen wird. Als weitere Indikation für eine endoskopische Abklärung wird das Auftreten einer Dyspepsie im Zusammenhang mit der Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) angegeben.(2-4)
Im Rahmen einer Endoskopie des oberen Magen-Darm-Traktes kann eine Infektion mit H. pylori bioptisch nachgewiesen werden. Gebräuchlich sind einerseits Urease-basierte Schnelltests (z.B. CLO-Test mit einer Sensitivität von über 90% und einer Spezifität über 95%) oder der histologische Nachweis. Eine Kultivierung von H. pylori ist möglich, besitzt aber eine geringe Sensitivität und kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn H. pylori auf Antibiotikaresistenzen untersucht werden soll.(2,4,5)
Eine Übersicht über die nicht-invasiven Nachweismethoden gibt Tabelle 1. Für den nicht-invasiven Nachweis einer aktiven Infektion eignen sich der C13-Atemlufttest oder der Antigen-Stuhl-Test. Antigentests im Stuhl sind heute bezüglich Sensitivität und Spezifität mit einem Atemtest vergleichbar (je 95%).(2-5)
Bei allen diesen Nachweismethoden sind häufiger falsch-negative Resultate zu erwarten, wenn ein Ulkus blutet oder die Untersuchten mit säurehemmenden Medikamenten oder Antibiotika behandelt wurden. Protonenpumpenhemmer (PPI) sollten deshalb wenn möglich zwei Wochen, Antibiotika vier Wochen vor der Untersuchung abgesetzt werden. Dies ist allerdings häufig nicht praktikabel. Da der serologische Nachweis von IgG-Antikörpern gegen H. pylori nicht beeinträchtigt wird, kann in diesen Fällen ein serologischer Nachweis zum Einsatz kommen. Er bringt allerdings mehr falsch-positive Resultate.(5)
Indikationen für eine Eradikationstherapie
Wenn eine Infektion mit H. pylori nachgewiesen wurde, ist eine Eradikation nicht a priori indiziert, weil ein solch genereller Nutzen – zumindest in Europa – bisher nicht mit Studien belegt wurde. Angesichts der erhöhten Wahrscheinlichkeit, bei einer langdauernden persistierenden Infektion ein Magenkarzinom zu entwickeln, kann allenfalls bei jüngeren Personen mit einem positiven Helicobacter-Nachweis eine Therapie in primärprophylaktischer Absicht diskutiert werden.
Nachgewiesenes Ulkus
Am besten belegt ist der Nutzen einer Helicobacter-Eradikationsbehandlung bei einem nachgewiesenen Magen- oder Duodenalulkus. Gemäss einer Cochrane-Metaanalyse von randomisierten Studien führt eine Eradikationstherapie zu einem schnelleren Abheilen von Duodenalulzera gegenüber einer säurehemmenden Behandlung allein und zu einem niedrigeren Rückfallrisiko von Duodenal- und Magenulzera gegenüber keiner Behandlung.(6)
Bei Ulzera, die geblutet hatten, reduziert eine Eradikationsbehandlung das Rückfallrisiko für eine Ulkusblutung signifikant und reduziert auch den Bedarf für Erhaltungsbehandlungen mit Säureblockern.(7)
Auch bei Ulzera, die unter NSAR aufgetreten waren, reduziert eine Eradikationstherapie das Risiko für einen Rückfall gemäss einer Metaanalyse von 5 Studien signifikant. Das Risiko, dass bei einer erneuten NSAR-Behandlung wieder ein Ulkus auftritt, bleibt aber auch nach einer erfolgreichen Eradikation vergleichsweise hoch (um 6%).(8)
Dyspepsie ohne nachgewiesenes Ulkus
Bei jüngeren Personen kommt bei einer Dyspepsie eine sogenannte «test and treat»-Strategie in Frage. Dabei wird ein nicht-invasiver Test auf H. pylori und im positiven Fall eine Eradikationstherapie durchgeführt. Eine randomisierte Studie zeigte beispielsweise, dass in diesem Fall die Eradikationstherapie bei 50%, eine Placebobehandlung nur bei 36% zu einer Symptomfreiheit nach einem Jahr führte. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant mit einer «number needed to treat» (NNT) von 7.(9)
