Nebenwirkungen aktuell
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 21
, Nummer 04, PK300
Redaktionsschluss: 22. November 1999 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Ticlopidin
Ticlopidin ist ein Plättchenhemmer, der sich insbesondere zur Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Komplikationen nach zerebralen Ischämien eignet. Ticlopidin wird ausserdem - obwohl für diese Anwendung in der Schweiz keine offizielle Zulassung besteht - zur Verhinderung von Gefässverschlüssen nach Stent-Implantationen eingesetzt.
Der Stellenwert verschiedener Plättchenhemmer wird in zahlreichen neueren Übersichtsartikeln analysiert; Beispiele:
Zusman RM et al. Clin Cardiol 1999; 22: 559-73
Gurbel PA et al. Pharmacol Res 1999; 40: 107-11
Markenname: Ticlid®
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Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura |
Ein 76jähriger Mann wurde wegen wiederholten ischämischen Attacken mit Ticlopidin (2mal 250 mg/Tag) behandelt. Vier Wochen nach Beginn dieser Therapie kam er wegen eines diffusen petechialen Exanthems und Bauchbeschwerden ins Spital. Laboruntersuchungen zeigten eine Thrombozytenzahl von 12'000/mm3, ein Hämoglobin von 13,2 g% und fragmentierte Erythrozyten im Blutbild. Eine Plasmapherese wurde durchgeführt und der Patient erhielt zudem Kortikosteroide. Die Bauchbeschwerden verschwanden rasch, die Plättchenzahl normalisierte sich innerhalb von 6 Tagen. In der Folge kam es jedoch zweimal zu einem erneuten Abfall der Plättchenzahl; insgesamt musste das Plasma 30mal ausgetauscht werden, bis es nach etwa 50 Tagen zu einer dauerhaften Besserung kam. In den folgenden 6 Monaten blieb der Patient (unter Acetylsalicylsäure) rückfallfrei.
Zwei weitere betagte Patienten, die ebenfalls nach 4 bis 5 Wochen Ticlopidin-Behandlung eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura entwickelten, hatten einen etwas benigneren Verlauf.
Chen DK et al. Arch Intern Med 1999; 159: 311-4
In einer Übersichtsarbeit werden 60 aus verschiedenen Quellen zusammengetragene Fälle von Ticlopidin-assoziierter thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP) beschrieben. Zwei Drittel der Betroffenen waren älter als 60 Jahre. In 72% der Fälle wurde Ticlopidin zur Schlaganfallprophylaxe verabreicht, in den übrigen Fällen wurde das Medikament entweder nach koronarer Stent-Einlage oder bei nicht-zerebrovaskulären Erkrankungen gegeben. 22% der Kranken hatten auch Acetylsalicylsäure erhalten. In 80% der Fälle trat die TTP innerhalb eines Monats nach Beginn der Ticlopidin-Behandlung auf. Praktisch immer war Ticlopidin das einzige Medikament, das in den Wochen vor dem Auftreten der TTP neu verordnet worden war. Die Symptome der TTP umfassten neben der Thrombozytopenie und Anämie neurologische Veränderungen oder eine Nierenfunktionsstörung. Eine Plasmapherese wurde bei 63% der Kranken durchgeführt; bei Jüngeren (unter 60) wurde diese Behandlung signifikant häufiger (in 81%) durchgeführt als bei Personen über 60. Die Überlebensrate von Personen mit TTP betrug 67%. Die Plasmapherese war der wichtigste Prognosefaktor: so starben signifikant mehr Personen, welche keine Plasmapherese erhielten (50%) gegenüber jenen, bei denen eine Plasmapherese durchgeführt wurde (24%).
