Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit

Übersicht

Unter dem Begriff chronisch-obstruktive Lungenkrankheit (COLK oder COPD von engl. Chronic Obstructive Pulmonary Disease) werden Störungen mit einer andauernden, höchstens teilweise reversiblen Obstruktion der Atemwege zusammengefasst. Von einer obstruktiven Ventilationsstörung wird gesprochen, wenn in der Lungenfunktionsmessung das forcierte exspiratorische Atemvolumen während der ersten Sekunde (FEV1) im Verhältnis zur Vitalkapazität (FEV1/VC = Tiffeneau-Quotient) weniger als 70% beträgt. Wenn dabei das gemessene FEV1 weniger als 70% des individuellen Sollwerts beträgt, wird die Obstruktion als mittelschwer, bei weniger als 50% als schwer bezeichnet.

Die COLK ist bei uns eine der häufigsten Todes- und Invaliditätsursachen. In der westlichen Welt ist das Rauchen von Zigaretten der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung einer COLK. Rund 15% der Raucherinnen und Raucher entwickeln im Verlaufe ihres Lebens eine COLK. Einen Sonderfall einer genetisch fassbaren Prädisposition stellt der homozygote a1-Antitrypsinmangel dar. Die davon Betroffenen entwickeln, wenn sie rauchen, im Alter zwischen 40 und 50 Jahren eine invalidisierend schwere Form einer obstruktiven Ventilationsstörung. Andere bekannte oder vermutete Risikofaktoren sind Exposition gegenüber Stäuben (bei uns vor allem organische Feinstäube in der Landwirtschaft), Umweltimmissionen und Adenovirusinfektionen.

Die chronische obstruktive Ventilationsstörung entsteht auf der Grundlage eines chronischen und destruktiven Prozesses im Bronchialsystem. Individuell besteht das pathologisch-anatomische Substrat der COLK aus unterschiedlichen Anteilen von chronischer Bronchitis, Bronchiolitis und Emphysem. Die häufigsten Symptome sind Husten, Auswurf und Dyspnoe. Neben Phasen mit stabiler Symptomatik können auch Episoden mit deutlicher Verschlechterung der Symptome (Husten, Auswurfmenge, -konsistenz, -farbe) auftreten. Solche Exazerbationen werden teilweise, aber nicht immer, durch Infektionen ausgelöst. Wichtig für die Praxis ist die Abgrenzung einer COLK gegenüber einem Asthma bronchiale, welches auf einer anderen Grundlage entsteht, eine andere Prognose hat und eine andere Behandlung erfordert. Schwere, fixierte Formen von Bronchialasthma lassen sich allerdings klinisch und funktionell nicht von einer COLK unterscheiden.

Entscheidend für die Prognose einer COLK ist die Geschwindigkeit, mit welcher die Abnahme des FEV1 erfolgt. Das zentrale Ziel der Therapie wäre, diesen Prozess zu bremsen. Wichtige weitere Ziele sind die Verbesserung der Symptome und die Prävention von Exazerbationen.(lit)

Zigarettenentwöhnung

Die einzige wissenschaftlich belegte Massnahme, welche das Fortschreiten der obstruktiven Ventilationsstörung aufhalten kann, ist das Sistieren des Rauchens von Zigaretten. Tabakabstinenz verzögert das Fortschreiten der Erkrankung auch in bereits fortgeschrittenen Stadien. Den Nutzen einer Unterstützung der Abstinenzwilligen belegt die amerikanische «Lung Health Study» bei über 5'000 Personen mit einer leichten obstruktiven Ventilationsstörung. Fünf Jahre nach einer Intervention zur Zigarettenentwöhnung (Einzelgespräch, Gruppensitzungen und Nikotinkaugummi) hatten in der Interventionsgruppe 22% dauernd mit dem Rauchen aufgehört. In der Kontrollgruppe waren es lediglich 5%. In der Interventionsgruppe litten weniger Personen an Atemwegssymptomen (Husten, Auswurf, Giemen oder Dyspnoe) und das FEV1 nahm signifikant weniger ab.(lit)