Verglichen wurde eine solche «test and treat»-Strategie in randomisierten Studien auch mit einer Behandlung mit einem Protonenpumpenblocker ohne H. pylori-Test und mit einer primären endoskopischen Abklärung. Da keine signifikanten Unterschiede bezüglich Symptomlinderung festgestellt wurden, die endoskopische Abklärung aber teurer ist, werden eine «test and treat»-Strategie und eine primäre Symptombehandlung mit einem Protonenpumpenblocker in Guidelines als gleichermassen berechtigte Strategien angegeben.(3-5)
Etwas anders stellt sich die Frage nach dem Nutzen einer Eradikationstherapie, wenn bei einer Dyspepsie endoskopisch kein Ulkus (mehr) sichtbar ist, aber H. pylori bioptisch nachgewiesen wird. In diesen Fällen dürfte es sich in der Mehrheit um funktionelle Beschwerden handeln. Eine häufig zitierte, aktuell aber als «zurückgezogen» bezeichnete Cochrane-Übersicht zu diesem Thema kam auf Grund von 17 placebokontrollierten Studien zum Schluss, dass eine Eradikationsbehandlung bei diesen Personen häufiger zu einer deutlichen Besserung der Symptome führt als eine säurehemmende Behandlung allein (relative Risikoreduktion von 10%, NNT von 14).(10) Der zu erwartende Nutzen ist somit klein und das Risiko von Therapieabbrüchen bei dieser an funktionellen Beschwerden leidenden Population vermutlich besonders hoch. Die Eradikationsbehandlung bei einer funktionellen Dyspepsie kann damit am ehesten als Reservebehandlung bei hohem Leidensdruck und Versagen anderer Massnahmen begründet werden.
Gastro-ösophageale Refluxkrankheit
Noch umstrittener ist der Nutzen einer Eradikationstherapie, wenn ein gastro-ösophagealer Reflux vorliegt. Gemäss Fall-Kontroll-Studien treten nach einer Eradikationstherapie häufiger Refluxsymptome auf. Allerdings konnten ein erhöhtes Refluxrisiko oder vermehrte Refluxsymptome nach einer Eradikationstherapie in randomisierten Studien nicht nachgewiesen werden. Es liegt deshalb nahe, dass das gehäufte Auftreten von Refluxsymptomen eher einer Demaskierung des Reflux durch das Absetzen von Säurehemmern nach einer Eradikation zuzuschreiben ist. Eine gastro-ösophageale Refluxkrankheit gilt deshalb nicht als Kontraindikation für eine Eradikationstherapie. Andererseits konnte in placebokontrollierten Studien aber auch kein Nutzen einer Eradikationsbehandlung auf Reflux-Symptome nachgewiesen werden.(4,5)
Weitere Indikationen
Auch für die seltenen MALT-Lymphome des Magens, bei deren Entstehung H. pylori eine wichtige Rolle spielt, ist eine Eradikationstherapie angezeigt. Dies erhöht die Chance auf eine Remission, der Langzeitnutzen ist allerdings kaum dokumentiert. Das gilt in ähnlichem Sinne auch für die empfohlene Eradikationstherapie bei atropher Gastritis, nach der Resektion eines Magenkarzinoms, bei erstgradigen Verwandten von Magenkarzinomkranken, bei unerklärter Eisenmangelanämie und bei thrombozytopenischer Purpura.(5)
Therapieschemata
Helicobacter pylori ist relativ schwierig zu eradizieren. Der Erfolg der Behandlung hängt auch von äusseren Faktoren ab: So erhöht z.B. Rauchen das Risiko für einen Misserfolg einer Eradikationstherapie gemäss einer Studie um etwa das Doppelte.(11)
Eingesetzt werden Kombinationstherapien, meist bestehend aus zwei Antibiotika plus einem Protonenpumpenhemmer (PPI). Die in der Schweiz am häufigsten gebrauchte Initial-Therapie ist das sogenannte «French Triple», eine Kombination eines PPI mit Clarithromycin (Klacid® u.a.) und Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.). Bei Penicillinallergie wird statt Amoxicillin Metronidazol (Flagyl® u.a.) gegeben («Italian Triple»). Eine Übersicht vermitteln die Tabellen 2 und 3.