Bennett CL et al. Ann Intern Med 1998; 128: 541-4
In der sogen. EPISTENT-Studie wurden innerhalb eines Jahres (1996/97) rund 43'000 Personen mit einer koronaren Stenteinlage behandelt. Nach dieser Therapie wurde für einige Wochen neben Acetylsalicylsäure auch Ticlopidin verabreicht. Die Studiendaten wurden nachträglich untersucht, um die Inzidenz der TTP festzustellen. Neun Fälle von TTP wurden in dieser Kohorte beobachtet, d.h. 1 von etwa 4800 Behandelten erkrankte unter Ticlopidin an einer TTP. Ausserhalb der Studie konnten 10 weitere Fälle von TTP nach koronarer Stenteinlage und Ticlopidinbehandlung identifiziert werden. Von insgesamt 19 Personen mit TTP starben 4 Personen an der Erkrankung - bei keinem der Verstorbenen war eine Plasmapherese durchgeführt worden. Insgesamt wurden 13 Personen mittels Plasmapherese behandelt. Die Dauer der Ticlopidin-Behandlung bis zum Auftreten der TTP betrug durchschnittlich 22 Tage. Im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung ist das Risiko, an einer TTP zu erkranken, für Ticlopidin-Behandelte etwa 50mal grösser.
Steinhubl SR et al. JAMA 1999; 281: 806-10
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Erhöhte Phenytointoxizität |
Klaassen SL. Ann Pharmacother 1998; 32: 1295-8
Da jetzt mit Clopidogrel (Iscover®, Plavix®) ein Plättchenhemmer zur Verfügung steht, der nach heutigem Wissen mindestens so wirksam wie Ticlopidin ist und weniger Probleme verursacht,
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1 Spanaus K. pharma-kritik 1998; 20: 69-71
2 Steinhubl SR et al. J Thromb Thrombolysis 1999; 7: 227-31
Zolpidem
Zolpidem, ein Imidazopyridin, gilt als gut verträgliches Schlafmittel. Im Zentralnervensystem wird die Substanz an den w1-Rezeptor, einen Subtyp der Benzodiazepin-Rezeptoren, gebunden. Im Vergleich mit den Benzodiazepinen hat Zolpidem eine geringere muskelrelaxierende und antikonvulsive Wirkung.
Vergleiche von Zolpidem mit Benzodiazepin-Schlafmitteln finden sich in folgenden Übersichten:
Nowell PD et al. JAMA 1997; 278: 2170-7
Lobo BL, Greene WL. Ann Pharmacother 1997; 31: 625-32
Markenname: Stilnox®
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Akute Psychose |
Pitner JK et al. J Am Geriatr Soc 1997; 45: 533-4
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Halluzinationen |
Gemäss früheren Berichten sind ähnliche, lang anhaltende Episoden mit Halluzinationen bei mindestens 5 weiteren Personen unter Zolpidem in Kombination mit einem Antidepressivum beobachtet worden. Die Autoren vermuten, dass diese unerwünschte Wirkung in erster Linie als Folge einer Interaktion mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern vorkommt.
Elko CJ et al. J Toxicol Clin Toxicol 1998; 36: 195-203
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Todesfälle infolge Überdosierung |
Ähnlich waren die Befunde bei einer 58jährigen Frau, die ebenfalls tot im Bett gefunden wurde. Auch ihr war unter anderem Risperidon verschrieben worden und auch bei ihr fanden sich Zeichen einer massiven Überdosierung von Zolpidem.
Gock SB et al. J Anal Toxicol 1999; 23: 559-62
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Hepatotoxizität |
Karsenti D et al. Br Med J 1999; 318: 1179
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Interaktionen mit Azol-Antimykotika |
In einer Doppelblindstudie bei 12 Freiwilligen wurde Zolpidem (5 mg) mit Placebo oder mit einem der Azol-Antimykotika Ketoconazol (Nizoral®), Itraconazol (Sporanox®) oder Fluconazol (Diflucan®) zusammen verabreicht. Ketoconazol führte zu einer signifikanten Reduktion der Zolpidem-Clearance und zur Verlängerung der Plasmahalbwertszeit des Schlafmittels. Auch Fluconazol und Itraconazol reduzierten die Zolpidem-Clearance, jedoch nicht in signifikantem Ausmass. Die Interaktion mit Ketoconazol liess sich auch in klinischen Tests (EEG-Aktivität, kognitive Funktionen) nachweisen.
