Orale Cephalosporine

Übersicht

Heute sind zahlreiche Cephalosporine zur oralen Verabreichung erhältlich. In der Schweiz werden diese Medikamente immer noch vergleichsweise sparsam eingesetzt, obwohl die pharmazeutische Industrie und einige Experten zur Verordnung von Cephalosporinen aufrufen. Immerhin wurden im Jahre 1996 für mehr als 12 Mio. Franken orale Cephalosporine verkauft. Sind orale Cephalosporine in der ambulanten Medizin notwendig und sinnvoll? Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den vorhandenen Präparaten? Diese beiden Fragen stehen im folgenden Text im Vordergrund.
Cephalosporine gehören zu einer Gruppe von halbsynthetischen Antibiotika, die von «Cephalosporin C» abgeleitet sind, einer antibiotisch wirksamen Substanz, die vom Pilz Cephalosporium acremonium produziert wird. Chemisch sind sie den Penicillinen ähnlich: sie besitzen den gleichen Betalaktam-Ring; bei den Cephalosporinen ist dieser mit einem sechsgliedrigen, bei den Penicillinen mit einem fünfgliedrigen Ring fusioniert. Die bakterizide Wirkung der Betalaktam-Antibiotika beruht auf der Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese. Sie binden sich an bestimmte Proteine und führen dadurch zu einer osmotisch instabilen Zellmembran.(1)

Gemeinsame Eigenschaften der oralen Cephalosporine

Die heute zur oralen Verabreichung verfügbaren Cephalosporine haben – unabhängig von der Generation, der sie zugerechnet werden – sehr viele Eigenschaften gemeinsam.

Pharmakokinetik
Während andere kinetische Parameter (Resorption, Plasmahalbwertszeit) von einer Substanz zur anderen etwas variieren, werden alle Cephalosporine zum grössten Teil unverändert über die Nieren eliminiert. Deshalb wird empfohlen, bei stark eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance unter 20 bis 40 ml/min) die Cephalosporin-Dosis zu reduzieren.

Indikationen
Die wichtigsten Indikationen sind für alle oralen Cephalosporine identisch: In der ambulanten Medizin werden sie ganz überwiegend empirisch für Infektionen der Atemwege (inkl. Otitis media) und der Harnwege eingesetzt. Selbstverständlich sind dabei die tatsächlich vorhandenen Erreger bzw. deren Resistenz gegen bestimmte Antibiotika von Bedeutung. Für diese beiden Indikationsgebiete gibt es jedoch keine überzeugenden Daten, wonach eines der oralen Cephalosporine in einer für die Praxis relevanten Weise den anderen überlegen wäre. Alle in der Schweiz erhältlichen oralen Cephalosporine sind in kindergerechten Formen verfügbar. Für einzelne Generationen oder Substanzen sind weitere Indikationen dokumentiert (siehe unten).

Resistenzen
Enterokokken, methicillinresistente Staphylokokken und penicillinresistente Pneumokokken sind in der Regel gegenüber allen Cephalosporinen resistent. Im übrigen ist zu bedenken, dass die Resistenzlage zeitlich variabel und von Land zu Land verschieden ist. Gemäss einer Zürcher Untersuchung hat sie sich in der Schweiz seit 1987 offenbar nicht wesentlich verändert, d.h. es sind in der Zeit von 1987 bis 1993 kaum neue Resistenzen von untersuchten Bakterien gegen Cephalosporine aufgetreten.(2)