Für die Zweitlinientherapie nach einem Versagen der Initialtherapie wird in der Regel der Ersatz mindestens eines der bereits verwendeten Antibiotika durch ein anderes empfohlen. Die in der Tabelle 2 aufgeführten Empfehlungen stammen aus der Guideline des nationalen britischen Gesundheitssystems. Sie sollen den zunehmenden Resistenzen von H. pylori auf Clarithromycin und Metronidazol Rechnung tragen und wurden nicht alle in randomisierten Studien untersucht.(3)
Gut dokumentiert sind Vierer-Therapien mit einem Bismutsalz, PPI, Tetracyclin und Metronidazol. Sie kommen grundsätzlich sowohl als Initial-Therapie als auch bei einem Rezidiv der H. pylori-Infektion in Frage.(3,5) Entsprechende Bismut- und Tetracyclin-Präparate sind in der Schweiz allerdings nicht im Handel und müssten aus dem Ausland eingeführt werden.
Fluorochinolone, insbesondere Levofloxacin (Tavanic® u.a.), sind gegen H. pylori wirksam. Sie kommen als Reservemittel vor allem in Kombination mit Amoxicillin bei Versagen anderer Therapieschemata in Frage. Gegen einen regelmässigen Einsatz sprechen ihre Kosten und vor allem die Resistenzentwicklung von H. pylori und anderen Keimen.(3,5)
Therapiedauer
Gemäss einer Cochrane-Metaanalyse von 75 randomisierten Studien, in denen Eradikationstherapien verschiedener Dauer miteinander verglichen worden waren, nimmt die Eradikationsrate bei längerer Therapiedauer zu. Für Tripel-Therapien mit 14 Tagen Dauer beträgt sie 82%, mit 7 Tagen Dauer nur 73%. Auch für 10 gegenüber 7 Tagen und für 14 gegenüber 10 Tagen war der Unterschied signifikant.(12)
Trotzdem wird – vor allem aus Gründen der Resistenzentwicklung – in der Guideline des nationalen britischen Gesundheitssystems generell eine 7-tägige Behandlung empfohlen.(3) In der europäischen Guideline wird bei der Initialtherapie eine Therapiedauer von 7 Tagen empfohlen, für die Dauer der Rezidivbehandlung wird keine Empfehlung gemacht,(4)während in der amerikanischen schon für die Initialtherapie in der Regel eine Therapiedauer von 10 bis 14 Tagen empfohlen wird.(5) Auch eine neuere schweizerische Übersichtsarbeit empfiehlt primär eine mindestens zehntägige Antibiotikatherapie.(2) Zu beachten ist ausserdem, dass die PPI-Therapie bei einem nachgewiesenen Ulkus mindestens zwei (Duodenalulkus) bzw. 4 bis 8 Wochen (Magenulkus) betragen soll.