Greenblatt DJ et al. Clin Pharmacol Ther 1998; 64: 661-71
Astemizol
Astemizol gehört zu den sogenannten nicht-sedierenden H1-Rezeptorantagonisten. Ein aktiver Metabolit von Astemizol hat eine ungewöhnlich lange Eliminationshalbwertszeit von 2 bis 3 Wochen. Herstellung und Vertrieb von Astemizol wurden auf Ende Juli 1999 eingestellt.
Die folgenden Übersichten orientieren über die relative Sicherheit der neueren Antihistaminika:
Horak F, Stubner UP. Drug Saf 1999; 20: 385-401
DuBuske LM. Clin Ther 1999; 21: 281-95
Markenname: Hismanal®
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Herzrhythmusstörungen |
In den Jahren 1988 bis 1992 sind unter Astemizol mindestens 44 Fälle schwerer Herz-Kreislaufereignisse (Torsades de pointes, Kammertachykardie, Herzstillstand, plötzlicher Herztod) beobachtet worden. Problematisch sind insbesondere die Interaktionen mit Medikamenten, welche das Zytochrom CYP3A4 hemmen (wichtige Beispiele: Makrolide, Azol-Antimykotika).
Mastey V. Harvard School of Public Health Website 1995. http://www.hsph.harvard.edu/Organizations/ddil/torsades.html
Amoxicillin/Clavulansäure
In Kombination mit Clavulansäure ist Amoxicillin auch gegenüber vielen Betalaktamase-bildenden Keimen aktiv. Die Amoxicillin/Clavulansäure-Kombination wird in der Schweiz sehr häufig eingesetzt, z.B. zur Behandlung von Infektionen der oberen und unteren Atemwege.
Weitere Informationen zu Amoxicillin/Clavulansäure und Betalaktam-Antibiotika finden Sie in folgenden Texten:
Torres MJ et al. Clin Exp Allergy 1998; 28 (Suppl 4): 25-8
Novelli A et al. J Chemother 1995; 7 (Suppl 1): 25-31
Markenname: Augmentin®
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Cholestatische Hepatitis und Stevens-Johnson-Syndrom |
Limauro DL et al. Ann Pharmacother 1999; 33: 560-4
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Inzidenz von Leberschäden |
Die Inzidenz einer Leberschädigung unter Amoxicillin/Clavulansäure betrug 1,7 und unter Amoxicillin allein 0,3 auf 10'000 Verschreibungen. Personen, die das Kombinationspräparat einnehmen, sind also einem etwa 6mal grösseren Risiko einer hepatotoxischen Reaktion ausgesetzt als diejenigen unter Amoxicillin allein. Speziell diejenigen, die wiederholt Amoxicillin/Clavulansäure erhielten, waren gefährdet. Da das Risiko auch mit dem Alter zunimmt, muss bei älteren Leuten und wiederholter Verabreichung von Amoxicillin/Clavulansäure mit einem Fall auf 1000 Anwender oder Anwenderinnen gerechnet werden.
García Rodriguez LA et al. Arch Intern Med 1996; 156: 1327-32
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Aseptische Meningitis |
Diese Frau war seit 1992 bereits 2mal wegen den gleichen Symptomen hospitalisiert worden. Beide Male waren die Beschwerden auch schon 1 bis 2 Wochen nach Einnahme von Amoxicillin oder Amoxicillin/Clavulansäure aufgetreten. Die Autoren vermuten, dass die aseptische Meningitis auf eine allergische Reaktion zurückzuführen ist.
Czerwenka W et al. Br Med J 1999; 318: 1521
Nach der Ansicht von Fachleuten verursacht kein anderes der heute gebräuchlichen Antibiotika so häufig hepatotoxische Reaktionen wie Amoxicillin/Clavulansäure.
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