Unerwünschte Wirkungen
Cephalosporine sind allgemein relativ gut verträgliche Medikamente. Durchschnittlich klagen etwa 10% der mit oralen Cephalosporinen Behandelten über unerwünschte Wirkungen. Weitaus am häufigsten sind gastrointestinale Beschwerden, insbesondere Durchfall.(3) Auch Brechreiz/Erbrechen sowie verschiedene Bauchbeschwerden kommen vor. Durchfälle und andere gastrointestinale Beschwerden treten aber beispielsweise unter Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin®) eher häufiger auf als unter den meisten Cephalosporinen.(4) Alle Cephalosporine können vereinzelt zu einer pseudomembranösen Kolitis führen. Ob dieses Problem häufiger vorkommt als unter anderen Antibiotika, ist nicht bekannt. Zwar wurde der Einfluss einzelner Präparate auf die gastrointestinale Flora untersucht, doch sind diese Studien zu klein, um zu allgemeingültigen Aussagen zu führen.(5) Hautreaktionen (Exantheme, Urtikaria, Pruritus u.a.) werden bei rund 1% der Patienten beobachtet. Seltenere Nebenwirkungen sind neurologische Beschwerden, insbesondere Kopfschmerzen, hämatologische Veränderungen (z.B. Eosinophilie, selten Neutropenie) und eine leichte Erhöhung der Transaminasen.
Allergische Reaktionen gegen orale Cephalosporine sind selten. Sie kommen fast nur bei Personen vor, die auch auf Penicillin allergisch sind. Die Inzidenz von klinisch relevanten Kreuzallergien zwischen Penicillin und Cephalosporinen wird auf 2 bis 10% geschätzt. Bei Personen, die einmal auf Penicillin anaphylaktisch reagiert haben, sind Cephalosporine kontraindiziert. Hautteste lassen keine zuverlässigen Rückschlüsse auf eine Cephalosporin-Allergie zu.(6)
Interaktionen: Wie andere Antibiotika können orale Cephalosporine eventuell die Wirksamkeit von oralen Kontrazeptiva und von Lebendimpfstoffen beeinträchtigen. Einzelne Substanzen verursachen weitere Interaktionen, siehe unten.

Schwangerschaft/Stillzeit
Alle oralen Cephalosporine können bei zwingender Indikation auch von schwangeren Frauen eingenommen werden. Es ist noch ungenügend beschrieben, ob die Präparate in die Muttermilch übertreten. Die Auswirkungen auf gestillte Säuglinge sind ebenfalls unbekannt.

Die einzelnen Präparate

In den folgenden Abschnitten werden besondere Merkmale der einzelnen Generationen und Präparate dargestellt, siehe auch Tabelle 1.

Erste Generation
Cephalosporine der ersten Generationentfalten eine gute Wirkung gegen grampositive Kokken wie z.B. Staphylokokken und Streptokokken. Cephalosporine der ersten Generation sind nur eingeschränkt («intermediär») gegen aerobe, gramnegative Erreger wie E. coli, Proteus mirabilis und Klebsiella pneumoniae wirksam.

Cefadroxil
Cefadroxil (Duracef®) ist ein typischer Vertreter der ersten Cephalosporin-Generation. Pneumokokken sind auf dieses Medikament nur «intermediär» empfindlich. Als Indikationen werden neben den Atem- und Harnwegsinfekten auch Infektionen der Haut und der Weichteile genannt.

Cefalexin
Cefalexin (Keflex®) hat eine etwas bessere Wirksamkeit gegen Pneumokokken, unterscheidet sich aber sonst kaum von Cefadroxil.
Die Indikationen umfassen neben den Atem- und Harnwegsinfekten auch Infekte der Haut und der Weichteile, der Knochen und Gelenke sowie im Bereich der Zähne.

Zweite Generation
Cephalosporine der zweiten Generation sind gegen grampositive Kokken ungefähr gleich wirksam wie die Präparate der ersten Generation. Mit den letzteren verglichen sind Zweitgenerations-Cephalosporine aber schon in niedrigerer Konzentration gegen E. coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis und andere Entero-bacteriaceae wirksam. Sie wirken auch gegen Haemophilus influenzae und Neisserien, nicht aber gegen Pseudomonas.