Therapiekontrolle
Ob eine Eradikation geglückt ist, kann vorzugsweise mit einem C13-Atemluft-Test untersucht werden.(3) Einzelne Fachleute empfehlen auch den etwas weniger aufwendigen Stuhl-Antigentest, der allerdings auch weniger gut dokumentiert ist.(5) Eine Therapiekontrolle soll frühestens 4 Wochen nach Therapieende gemacht werden, um falsch negative Resultate zu vermeiden. Empfohlen wird eine Therapiekontrolle bei Personen, die wegen eines Ulkus, eines MALT-Lymphoms oder nach Resektion eines Magenkarzinoms behandelt wurden.(3-5)
Unerwünschte Wirkungen der Eradikationstherapie
Eine Eradikationstherapie führt oft zu mehr oder weniger stark ausgeprägten Nebenwirkungen. Die Antibiotika verursachen häufig Übelkeit und Diarrhoe, was die Compliance gefährdet. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Vaginalmykosen, Geschmacksveränderungen (Metronidazol), Schwarzfärbung der Zunge und des Stuhlgangs (Bismutsalze) und Lichtempfindlichkeit (Tetrazykline, Chinolone). Seltener, aber gefährlicher sind pseudomembranöse Kolitiden mit Clostridium difficile, psychische Veränderungen oder Tendinopathien (Fluorochinolone).
Global gesehen ist das Hauptproblem der Antibiotikabehandlungen aber die Selektion resistenter Keime. Die Zunahme von resistenten Helicobacter-Stämmen ist die eine Seite. Noch gravierender ist die Selektion von resistenten anderen Keimen wie z.B. Pneumokokken oder Enterobakterien.
Interaktionen gilt es bei Antibiotikatherapien immer zu beachten. Besonders Clarithromycin kann als Hemmer des Zytochroms CYP3A4 zum verlangsamten Abbau und damit zu vermehrten Nebenwirkungen einer Vielzahl von Medikamenten führen.
Schlussfolgerungen
Die Bedeutung der Infektion mit Helicobacter pylori für die Entstehung von Magen- und Duodenalulzera, von Magenkarzinomen und dem seltenen B-Zell-Lymphom des Magens ist gut etabliert. Weltweit geht die Prävalenz von H. pylori zurück, wohl auf Grund von besseren hygienischen Verhältnissen in vielen Ländern.
Der Nutzen einer Helicobacter-Eradikation ist am besten belegt für ein nachgewiesenes Ulkus. Weniger klar ist der Nutzen bei Dyspepsien ohne Ulkusnachweis und kein symptomatischer Nutzen ist beim gastro-ösophagealen Reflux zu erwarten. Angesichts der überall zunehmenden Resistenzen von bakteriellen Erregern auf Antibiotika ist es unbefriedigend, dass in der Schweiz die meisten endoskopisch nachgewiesenen Helicobacter-Infektionen unkritisch – d.h. ohne harte Indikation (z.B. Nachweis eines Ulkus) – behandelt werden, obwohl dafür kein relevanter Nutzen zu erwarten ist.
Trotz eines etwas geringeren Therapieerfolges als bei längerer Therapiedauer gilt in Europa die siebentägige Tripel-Therapie mit Clarithromycin immer noch als Standard für die Helicobacter-Eradikation. Vierer-Therapien mit Bismut oder Kombinationen mit einem Fluorochinolon kommen allenfalls nach einem fehlgeschlagenen Therapieversuch mit einer Standardbehandlung in Betracht.
Literatur
- 1) McColl KE. N Engl J Med 2010; 362: 1597-604
- 2) Burri E, Meier R. Schweiz Med Forum 2011; 11: 897
- 3) NICE-Guideline (CG184). 2014 Sept: www.nice.org.uk/guidance/cg184
- 4) Chey WD et al. Am J Gastroenterol 2007; 102: 1808-25
- 5) Malfertheiner P et al. Gut 2007; 56: 772-81
- 6) Ford AC et al. Cochrane Database Syst Rev 2006; (2): CD003840
- 7) Gisbert JP et al. Cochrane Database Syst Rev 2004; (2): CD004062
- 8) Tang CL et al. Helicobacter 2012; 17: 286-96
- 9) Chiba N et al. BMJ 2002; 324: 1012-6
- 10) Moayyedi P et al. Cochrane Database Syst Rev 2011; (2): CD002096
- 11) Suzuki T. et. al. Am J Med 2006; 119: 217-24
- 12) Yuan Y et al. Cochrane Database Syst Rev 2013; 12: CD008337
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