Bronchodilatantien

Bei den meisten Kranken mit einer COLK sprechen die obstruktive Ventilationsstörung und/oder die Beschwerden auf eine Behandlung mit Bronchodilatantien an. Sie bilden den Grundstein der symptomatischen Behandlung. Mittel der ersten Wahl sind inhalierbare Betastimulantien und Anticholinergika. Diese sind als Inhalierlösung, Dosieraerosol oder Pulver-inhalatoren erhältlich. Voraussetzung für eine gute bronchiale Deposition aller inhalierter Medikamente ist das Erlernen einer geeigneten Inhalationstechnik. Für eine Übersicht zu verfügbaren Inhalationshilfen kann auf eine frühere pharma-kritik-Ausgabe zum Thema «Inhalative Therapie des Asthma bronchiale» verwiesen werden.(5)

Ein Anstieg des FEV1 um mindestens 200 ml und >15% des Ausgangswertes gilt als Nachweis eines bronchodilatativen Effektes. Der symptomatische Nutzen der Bronchodilatantien lässt sich aber nicht aufgrund der Wirkung auf das FEV1 allein voraussagen. Auch bei fehlendem Nachweis eines Anstiegs des FEV1 soll deshalb versucht werden, die Symptome einer COLK mit einer bronchodilatativen Behandlung zu beeinflussen.(lit)

Betastimulantien und Anticholinergika

Die inhalierbaren Betastimulantien können in kurz- und langwirkende Mittel eingeteilt werden. Kurzwirkende Mittel sind Salbutamol (Ventolin® u.a.), Terbutalin (Bricanyl®) und Fenoterol (Berotec®). Ihr Vorteil ist der schnelle Wirkungseintritt. Sie eignen sich insbesondere für die Anwendung nach Bedarf beim Auftreten von Beschwerden. Um eine Wirkung über den ganzen Tag zu erzielen, müssen sie drei- bis viermal täglich inhaliert werden. Bei den langwirkenden Betastimulantien (Salmeterol = Serevent® und Formoterol = Oxis®, Foradil®) genügen dafür in der Regel zwei Inhalationen.

Als inhalierbares Anticholinergikum steht Ipratropium sowohl als Einzelsubstanz (Atrovent®) als auch als Kombinationspräparat mit Fenoterol (Berodual®) oder Salbutamol (Dospir®) zur Verfügung. In der Schweiz werden diese Präparate als Inhalierlösung oder Dosieraerosol, nur Berodual® auch als Pulverinhalator angeboten. Die Wirkung von Ipratropium tritt mit einer grösseren Verzögerung ein als diejenige der kurzwirkenden Betastimulantien und hält etwas länger vor als bei diesen. Um eine durchgehende Wirkung zu erzielen, muss auch Ipratropium drei- bis viermal täglich inhaliert werden.

Insgesamt ist die Anwendung von Bronchodilatantien bei der COLK weniger gut dokumentiert als beim Asthma bronchiale. Insbesondere gibt es keine Hinweise, dass die heute verwendeten Bronchodilatantien neben einer symptomatischen Verbesserung den Verlauf einer COLK beeinflussen. In der «Lung Health Study» war bezüglich Atemwegssymptomen nach fünf Jahren kein Vorteil von Ipratropium gegenüber Placebo nachweisbar.(4) Gut belegt ist hingegen die kurzfristige Verbesserung des FEV1 durch Bronchodilatantien. In einer Studie mit Salbutamol und Ipratropium sprachen von 100 Erkrankten zwei Drittel auf mindestens eines der beiden Mittel an und von diesen die Hälfte auf beide.(6) In einer neueren amerikanischen Studie konnte bestätigt werden, dass die Kombination von Ipratropium und einem kurzwirkenden Betastimulans wirksamer ist als das Betastimulans allein.(7)

Von den langwirkenden Betastimulantien wurde bisher nur Salmeterol (Serevent®) in Placebo-kontrollierten Studien bei der COLK untersucht. Diese Studien zeigen teilweise widersprüchliche Resultate: Keinen signifikanten Vorteil gegenüber Placebo zeitigte eine 4wöchige Behandlung in zwei Crossover-Studien. In einer anderen Studie stieg unter Behandlung mit 2mal 50 oder 100 mg täglich für 16 Wochen das FEV1 um 100 ml stärker an als unter Placebo. In einer vierten Studie besserten sich die Atemwegssymptome unter 2mal 50 mg Salmeterol täglich für 16 Wochen signifikant, nicht aber mit 2mal 100 mg.(8)

