Basistherapie der rheumatoiden Arthritis
- Autor(en): Urspeter Masche
- Reviewer: Beat Michel, Urs Schlumpf, Hans A. Schwarz, Peter Villiger
- pharma-kritik-Jahrgang 24
, Nummer 3, PK51
Redaktionsschluss: 25. Juli 2002
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2002.51 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
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Rheumatoide Arthritis (2017-04-28)
Übersicht
Die rheumatoide Arthritis – die heutige Bezeichnung für die chronische Polyarthritis – kommt bei bis zu 1% der Bevölkerung vor. Sie tritt in der Regel zwischen 40 und 70 Jahren auf, kann sich jedoch in jedem Alter manifestieren. Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Es handelt sich um eine T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung. Zentrales Element der rheumatoiden Arthritis ist die Synovialitis. Die entzündete Synovialmembran wird hyperplastisch und führt, in Knorpel- und Knochengewebe eindringend, zu Erosionen. Die wichtigsten Symptome sind Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen sowie morgendliche, mehr als eine Stunde anhaltende Gelenksteifigkeit. Die Gelenke sind symmetrisch befallen, Hand- und Fussgelenke häufiger als grosse proximale Gelenke. In frühen Krankheitsstadien kann die korrekte Diagnose schwierig sein.
Der Verlauf der rheumatoiden Arthritis reicht von leichten, selbstlimitierenden Gelenkbeschwerden bis zur schweren Systemerkrankung, bei der neben den Gelenken andere Organe wie Lunge, Herz oder Gefässe betroffen sein können. Die Prognose lässt sich anhand von verschiedenen Faktoren abschätzen: als prognoseverschlechternd gelten stark positive Rheumafaktoren, frühes Auftreten von Knochenerosionen, viele befallene Gelenke (vor allem im Frühstadium) und extraartikuläre Manifestationen.(1)
Bei der Behandlung vertritt man heute wegen des bedrohlichen Charakters der Erkrankung die Strategie, eine Basistherapie zu beginnen, sobald die Diagnose feststeht.(1,2) Basistherapeutika, die sogenannten «Disease-modifying antirheumatic drugs» (DMARD), beeinflussen den Krankheitsprozess und vermögen die Gelenkdestruktionen zu bremsen. Der Wirkmechanismus dieser Medikamente ist nicht bei allen bekannt. Die Basistherapeutika werden unten detaillierter besprochen, unterteilt in die herkömmlichen Substanzen sowie die drei neuen Mittel Leflunomid, Etanercept und Infliximab. Nicht-steroidale Entzündungshemmer und Steroide dienen als Ergänzung zur Basistherapie, indem sie zur Symptomlinderung beitragen. Steroide besitzen eine starke entzündungshemmende Wirkung und helfen, systemisch oder intraartikulär verabreicht, bei hoher Krankheitsaktivität rasch und zuverlässig – auch zur Überbrückung, bis die Wirkung von Basistherapeutika einsetzt. Orale Steroide werden oft längerfristig verschrieben, insbesondere wenn der Effekt der Basistherapeutika ungenügend ist, wobei die Steroide ebenfalls einen gewissen basistherapeutischen Effekt ausüben. Bei den Steroiden ist zu beachten, dass immer eine Osteoporoseprophylaxe durchgeführt wird und bei einer längerfristigen Behandlung die Äquivalenzdosis von 7,5 mg Prednison pro Tag möglichst nicht überschritten wird.(2-4)
Es gibt verschiedene Messinstrumente, um die Wirkung einer Behandlung abzuschätzen. In den neueren klinischen Studien benutzte man meistens die Skala, die von der amerikanischen Fachgesellschaft «American College of Rheumatology » (ACR) entwickelt worden ist und welche die Anzahl der betroffenen Gelenke, Schmerzangaben, Krankheitsaktivität, Funktionseinschränkungen und Entzündungsparameter im Blut erfasst. Der primäre Endpunkt war jeweils eine 20%ige Besserung auf der ACR-Skala; der Wert von 20% ist zwar sehr sensitiv und wird deshalb in den Studien verwendet, bedeutet klinisch indessen keine erhebliche Besserung. Mit Hilfe von radiologischen Messskalen («Larsen-Score» und «Sharp-Score») lässt sich der eigentliche Krankheitsschaden, der Verlauf der Gelenkzerstörung, dokumentieren.(1,2)
Behandlung und Verlauf einer rheumatoiden Arthritis sollten standardisiert festgehalten werden. In der Schweiz dient dazu das SCQM-Projekt («Swiss Clinical Quality Management in Rheumatoid Arthritis»), in das alle an rheumatoider Arthritis Erkrankten durch die mitbetreuenden rheumatologischen Fachleute einbezogen werden sollten.(5) Hilfreich sind auch die Merkblätter und Richtlinien zu den einzelnen Medikamenten, welche die Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie im Internet veröffentlicht hat (www.rheumanet. ch).