Cefaclor
Cefaclor (Ceclor®) ist ein typischer Repräsentant der zweiten Generation mit dem entsprechenden antimikrobiellen Spektrum. Einzelne Staphylokokken-Stämme sind gegen Cefaclor resistent.
Die Indikationen umfassen neben den Atem- und Harnwegsinfekten auch Infektionen der Haut und der Weichteile.
Eine Nebenwirkung, die praktisch nur unter Cefaclor beobachtet wird, ist eine Serumkrankheit-ähnliche Reaktion mit Exanthem, Arthralgie, vereinzelt mit Fieber. Diese Reaktion kommt besonders bei Kleinkindern vor; in einer Studie war eines von 200 behandelten Kindern davon betroffen.(7)
Interaktionen: Gleichzeitig eingenommene säurehemmende Medikamente (Antazida, H2-Rezeptorantagonisten) vermindern die Resorption von Cefaclor.

Cefuroxim
Cefuroxim ist einerseits zur Injektion, anderseits als «Prodrug» in Form von Cefuroxim-Axetil (Zinat®) zur oralen Verabreichung erhältlich. Sein antimikrobielles Spektrum entspricht weitgehend dem oben erwähnten Spektrum der Cephalosporine der 2. Generation. Die dokumentierten Indikationen umfassen neben Atem- und Harnwegsinfekten auch Infektionen der Haut und der Weichteile, die unkomplizierte urogenitale Gonorrhoe sowie das Stadium I einer Lyme-Borreliose.
Nebenwirkungen: Bei der Behandlung der Lyme-Borreliose tritt bei etwa 1 von 5 fünf Personen eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion auf.
Interaktionen: Die Resorption kann durch säurehemmende Medikamente beeinträchtigt werden.

Cefprozil
Cefprozil (Procef®), in der Schweiz erst seit kurzer Zeit erhältlich, hat das Spektrum eines Zweitgenerations-Cephalosporins.
Die Indikationen umfassen neben den Atem- und Harnwegsinfekten auch Infekte der Haut und der Weichteile.

Dritte Generation
Cephalosporine der dritten Generation haben einerseits eine hohe Stabilität gegen Betalaktamasen und sind deshalb auch gegen Betalaktamase-bildende Stämme von Haemophilus influenzae und Moraxella (Branhamella) catarrhalis aktiv. Sie weisen eine gute Aktivität gegen E. coli, Klebsiellen, Proteus sp. und gegen Neisserien auf. Auch Pneumokokken sind in der Regel empfindlich. Anderseits sind Drittgenerations-Cephalosporine meistens ungenügend wirksam gegen Staphylokokken. Sie sind deshalb z.B. für die Behandlung von Haut- und Weichteilinfekten kaum geeignet.

Cefetamet
Cefetamet-Pivoxil (Globocef®) kann als typischer Vertreter eines Cephalosporins der dritten Generation gelten.
Indikationen sind, wie bei anderen Cephalosporinen, Infektionen im Bereich der Atemwege (inkl. Hals/Nasen/Ohren) und Harnwegsinfektionen durch empfindliche Keime. Nebenwirkungen: Ob Cefetamet weniger Durchfälle verursacht als andere Cephalosporine, weil es in Tierversuchen die intestinale Flora kaum verändert,(8) ist nicht gesichert.

Cefixim
Cefixim (Cephoral®) hat im wesentlichen das gleiche antimikrobielle Wirkungsspektrum wie Cefetamet.
Die Indikationen umfassen Atemwegs-, Hals/Nasen/Ohren- und Harnwegsinfekte sowie die akute unkomplizierte Gonorrhoe.
Die Nebenwirkungen von Cefixim sind nach verschiedenen Untersuchungen etwas häufiger als diejenigen anderer oraler Cephalosporine; in mehreren Untersuchungen fand sich insbesondere eine erhöhte Inzidenz von Durchfall.(9)

Cefpodoxim
Cefpodoxim-Proxetil (Orelox®, Podomexef®), ein «Prodrug», hat ein ähnliches antimikrobielles Spektrum wie andere Cephalosporine der dritten Generation. Die belegten Indikationen von Cefpodoxim sind Atemwegsinfekte, Harnwegsinfekte und die unkomplizierte Gonorrhoe.
Interaktionen: Säurehemmende Mittel (Antazida, H2-Rezeptorenantagonisten) beeinträchtigen die Resorption des Medikamentes.(10)