Aus Kostengründen werden auch in aktuellen Richtlinien kurzwirkende Betastimulantien und/oder Ipratropium als Mittel der ersten Wahl empfohlen.(1,2,3) In der Praxis sieht es etwas anders aus: Langwirkende Betastimulantien werden häufig als Basismedikation (zwei, eventuell drei Applikationen täglich) eingesetzt. Ein kurzwirkendes Mittel wird dann zusätzlich zur Inhalation bei Bedarf verschrieben. Diese Behandlung verursacht höhere Medikamentenkosten, ist aber für viele Erkrankte einfacher zu befolgen. In Einzelfällen, z.B. bei nächtlichen Beschwerden, kann auch ein besserer Nutzen erwartet werden.

Die inhalierbaren Bronchodilatantien bilden auch bei Exazerbationen die Basis der symptomatischen Behandlung. Dosierung und Anwendungshäufigkeit werden den Beschwerden entsprechend gesteigert. Wie beim Asthma stellt ein vermehrter Bedarf an Bronchodilatantien aber ein Alarmsignal dar und fordert ein Überdenken der Behandlung. In Akutsituationen sollen Anticholinergika nur in Kombination mit den schneller wirkenden Betastimulantien eingesetzt werden.

Theophyllin

Die Wirksamkeit von Theophyllin (Theolair®, Unifyl® u.a.) als oral verabreichtes Bronchodilatans bei COLK wurde in mehreren Studien nachgewiesen. Meistens stieg das FEV1 unter Behandlung signifikant an bzw. fiel nach Entzug von Theophyllin ab. Der Einfluss auf das FEV1 war mit dem von inhalativen Betastimulantien vergleichbar.(9) Neuere Placebo-kontrollierte Studien belegen, dass Theophyllin die Symptome der COLK günstig beeinflussen kann, wenn es zusätzlich zu inhalativen Bronchodilatantien eingesetzt wird.(10)
Ein Nachteil von Theophyllin sind die systemischen Nebenwirkungen (Tachykardie, Zittern u.a.). Theophyllin wird in neueren Richtlinien deshalb höchstens als Bronchodilatans der dritten Wahl in Kombination mit Betastimulantien und/oder Ipratropium empfohlen.(lit)

Glukokortikoide

Der Stellenwert der Glukokortikoide ist eines der meistdiskutierten Themen bei der Behandlung der COLK. Eindeutig dokumentiert werden konnte in den letzten Jahren, dass eine kurze systemische Steroid-Behandlung bei Exazerbationen Erholungszeit und Spitalaufenthalt verkürzt.(11)
Weil entzündliche Veränderungen als (mit)verantwortlich für die Progression der COLK angesehen werden, wäre auch ein Nutzen einer entzündungshemmenden Langzeitbehandlung plausibel. Bei einem Teil der Erkrankten steigt unter einer Behandlung mit Glukokortikoiden das FEV1 signifikant an. Um diese Minderheit der Erkrankten zu erfassen, soll bei Vorliegen einer mittelschweren Obstruktion mindestens einmal ein zweiwöchiger «Steroid-Trial» mit täglich 30 oder 40 mg Prednison-Äquivalent oral oder 2mal 500 mg Beclomethason-Äquivalent per inhalationem durchgeführt werden. Fällt das Ergebnis positiv aus (Anstieg des FEV1 >15% und absolut >200 ml), wird eine Steroid-Langzeitbehandlung empfohlen. Diese soll mit einem inhalativen Präparat, z.B. Beclomethason (Becloforte® u.a.), Budesonid (Pulmicort®) oder Fluticason (Axotide®) durchgeführt werden.(1,2,3) Im Gegensatz zum Asthma bronchiale ist der erwartete Langzeitnutzen bis heute noch nicht in kontrollierten Studien mit klinischen Endpunkten belegt worden.