Herkömmliche Basistherapeutika
In diese Gruppe fallen diejenigen Medikamente, die bis Ende der 1990er Jahre die basistherapeutischen Möglichkeiten darstellten. Darunter finden sich neben den Substanzen mit unverändert grosser Bedeutung auch solche, die praktisch nicht mehr verwendet werden.
Methotrexat
Methotrexat hemmt folsäureabhängige Enzyme und hat entzündungshemmende sowie antiproliferative Eigenschaften. Niedrigdosiertes Methotrexat zeichnet sich durch eine grosse – auch antierosive – Wirksamkeit und verhältnismässig geringe Toxizität aus;(6,7) es hat sich in den letzten zwanzig Jahren zum Standard-Basistherapeutikum entwickelt.
Methotrexat wird bei der rheumatoiden Arthritis einmal pro Woche oral oder parenteral (subkutan oder intramuskulär) verabreicht. Die biologische Verfügbarkeit nach oraler Gabe schwankt erheblich; die parenterale Applikation erweist sich zuweilen als wirksamer und subjektiv verträglicher. Die Dosis liegt zwischen 7,5 und 25 mg/Woche. Die Wirkung ist nach 4 bis 6 Wochen zu erwarten.(2,4)
Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Stomatitis, selten Zytopenien und interstitielle Lungenerkrankungen. Relativ häufig beobachtet man Leberenzymerhöhungen; eine manifeste Leberzirrhose scheint aber unter den Dosen, wie bei der rheumatoiden Arthritis verschrieben, selten vorzukommen. Routinemässige Leberbiopsien werden nicht mehr empfohlen, sondern lediglich Kontrollen der Leberwerte.(8)
Vor allem die Inzidenz von gastrointestinalen Beschwerden und von Leberschäden kann reduziert werden, wenn Methotrexat mit Folsäure (oder mit Calciumfolinat = Folinsäure, Leucovorin) kombiniert wird. Folsäure kann täglich oder auch nur einmal pro Woche eingenommen werden; die Wochendosis in Milligramm sollte dabei nicht höher sein als die von Methotrexat. Einmal pro Woche eine 5-mg-Tablette Folsäure zu verschreiben ist in der Schweiz die billigste Variante. Folsäure interferiert möglicherweise mit der gastrointestinalen Resorption von Methotrexat, weshalb zu einem Abstand von 24 Stunden zwischen Methotrexat- und Folsäureeinnahme geraten wird.(9)
Sulfasalazin
Sulfasalazin (Salazopyrin® EN) scheint ähnlich wirksam zu sein wie Methotrexat; der antierosive Effekt ist aber weniger dokumentiert.(4,6,7) Die initiale Dosis beträgt 1- bis 2mal täglich 500 mg; die Dosis wird um 500 mg/Woche auf 2 bis 3 g/ Tag gesteigert. Mit einer Wirkung ist nach 4 bis 6 Wochen zu rechnen. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen, Hautausschläge, Leberenzymerhöhungen, Leukopenie und Thrombozytopenie. Sulfasalazin wird als dasjenige Basistherapeutikum betrachtet, das am ehesten während der Schwangerschaft gegeben werden könnte.