Ceftibuten
Ceftibuten (Cedax®), ein weiteres Cephalosporin mit hoher Stabilität gegenüber Betalaktamasen, entspricht in seinem antibakteriellen Spektrum ungefähr den anderen Drittgenerations-Cephalosporinen. Pneumokokken sind nur mässig empfindlich. Die Indikationen sind Infekte der Atemwege und des Hals/Nasen/Ohren-Bereichs (mit Ausnahme der Pneumokokkeninfekte) sowie Harnwegsinfekte.

Die wichtigsten Indikationen in der Praxis

Bei der Beurteilung verschiedener Antibiotika ist zu berücksichtigen, dass es ausserordentlich schwierig ist, in Studien relevante Unterschiede der klinischen Wirksamkeit nachzuweisen. Für mehrere der im folgenden genannten Indikationen wird sogar kontrovers beurteilt, ob eine antibiotische Behandlung einer Therapie ohne Antibiotika tatsächlich überlegen sei. Eine sinnvolle Therapie lässt sich noch am ehesten aus der Kenntnis von Resistenzen der häufigsten bakteriellen Erreger ableiten. Resistenzen können sich allerdings ändern und weisen eventuell regionale Unterschiede auf.

Pharyngitis/Tonsillitis
Eine Pharyngitis oder Tonsillitis kann durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A verursacht sein; in diesen Fällen ist eine antibiotische Therapie sinnvoll. Zu den zahlreichen Substanzen, die dabei in Frage kommen, gehören auch alle oralen Cephalosporine. Gemäss zahlreichen Studien sind sie bei dieser Indikation wirksam und erfordern nicht notwendigerweise eine zehntägige Therapie. Wirksam ist aber auch Phenoxymethylpenicillin (Penicillin V, z.B. Megacillin®). Dieses gut dokumentierte Antibiotikum gilt deshalb nach wie vor als Mittel der ersten Wahl.(11) Es gibt noch keine guten Studien, in denen die Wirksamkeit oraler Cephalosporine zur Prävention des rheumatischen Fiebers untersucht wurde.

Bakterielle Sinusitis
Die am häufigsten vorkommenden bakteriellen Erreger sind Pneumokokken, H. influenzae, M. catarrhalis, Streptokokken der Gruppe A und verschiedene Anaerobier; Staphylokokken sind selten. Sowohl in der Behandlung der akuten als auch der chronischen Sinusitis lassen sich mit oralen Cephalosporinen Heilungen erreichen. Dasselbe gilt aber auch z.B. für Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.). Bei Sinusitis kommen als Mittel der Wahl in Frage: Cotrimoxazol (Bactrim® u.a.), Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin®) oder ein Cephalosporin der 2. oder 3. Generation (Ceftibuten ist bei Pneumokokkeninfekten nicht genügend sicher wirksam).(12)

Otitis media
Zu einem grossen Teil sind Pneumokokken, H. influenzae oder M. catarrhalis die pathogenen Keime. Alle oralen Cephalosporine ausser Cefadroxil und Cefalexin wurden in der Therapie der akuten Otitis media untersucht und haben sich als wirksam erwiesen. Als primäre Therapie wird Amoxicillin oder Cotrimoxazol empfohlen.(13) Bei fehlendem Ansprechen kann Amoxicillin/Clavulansäure oder ein Cephalosporin der 2. oder 3. Generation in Betracht gezogen werden.