In den letzten Jahren wurde intensiv untersucht, ob Kranke mit fehlendem Ansprechen auf einen «Steroid-Trial» längerfristig doch von inhalativen Glukokortikoiden profitieren. Drei kleinere Studien zeigten eine stärkere Zunahme der FEV1 als unter Placebo über einen Zeitraum von zwei Jahren. Nicht oder höchstens teilweise bestätigt wurde dieses positive Resultat aber von zwei grösseren Studien mit dreijähriger Beobachtungsdauer. In beiden Studien wurden Personen mit einer COLK ohne Asthma-Anamnese und ohne signifikante Reversibilität der Obstruktion untersucht. In der einen Studie waren es 290 Personen, bei denen anlässlich einer Reihenuntersuchung ein vermindertes FEV1 festgestellt wurde. Die Behandlung mit Budesonid (Pulmicort®; initial täglich 800-400 mg gefolgt von 2mal 400 mg) hatte dabei keinen Einfluss auf die durchschnittliche Abnahme des FEV1. Auch die Zahl der Exazerbationen wurde nicht merklich beeinflusst.(12)
In der anderen Studie wurden 1277 Personen mit Budesonid (2mal täglich mit 400 mg) oder Placebo behandelt. Alle waren trotz Abstinenz-unterstützung Raucher geblieben. Unter der aktiven Behandlung nahm zwar das FEV1 in den ersten sechs Monaten signifikant weniger ab als unter Placebo. Im weiteren Verlauf war die Abnahme in den beiden Gruppen aber praktisch identisch.(13)

Die Beurteilung des Stellenwerts der Glukokortikoide in der Behandlung der stabilen COLK bleibt schwierig. Heute kann einzig als gesichert gelten, dass Glukokortikoide bei der COLK deutlich weniger wirksam sind als beim Asthma bronchiale.

Mukolytika

Mukolytika sind eine heterogene Gruppe von Medikamenten, welche die Viskosität bronchialer Sekrete vermindern. Damit soll bei einer Bronchitis der ziliäre Abtransport und/oder das Abhusten der Sekrete verbessert werden. Einige der verwendeten Substanzen haben auch antioxidative Eigenschaften, was zu ihrer Wirkung beitragen soll.

In mehreren Studien wurde die Wirksamkeit der Mukolytika bei Personen mit chronischer Bronchitis vornehmlich im Winterhalbjahr untersucht. Eine Metaanalyse dieser Studien zeigt einen signifikanten Effekt der Mukolytika auf die Häufigkeit von akuten Exazerbationen. Die Relevanz für die Praxis bleibt aber unklar, so dass die Entscheidung über den Einsatz von Mukolytika bei Personen mit COLK dem Ermessen der Behandelnden überlassen werden kann. Dies gilt auch für die Wahl eines bestimmten Präparates: Am besten dokumentiert ist Acetylcystein (Fluimucil® u.a.). Von den in der Schweiz erhältlichen Substanzen wurden in diese Metaanalyse auch Studien mit Ambroxol (Mucosolvon® u.a.) und Carbocistein (Rhinathiol® u.a.) miteingeschlossen.(14) Noch nicht berücksichtigt waren hingegen Studien mit der neueren Substanz Erdostein (Mucofor®), welche ähnlich wirksam wie Acetylcystein sein dürfte.(lit)

Impfungen

Als im besonderen Mass indiziert gilt bei Lungenkranken die jährliche Influenza-Impfung. Dass sie bei älteren Menschen die Mortalität der Grippe verringert, ist gut belegt.(2,3)
Ein Nutzen für Personen mit COLK ist daher anzunehmen. Die Wirksamkeit der Pneumokokken-Impfung ist weniger gut dokumentiert. In einer retrospektiven Untersuchung hatten geimpfte Personen mit einer COLK ein geringeres Risiko für hospitalisationsbedürftige Pneumonien und eine niedrigere Mortalität. Die Meinungen darüber, ob eine einmalige Vakzination genügt, oder ob nach 7 Jahren die Impfung wiederholt werden soll, gehen auseinander.(2,3)

Gemäss einzelnen Arbeiten hat auch die orale Verabreichung von bakteriellen Antigenen eine gewisse Schutzwirkung gegen respiratorische Infekte. Extrakte von typischerweise bei respiratorischen Infekten vorkommenden Bakterien sind als Broncho-Vaxom® und Broncho Munal® erhältlich. In einer Placebo-kontrollierten Studie hatte eine zehntägige Behandlung mit einem solchen Lyophilisat bei rund 300 Personen mit chronischer Bronchitis zur Folge, dass diese in den darauffolgenden 6 Monaten signifikant seltener an einer akuten Bronchitis erkrankten.(16)
Gesamthaft ist der Nutzen dieser Bakterienextrakte jedoch nicht genügend dokumentiert.