Antimalariamittel
Die Antimalariamittel Chloroquin (Nivaquine® u.a.) und Hydroxychloroquin (Plaquenil®) sind wahrscheinlich weniger wirksam als Methotrexat oder Sulfasalazin, vor allem weil kein antierosiver Effekt nachgewiesen ist. Sie haben eine lange Halbwertszeit (1 bis 2 Monate) und eine langsam einsetzende Wirkung (3 bis 6 Monate). Die Dosis von Chloroquin beträgt 250 bis 500 mg/Tag, die von Hydroxychloroquin 200 bis 400 mg/Tag. Als Nebenwirkungen treten oft gastrointestinale Beschwerden auf. Auch Hautausschläge und Hämolysen können vorkommen. Am gefürchtetsten ist die Retinopathie, die allerdings sehr selten auftritt; sie ist dosisabhängig und kann reversibel sein, wenn sie – durch jährliche ophthalmologische Kontrollen – rechtzeitig erkannt wird. Hydroxychloroquin gilt als weniger netzhautschädigend als Chloroquin.(2,4)
Gold
Gold ist das erste Basistherapeutikum, das bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wurde. Es wird in Form von Natriumaurothiomalat (Tauredon®) einmal pro Woche intramuskulär gespritzt und gehört zu den wirksamsten Substanzen. Perorales Gold (Auranofin = Ridaura®) ist weniger wirksam und deshalb obsolet. Rund ein Drittel der mit Gold Behandelten sind von unerwünschten Wirkungen betroffen. Zu nennen sind Haut- und Schleimhaut-Nebenwirkungen, nephrotisches Syndrom, Zytopenien, interstitielle Lungenerkrankungen und Neuropathien. (4,6)Obschon Gold eine beträchtliche Toxizität aufweist, wird es gelegentlich noch verschrieben.
Andere Mittel
Bei anderen Basistherapeutika ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis weniger günstig. D-Penicillamin (Mercaptyl®) hat ein ähnliches Nebenwirkungsspektrum wie Gold und wird praktisch nicht mehr verwendet. Bei Ciclosporin (Sandimmun®) können selbst in niedriger Dosis Nephrotoxizität und Hypertonie auftreten, zudem bestehen zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Medikamenten; deshalb kommt Ciclosporin nur eine beschränkte Rolle zu (z.B. in der Kombination mit Methotrexat). Bei Cyclophosphamid (Endoxan®) und Azathioprin (Imurek® u.a.) fallen Knochenmarksdepression und mögliche Kanzerogenität ins Gewicht; Cyclophosphamid wird bei rheumatoider Arthritis lediglich noch bei schweren systemischen Manifestationen in Betracht gezogen.(4,10)
Leflunomid
Leflunomid (Arava®) ist ein Prodrug und wird rasch in die pharmakologisch aktive Form, den Metaboliten M1 (A771726), umgewandelt, der verschiedene Enzyme und damit die Proliferation von aktivierten T-Lymphozyten hemmt.