Bronchitis/Pneumonie
Die akute Bronchitis wird zum grössten Teil durch Viren verursacht. Fachleute sind der Ansicht, dass nicht alle Patienten mit einer akut exazerbierten chronischen Bronchitis (meist verursacht durch Viren oder Pneumokokken, H. influenzae oder M. catarrhalis) antibiotisch behandelt werden müssen. (14)Verschiedene orale Cephalosporine der 2. und 3. Generation haben sich als wirksam erwiesen. Auch hier gibt es zahlreiche Alternativen, die ebenfalls wirksam sind. Dazu gehören Cotrimoxazol, Doxycyclin (Vibramycin® u.a.) Amoxicillin/Clavulansäure, Chinolone und Makrolide.(15)
Zur Therapie der Bronchopneumonie, die auch durch Mykoplasmen verursacht sein kann, gelten Makrolide als Mittel der Wahl.

Haut
Bei Hautinfektionen wurden vor allem mit Cephalosporinen der 1. und der 2. Generation Studien durchgeführt. Die Wirksamkeit war bei allen Substanzen vergleichbar gut, obschon die Medikamente in verschiedenen Dosierungen verwendet wurden. Zur peroralen Therapie von Infekten nach Tierbissen wird Amoxicillin/Clavulansäure als Mittel der Wahl angesehen. Zur Behandlung von Staphylokokken-bedingten Infekten (Furunkulose) sind nebst allfälligen chirurgischen Massnahmen penicillinasefeste Penicilline, z.B. Flucloxacillin (z.B. Floxapen®) indiziert. Cephalosporine der 1. Generation (nicht der 3. Generation!) sind die Alternative. Bei Impetigo oder Erysipel (verursacht durch Streptokokken der Gruppe A) kann ein Penicillin oder ein Cephalosporin der 1. Generation verwendet werden.

Harnwegsinfekte
Enterobacteriaceae (besonders E. coli), Staph. saprophyticus und Enterokokken sind die wichtigsten Erreger. Cephalosporine sind meistens wirksam. Enterokokken sind aber in der Regel gegen Cephalosporine resistent! Auch hier kommen viele andere Antibiotika in Frage. Sowohl Amoxicillin/Clavulansäure als auch Cephalosporine sind lediglich als Alternativen zu Trimethoprim (Monotrim®, Primosept®), Amoxicillin allein oder einem Chinolon zu betrachten.(16) Bei Frauen mit einer Penicillinallergie sind die oralen Cephalosporine für Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft Mittel der Wahl.

Parenterale oder orale Antibiotika?

Für die Wahl der Applikationsart eines Antibiotikums sind zahlreiche Faktoren von Bedeutung. Zuverlässigkeit der Aufnahme (Compliance), Möglichkeit der oralen Zufuhr (Schluckprobleme? Erbrechen?), Resorption, Schweregrad der Erkrankung und Preis des Antibiotikums sind einige davon. Parenterale Antibiotika sind durchschnittlich siebenmal teurer als eine gleichwertige orale Therapie. Auch die Begleitkosten (Injektion, Infusion, Spitalaufenthalt) sowie das grössere Risiko gefährlicher Komplikationen müssen berücksichtigt werden. Deshalb hat die orale Therapie immer den Vorrang, wenn sie möglich und vertretbar ist.
In den letzten Jahren wurde vermehrt eine sequentielle Therapie (auch «step down therapy» genannt) propagiert. Unter diesem Begriff wird versteht man, dass eine initial parenteral begonnene Behandlung sobald wie möglich bzw. nach Erfüllen bestimmter Kriterien auf die orale Therapie umgestellt wird.(17) Klare Kriterien für den optimalen Zeitpunkt des Wechsels von einer parenteralen auf die orale Behandlung fehlen aber bisher.