Andere medikamentöse Möglichkeiten

Bei der Behandlung von Exazerbationen werden häufig Antibiotika eingesetzt. Weil ihr Einsatz bei stabiler COLK höchstens ausnahmsweise gerechtfertigt ist, soll hier nicht darauf eingegangen werden. Auch die Behandlung des Cor pulmonale und der Einfluss einer COLK auf die Medikamentenwahl bei begleitenden Erkrankungen würden den Rahmen dieser Übersicht sprengen.

Weitergehende Massnahmen bei schwerer COLK

Pulmonale Rehabilitation

Viele Patientinnen und Patienten mit einer leichten oder mittelschweren COLK erreichen mit einer bronchodilatativen Behandlung eine akzeptable Leistungsfähigkeit und sind damit im Alltag beschwerdefrei. Bei schwereren, fortgeschrittenen Erkrankungen gelingt dies aber häufig nicht. In solchen Fällen kommen zur Verbesserung der Lebensqualität Rehabilitationsprogramme in Frage, in denen insbesondere die körperliche Ausdauer und die Muskulatur der oberen Extremitäten trainiert werden. In solchen Programmen soll auch ein besseres Umgehen mit der Krankheit erlernt werden. Ihr Nutzen wurde in kontrollierten Studien belegt.(17) Heute werden neben stationären auch ambulante Rehabilitationsprogramme angeboten.

Sauerstoff-Therapie

Bei einer schweren COLK entwickelt sich häufig eine respiratorische Insuffizienz mit Abfall des arteriellen Sauerstoff-Partialdruckes (PaO2). Die Hypoxämie kann mit normalem oder erniedrigtem CO2-Partialdruck (PaCO2) (Partialin-suffizienz) oder mit CO2-Retention (Globalinsuffizienz) einhergehen. Sie kann unter Belastung auftreten oder bereits in Ruhe bestehen. Folgen einer chronischen Hypoxämie sind Polyglobulie, erhöhter pulmonal-arterieller Druck und Cor pulmonale. In diesem Spätzustand ist die Prognose sehr schlecht. Gemäss zwei Studien aus den frühen 80er Jahren verbessert die Sauerstoff-Heimtherapie das Überleben bei Lungenkranken mit einem PaO2 unter 8 kPa (60 mm Hg). Dabei war eine kontinuierliche Anwendung während 18 Stunden täglich der nächtlichen Behandlung (12 Stunden täglich) signifikant überlegen. Neuere Studien konnten bei COLK keinen Überlebensvorteil der Sauerstoff-Heimtherapie zeigen, wenn die Kranken eine mittelschwere Hypoxämie (PaO2 7,4 bis 8,7 kPa bzw. 56 bis 65 mm Hg) hatten oder bei Tageswerten über 8 kPa während des Schlafes eine schwere Hypoxämie aufwiesen.(18)

Als gesicherte Indikation für eine Sauerstoff-Heimtherapie gilt dementsprechend eine COLK mit einem FEV1 von weniger als 1,5 Liter und einem Ruhe-PaO2 unter 7,3 kPa (55 mmHg) trotz optimierter medikamentöser Behandlung. Bei einem PaO2 zwischen 7,3 und 8,0 soll eine Sauerstoff-Heimtherapie in Erwägung gezogen werden, wenn eine pulmonal-arterielle Hypertonie, eine Polyglobulie, periphere Ödeme oder nächtliche Hypoxämien auftreten. Therapieziele sind PaO2-Werte von 8,7 kPa (65 mm Hg) bzw. eine O2-Sättigung über 90%. Obwohl das Risiko für eine CO2-Retention bei der Sauerstoff-Heimtherapie klein ist, soll vor allem bei vorbestehender Globalinsuffizienz kontrolliert werden, dass der PaCO2 nicht übermässig ansteigt. Bei Personen, welche in ihrer Aktivität wegen dem Abfall der Sauerstoff-Sättigung unter Belastung eingeschränkt sind, kann eine ambulante Sauerstoff-Therapie die Leistungsfähigkeit verbessern.(1,2,3)
Dabei ist eine intratracheale Applikation über ein Ministoma (z.B. SCOOP-Katheter) zu erwägen.