Leflunomid wird oral eingenommen, maximale Spiegel von M1 werden nach 6 bis 12 Stunden gemessen. M1 ist zu über 99% an Plasmaeiweisse gebunden. Der Abbau findet in der Leber statt, die eine Hälfte über zytochromabhängige Reaktionen, die andere über eine direkte Glukuronidierung. Beim Metabolismus entsteht unter anderem Trifluormethylanilin, das als potentiell kanzerogen bezeichnet wird. Die Metaboliten werden über Urin und Stuhl eliminiert. M1 weist einen ausgeprägten hepatobiliären Kreislauf auf, was zur – relativ langen – Halbwertszeit von ungefähr 2 Wochen beiträgt.(11,12)
Leflunomid wurde in drei grossen Studien doppelblind mit anderen Basistherapeutika verglichen. Als Hauptendpunkte wurden klinische wie radiologische Kriterien berücksichtigt (20%ige Symptombesserung nach ACR-Richtlinien, «Sharp-Score»). Die Leflunomid-Dosis betrug jeweils 1mal 100 mg/Tag über 3 Tage, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 1mal 20 mg/Tag. Falls nötig, war eine zusätzliche Behandlung mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern und niedrig-dosierten Steroiden erlaubt. In einem placebokontrollierten, 358 Personen umfassenden Vergleich mit Sulfasalazin (2 g pro Tag) setzte die Wirkung von Leflunomid zum Teil etwas schneller ein, ansonsten fanden sich nach 24 Wochen keine Unterschiede.(13) Die Studie wurde mit dem Gros der Teilnehmenden während 6 bis 18 Monaten weitergeführt. Gelenkentzündungen und Erosionen wurden durch beide Mittel in vergleichbarem Mass gehemmt; Leflunomid half hingegen gegenüber funktionellen Einschränkungen besser als Sulfasalazin.(14)
Bei 482 Personen fand sich nach einem Jahr zwischen Leflunomid und Methotrexat (7,5 bis 15 mg/Woche per os) in Bezug auf klinische und radiologische Ergebnisse keine signifikante Differenz.(15) 999 Personen wurden ein Jahr lang mit Leflunomid oder Methotrexat (7,5 bis 15 mg/Woche per os) behandelt; über die Hälfte dieses Kollektivs verblieb für ein zweites Jahr in der Studie. Methotrexat linderte die Gelenkbeschwerden besser als Leflunomid und wurde von den Betroffenen sowie von den Ärzten und Ärztinnen als überlegen beurteilt. Ein kleiner, aber signifikanter Unterschied zugunsten von Methotrexat war auch bei den radiologischen Veränderungen feststellbar.(16)
Mögliche Nebenwirkungen von Leflunomid sind Übelkeit und Durchfall, Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg, verstärkter Haarausfall, Zytopenien und kutane Reaktionen (Hautausschläge, Stevens-Johnson- und Lyell-Syndrom). Sehr häufig ist ein Leberenzymanstieg, und es sind Fälle von Leberversagen vorgekommen. Deshalb müssen regelmässig die Leberwerte kontrolliert werden, und in Kombination mit anderen lebertoxischen Substanzen ist höchste Vorsicht geboten (z.B. mit Methotrexat!). Wegen der immunsuppressiven Wirkung ist von einem erhöhten Infekt- und Malignomrisiko auszugehen. Leflunomid wird als teratogen betrachtet.
TNF-alpha-Blocker
Der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) ist ein Zytokin und gehört zu den Entzündungsmediatoren, die bei der rheumatoiden Arthritis eine entscheidende Rolle spielen. TNF-alpha bindet sich an zellmembrangebundene Rezeptoren und setzt so die Entzündungsreaktion in Gang. Die Inaktivierung von TNF-alpha geschieht durch freie, lösliche TNF-Rezeptoren.(17)
Etanercept
Etanercept (Enbre®) ist ein Fusionsprotein, bei dem zwei rekombinante TNF-Rezeptor-Moleküle mit dem Fc-Anteil von humanem Immunglobulin G1 gekoppelt sind. Etanercept bindet sich sowohl an TNF-alpha als auch an Lymphotoxin-alpha (TNF-beta), so dass die beiden Zytokine nicht mehr mit den zellstandigen TNF-Rezeptoren interagieren können.