Schlussfolgerungen

Orale Cephalosporine der verschiedenen Generationen sind gut verträgliche und wirksame Medikamente. Wegen ihres breiten antibakteriellen Wirkspektrums und des geringen Risikos von Nebenwirkungen werden sie häufig in der Therapie verschiedener Infektionen eingesetzt. Die meisten oralen Cephalosporine müssen nur zweimal (einzelne gar nur einmal) pro Tag eingenommen werden. Da zudem geschmacklich akzeptable Kinderformen angeboten werden, erscheinen sie zur Behandlung von Kindern besonders attraktiv.
Warum sollten dennoch orale Cephalosporine in der täglichen Praxis nicht Mittel der ersten Wahl sein? Das wichtigste Argument gegen eine routinemässige Verordnung dieser Medikamente ist das unvermeidliche Risiko, auf diese Weise dazu beizutragen, dass sich allmählich resistente Keime entwickeln. Diese Entwicklung mag bisher noch kaum stattgefunden haben, ist jedoch völlig unvorhersehbar. Wir haben aber nicht das geringste Interesse, z.B. Cephalosporin-resistente Pneumokokken zu züchten, wenn heute Pneumokokken immer noch mit anderen Antibiotika (oft mit gewöhnlichem Amoxicillin) bekämpft werden können.
Zu beachten ist zudem, dass die neueren Cephalosporine (der dritten Generation) im Vergleich mit denjenigen der ersten und zweiten Generation gegen Staphylokokken weniger aktiv sind. Auch die «neuen» Cephalosporine weisen die gleichen Aktivitätslücken (Enterokokken, methicillinresistente Staphylokokken und penicillinresistente Pneumokokken) auf wie die früheren Generationen, bieten also in dieser Hinsicht keine Vorteile.
Schliesslich ist auch der Preis der Medikamente zu berücksichtigen. Im Vergleich mit vielen valablen Alternativen sind orale Cephalosporine wesentlich teurer. (Im Preisvergleich mit Amoxicillin/Clavulansäure trifft dies allerdings nicht zu.)
In der Hausarzt-Praxis sind deshalb Cephalosporine klar als Therapie der zweiten oder dritten Wahl zu betrachten. Sie kommen z.B. in Frage, wenn andere Betalaktame bei penicillinallergischen Personen nicht angewendet werden können oder wenn angenommen werden muss, dass mehrere pathogene Keime vorhanden sind. Das Festhalten an einem restriktiven Einsatz oraler Cephalosporine wird sich langfristig zweifellos lohnen, insbesondere dank relativ niedrigen Resistenzraten.

Literatur

  1. 1) Mandell GL, Petri WA. In: Hardman JG, Limbird LE, eds. The Pharmacological Basis of Therapeutics. New York, Macmillan, 1996: 1073-1101
  2. 2) Lepper H, Estler CJ. Antibiot Chemother 1995; 47: 160-82
  3. 3) Todd PA, Benfield P. Drugs 1990; 39: 264-307
  4. 4) Novelli A et al. J Chemother 1995; 7 (Suppl 1): 25-31
  5. 5) Cerny A. Schweiz Med Wochenschr 1996; 126: 528-34
  6. 6) Wüst J, Kayser FH. Schweiz Rundsch Med Praxis 1995; 84: 98-105
  7. 7) Levine LR. Pediatr Infect Dis J 1985; 4: 358-61
  8. 8) Gismondo MR et al. J Chemother 1994; 6: 246-50
  9. 9) Poole JM et al. Infect Med 1992; 9 (Suppl E): 21-32
  10. 10) Lode H et al. Drugs 1994; 47 (Suppl 3): 10-20
  11. 11) Anon. Drug Ther Bull 1995; 33: 9-12
  12. 12) Ferguson BJ. Postgrad Med 1995; 97 (5): 45-57
  13. 13) Anon. Drug Ther Bull 1995; 33: 12-4
  14. 14) Sanjay S et al. JAMA 1995; 273: 957-60
  15. 15) Cunha BA. Med Clin North Am 1995; 79: 581-97
  16. 16) Sanford JP et al. The Sanford Guide to Antimicrobial Therapy. Vienna, Antimicrobial Therapy, Inc. 1997: 24
  17. 17) Janknegt R, van der Meer JWM. J Antimicrob Chemother 1994; 33: 169-77

Standpunkte und Meinungen

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Orale Cephalosporine (19. Juni 1997)
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