Insulinpumpen
- Autor(en): Philipp A. Gysling
- Reviewer: Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 35
, PK921, Online-Artikel
Redaktionsschluss: 19. Februar 2014
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2013.921
Die Verabreichung von Insulin mit Hilfe einer Insulinpumpe entspricht einer Form der intensivierten Insulintherapie (1) und kann in gewissen Fällen eine mehrfach-tägliche Injektion von Insulin vorteilhaft ersetzen. Im britischen «Drug and Therapeutics Bulletin» wurde eine Übersicht zum Gebrauch und zum Stellenwert der Insulinpumpen publiziert. (2) Hier folgt eine Zusammenfassung dieses Textes.
Grundlagen
Grundlage der intensivierten Insulintherapie ist die grosse DCCT-Studie («Diabetes Control and Complications Trial»), in der nachgewiesen wurde, dass eine intensivierte Therapie bezüglich Retinopathie, Neuropathie und Albuminurie einer weniger intensiven Therapie überlegen ist. (3) Auch eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse konnte gezeigt werden. Anderseits kommt es unter intensivierter Therapie häufiger zu Hypoglykämien und zu einer stärkeren Gewichtszunahme.
Mittels Insulinpumpen wird durch die kontinuierliche subkutane Insulin-Infusion («continuous subcutaneous insulin infusion», CSII) versucht, die Pankreas-Funktion nachzuahmen. Dabei werden kurz und sofort wirkende Insuline verwendet, von denen im Bedarfsfall (z.B. vor Mahlzeiten) mit einem Knopfdruck höhere Dosen abgegeben werden können. Solche Systeme werden fast ausschliesslich bei Typ-1-Diabetes eingesetzt. Dank technologischer Fortschritte stehen immer ausgeklügeltere Geräte zur Verfügung.Ist eine Insulinpumpen-Therapie (CSII) einer mehrfach-täglichen Insulin-Injektion («multiple daily insulin injections», MDII) überlegen? Gemäss einer Meta-Analysye von 23 Studien, in denen die beiden Verfahren miteinander verglichen wurden, kann eine CSII tatsächlich Vorteile haben. Mit der Insulinpumpentherapie wurden vergleichsweise niedrigere HbA1c-Werte erzielt, es war global weniger Insulin nötig, schwere Hypoglykämien waren weniger wahrscheinlich, und die Behandelten hatten eine bessere Lebensqualität.(4)
Gemäss einer Empfehlung des britischen «National Institute for Health and Care Excellence» (NICE) aus dem Jahr 2008 stellt eine CSII bei Typ-1-Diabetes eine sinnvolle Option dar, wenn sich die HbA1c-Werte sonst nicht unter 8,5% senken lassen bzw. wenn es unter MDII zu stark beeinträchtigenden Hypoglykämien kommt. Erwachsene und junge Leute ab 12 können so behandelt werden; CSII kommt auch für jüngere Kinder in Frage, wenn MDII nicht praktisch durchführbar sind. Bei Personen mit schweren psychiatrischen Störungen und solchen mit einer progressiven Retinopathie wird von einer Insulinpumpentherapie abgeraten.
Praktische Aspekte
Die meisten am Markt erhältlichen Pumpen werden in der Taillenregion getragen und enthalten neben der Pumpe mit Insulinreservoir und Batterie ein kleines Kontrollgerät. Von der Pumpe wird das Präparat via einen dünnen Schlauch und eine Subkutannadel unter die Bauchhaut injiziert. Die Basis- und die Bolusinsulindosis sind individuell einstellbar.
Eine Ausnahme stellt die «mylife OmniPod»-Pumpe dar: Diese schlauchlose «Patchpumpe» besteht aus einer Steuereinheit und einem sogen. Pod, der die Pumpe und die Injektionslösung enthält und direkt auf die Haut geklebt wird. Von der Steuereinheit («Personal Diabetes Manager») aus wird die Pumpe drahtlos gesteuert. Nach drei Tagen (oder sobald das Insulinreservoir aufgebraucht ist) wird der Pod entfernt und durch einen neuen Pod ersetzt.