Etanercept wird zweimal pro Woche subkutan gespritzt. Maximale Plasmaspiegel werden nach etwa 50 Stunden gemessen. Die Angaben zur Halbwertszeit bewegen sich zwischen 70 und 100 Stunden.(18)
Etanercept ist in drei grossen Doppelblindstudien geprüft worden. In allen gehörte die 20%ige Besserung nach den ACR-Kriterien zu den primaren Endpunkten. 234 Personen, die auf die bisherige Basistherapie (Methotrexat u.a.) ungenügend angesprochen hatten, behandelte man wahrend 26 Wochen mit Etanercept (2mal 10 oder 25 mg/Woche) oder Placebo. Unter Etanercept besserten sich Krankheitssymptome und Lebensqualität signifikant besser, wobei die 25-mg-Dosis wirksamer war als die 10-mg-Dosis.(19) 89 Personen, die trotz Methotrexat noch Zeichen einer aktiven Arthritis aufwiesen, erhielten 24 Wochen lang zusätzlich Etanercept (2mal 25 mg/Woche) oder Placebo. Dabei zeigte sich die Kombination von Methotrexat und Etanercept der Kombination von Methotrexat und Placebo als signifikant überlegen.(20) In der dritten Studie wurde bei 632 Personen Etanercept (2mal 10 oder 25 mg/Woche) mit Methotrexat (7,5 bis 20 mg/Woche) verglichen. Nach einem Jahr hatte sich mit der 25-mg-Dosis von Etanercept bei 72% der Behandelten eine 20%ige Besserung ergeben, mit Methotrexat bei 65% (zur 10-mg-Dosis von Etanercept ist keine exakte Zahl angegeben, sie war aber weniger wirksam als die 25-mg-Dosis). In den ersten sechs Monaten hatte die 25-mg- Dosis zum Teil signifikant besser gewirkt als Methotrexat. Der Prozentsatz der Personen, bei denen die Gelenkdestruktionen gestoppt werden konnten, betrug unter Etanercept 72%, unter Methotrexat 60%.(21)
Als haufigste Nebenwirkungen von Etanercept sind Hautreaktionen an der Injektionsstelle (Rotung, Juckreiz, Schmerzen) beobachtet worden. Etanercept kann die Bildung von Autoantikörpern auslösen, in seltenen Fallen verbunden mit Hautausschlagen, die an einen kutanen oder diskoiden Lupus erinnern. Die Blockade des TNF-Rezeptors führt zu einer Immunsuppression. Es ist deshalb mit einer erhöhten Inzidenz von Infekten zu rechnen; so sind zum Beispiel unter TNF-alpha Blockern Tuberkulosefälle vorgekommen. Im Zusammenhang mit einer TNF-alpha Blocker-Behandlung sind Falle von Demyelinisierung mit . zumindest partiell reversiblen . MS-ahnlichen Symptomen beobachtet worden.(22)
Infliximab
Infliximab (Remicade®) ist ein chimarer monoklonaler Antikörper gegen TNF-alpha, der sich aus einem Menschen- und einem Mausanteil zusammensetzt. Anders als Etanercept bindet sich Infliximab spezifisch an TNF-alpha, und zwar auch an die TNF-alpha-Moleküle, die bereits an den membranstandigen TNF-Rezeptoren sitzen.
Infliximab wird intravenös im Abstand von 4 bis 8 Wochen verabreicht. Die terminale Halbwertszeit wird mit 8 bis 9,5 Tagen angegeben.(23)
Bei rheumatoider Arthritis ist Infliximab vor allem in Kombination mit Methotrexat untersucht worden; Direktvergleiche mit anderen Basistherapeutika liegen nicht vor. Die aussagekräftigste Studie umfasste 428 Personen, die in fünf Gruppen aufgeteilt wurden: in der ersten wurde Methotrexat und Placebo verabreicht, in den anderen vier Methotrexat und Infliximab, wobei bei Infliximab vier Dosierungsschemen angewendet wurden (zwei Dosen, 3 und 10 mg/kg, in je zwei verschiedenen Dosierungsintervallen von 4 und 8 Wochen). Nach einem Jahr erzielte man mit Methotrexat allein bei 17% der Behandelten eine 20%ige Besserung; mit der Kombination von Methotrexat und Infliximab waren es 42% bis 59%. Innerhalb der verschiedenen Infliximab-Dosen waren die Unterschiede nicht signifikant. Unter Methotrexat plus Infliximab konnten Gelenkschäden praktisch aufgehalten werden, wahrend sie unter der Methotrexat-Monotherapie um knapp 10% zunahmen.(24)
Infliximab kann ähnliche Nebenwirkungen verursachen wie Etanercept. Namentlich ist an das erhöhte Infektrisiko zu denken. Die Entwicklung von Autoantikörpern sowie die neurologischen Nebenwirkungen (Demyelinisierung) sind ebenfalls beschrieben. Es sind diverse Überempfindlichkeitsreaktionen vorgekommen, üblicherweise 1 bis 2 Stunden nach Infusion – beispielsweise Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Blutdruckveränderungen, Dyspnoe, Juckreiz und Urtikaria.(23) Daneben sind Fälle einer Herzinsuffizienz-Verschlechterung beobachtet worden.