Für die Sauerstoff-Heimtherapie stehen Gasflaschen, O2-Konzentratoren und neu auch Flüssiggas-Reservoire zur Verfügung. Sogenannte Sparsysteme ermöglichen ihren rationellen Gebrauch. Der teurere flüssige Sauerstoff ist für die Therapie der Anstrengungshypoxämie bei ambulanten Patientinnen und Patienten reserviert.

Lungenchirurgie

Eine chirurgische Lungenvolumenreduktion kann zu einer Verbesserung der Lungenfunktion führen, wenn bei fortgeschrittenem Emphysem die Atemwegsobstruktion zu einem wesentlichen Teil durch einen Bronchialkollaps verursacht wird und ausserdem eine starke Lungenüberblähung vorliegt (totale Lungenkapazität über 130% des Sollwerts). Bei gezielter Indikationsstellung lassen sich durch einen solchen Eingriff Atemnot und Belastbarkeit verbessern und die Lebensqualität steigern. Der Einfluss auf die Lebenserwartung lässt sich heute noch nicht abschätzen.(19)

Dank zunehmender Erfahrung der Behandlungsteams und neuen medikamentösen Möglichkeiten ist das Risiko einer Lungentransplantation kleiner geworden, die Resultate haben sich verbessert. Hauptsächlichstes Problem der Lungentransplantation ist die chronische Abstossungsreaktion (Bronchiolitis-obliterans-Syndrom) in der transplantierten Lunge. Das Fünfjahresüberleben beträgt rund 50%. Heute kommt die Lungentransplantation als Ultima ratio in Frage bei geeigneten Patienten, die jünger als 65 Jahre sind. Im Vordergrund steht dabei nicht die Verlängerung des Überlebens, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität.(lit)

Kommentar

Die Interpretation der Studienergebnisse zum Einsatz der Bronchodilatantien ist äusserst schwierig. Das kurzfristige Ansprechen der Sekundenkapazität auf b2-Agonisten kommt durch eine Bronchospasmolyse zustande, und Bronchospasmus spielt bei der chronischen Bronchitis und beim Lungenemphysem üblicherweise keine relevante Rolle. Je fortgeschrittener die COPD, desto stärker wird die Einschränkung der Sekundenkapazität durch einen funktionellen Tracheobronchialkollaps beim forcierten Ausatmen bedingt. Trotzdem profitieren die COPD-Patienten häufig symptomatisch von dieser Therapie, weil sie zu einer Entblähung der Lunge führt, was das Funktionieren der Inspirationsmuskulatur begünstigt. Dies kann aber mit der FEV1-Messung nicht dokumentiert werden. Der Einsatz der lang- und kurzwirksamen b2-Agonisten und der Anticholinergika bildet aus diesem Grund die Basis der COPD-Behandlung.

Ähnlich komplex wird die Interpretation der heutigen Datenlage zum Einsatz der Steroide. Aus meiner Sicht ist der kurzfristige systemische Einsatz der Steroide bei Exazerbation durch die Arbeiten in den letzten zwei Jahren gut belegt. Die Patienten sollten das Spital aber nicht mehr unter peroralen Steroiden verlassen. Der Einsatz der inhalativen Steroide mit dem Ziel, die langsam fortschreitende Lungenzerstörung beim COPD-Patienten zu bremsen, ist aufgrund der Euroscop, der ISOLDE- und Kopenhagen City-Studie nicht mehr als sinnvoll anzusehen. Ausser den Patienten mit einer deutlichen Antwort im oralen Steroidversuch, der als Nachweistest für die asthmatische Komponente angesehen werden kann, erscheint auch die Population mit weit fortgeschrittener COPD, mit Sekundenkapazitätswerten unter 1 L von der inhalativen Steroid-Therapie im Sinne einer Protektion vor gehäuften Exazerbationen zu profitieren (ISOLDE-Studie).

M. Solèr

Standpunkte und Meinungen

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Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (5. Mai 2000)
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