Die Autoren unterstreichen, dass ein umfassendes Training und laufende Unterstützung der Behandelten von grösster Bedeutung sind. Der entsprechende Aufwand für alle Beteiligten darf nicht unterschätzt werden.
Dosierung
Die kontinuierliche Infusion (Basisdosis) kann entsprechend der individuellen Aktivität halbstündlich angepasst werden. In der Regel werden etwa 50% der gesamten Tagesdosis als Basisdosis verabreicht. Beim Wechsel von MDII zu CSII kann die Gesamtdosis primär um 20% reduziert werden.
Die Bolusdosen können als Sofortdosis oder als «prolongierter» Bolus (während einer gewissen Zeit) injiziert werden. Je nach Gerät sind noch weitere Bolus-Varianten verfügbar. Die Dosierung soll insbesondere die Kohlehydrat-Aufnahme, Blutzuckerwerte und die körperliche Aktivität berücksichtigen.
Perspektiven
Die meisten Insulinpumpen erfordern es, dass die Blutzuckerspiegel täglich viermal gemessen werden. Nur so kann die Basis- und Bolusdosierung adäquat eingestellt werden. Dies macht den ganzen Prozess oft etwas kompliziert und damit für viele Leute nicht ideal geeignet. Als Weiterentwicklung steht zur Zeit die kontinuierliche Glukosemessung (in der Subkutis) im Vordergund (siehe dazu die Anmerkungen im nachfolgenden Kommentar). Weitere Verbesserungen sollten sich dank moderner Smartphone-Technologie erreichen lassen. Theoretisch sollte schliesslich durch die Kombination der verschiedenen Techniken eine Art von künstlichem Pankreas (sogen. «closed loop system») realisierbar werden.
Zusammengefasst von Philipp Gysling
Kommentar
Es ist verdienstvoll, dass das «Drug and Therapeutic Bulletin» diese knappe Übersicht zu den Insulinpumpen veröffentlicht hat. Wie bei anderen medizinischen Geräten ist es nämlich ausgesprochen schwierig, sich als «Nicht-Insider» einen guten Überblick zu den Insulinpumpen zu verschaffen. Dazu kommt, dass medizinische Geräte nach wie vor nur beschränkt in adäquaten klinischen Studien geprüft werden. So konnte ich z.B. gar keine Studien finden, in denen verschiedene CSII-Geräte miteinander verglichen wurden. Dabei ist allerdings nicht zu bezweifeln, dass auf dem Gebiet der Diabetologie ständig wichtige technische Fortschritte gemacht werden. Einzelheiten zu den Insulinpumpen aus Schweizer Sicht finden sich in einem Text im D-Journal aus dem Jahr 2011.(5) Gegenüber dem hier zusammengefassten Text ist anzumerken, dass heute in der Schweiz bereits ein CSII-System mit kontinuierlicher Glukosemessung erhältlich ist (MiniMed Paradigm VEO mit dem Glukosesensor Enlite). Ausführliche Informationen dazu werden in einem Text im Schweizerischen Medizin-Forum vermittelt.(6) Wichtig zu beachten: Auch der Glukosesensor muss nach spätestens 6 Tagen ersetzt werden und trotz kontinuierlicher Messung in der Subkutis ist mindestens alle 12 Stunden eine Blutzuckerbestimmung notwendig. Mit anderen Worten: von einem künstlichen Pankreas kann nicht gesprochen werden. Die in der Schweiz zur Zeit erhältlichen Insulinpumpen sind in der Tabelle summarisch zusammengestellt; ich kann jedoch die Vollständigkeit der Tabelle nicht garantieren. Gemeinsam ist diesen Geräten, dass die Übertragung vom Blutzucker-Messgerät/Bolusrechner zur Pumpe drahtlos erfolgt; ebenso ist für alle Software für die Datenübertragung und -auswertung auf dem Computer verfügbar. Ergänzend kann noch festgehalten werden, dass die Insulinpumpen in der Schweiz in der Regel gemietet werden und dass – bei entsprechend guter Begründung – die Kosten weitgehend, aber nicht immer vollständig von den Krankenkassen übernommen werden (bis zu 3942 Franken pro Jahr, Insulin wird separat abgerechnet).
Etzel Gysling
Literatur
Standpunkte und Meinungen
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