Kombinationstherapie
Die Kombination von verschiedenen Basistherapeutika gewinnt an Bedeutung, weil mit weniger Nebenwirkungen und synergistischen Effekten zu rechnen ist. Zwei Doppelblindstudien lassen annehmen, dass die Dreierkombination von Methotrexat, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin wirksamer ist als Zweierkombinationen mit diesen Substanzen oder als eine Monotherapie mit Methotrexat.(25,26) Daten existieren auch zu den Kombinationen von Methotrexat mit TNF-alpha-Blockern oder mit Ciclosporin. Insgesamt liegen aber zur Kombinationstherapie erst in geringem Mass kontrollierte Vergleiche vor.
Schlussfolgerungen
Die rheumatoide Arthritis ist eine nicht heilbare Krankheit, die zu grosser Behinderung führen und die Lebenserwartung vermindern kann. Deshalb ist früh mit einer Basistherapie zu beginnen, um den Krankheitsverlauf zu bremsen. Nicht-steroidale Entzündungshemmer und Steroide sind erganzende Substanzen fur die Symptomenkontrolle. Ein Platz gebührt auch nichtmedikamentösen Massnahmen wie zum Beispiel der Physiotherapie.
Methotrexat ist das Basistherapeutikum der ersten Wahl, mit dem man die eingehendsten Erfahrungen gesammelt hat. Wenn die Krankheit nicht sehr aktiv ist und keine ungünstigen Prognosefaktoren vorliegen, konnen Sulfasalazin oder Antimalariamittel als Alternative erwogen werden. Gold, Ciclosporin oder Zytostatika bleiben fur spezielle Situationen reserviert.
Der Fortschritt, den neue Basistherapeutika bieten, basiert auf den TNF-alpha-Blockern. Am besten dokumentiert sind sie in Kombination mit Methotrexat, die wahrscheinlich einer Methotrexat-Monotherapie überlegen ist. Trotzdem sollte der Einsatz von TNF-alpha-Blockern zuruckhaltend erfolgen . einerseits weil mögliche Probleme einer Langzeitbehandlung noch wenig erfasst sind, andererseits weil es sich um immens teure Substanzen handelt, die Monatskosten von ein- bis zweitausend Franken verursachen. Leflunomid dagegen muss sehr kritisch beurteilt werden: das Mittel scheint eher weniger wirksam, jedoch nebenwirkungsreicher und vor allem lebertoxischer zu sein als Methotrexat; in den USA aussern sich Stimmen, die sogar den Rückzug von Leflunomid fordern.(27) Ein weiteres neues Basistherapeutikum, dessen Einfuhrung bevorsteht, ist der Interleukin-1-Rezeptor- Antagonist Anakinra.
Die Kombinationstherapie mit verschiedenen Basistheraputika wird eine zunehmende Rolle einnehmen. Allerdings sind weitere kontrollierte Studien nötig, um den Nutzen klarer zu dokumentieren.
Bei Personen mit rheumatoider Arthritis sollte mindestens einmal pro Jahr eine spezialärztliche Verlaufskontrolle stattfinden. Es ist auch an Spezialsprechstunden zu denken, die für besondere Probleme existieren (z.B. Schwangerensprechstunde für rheumakranke Frauen im Inselspital Bern).
Literatur
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