Arzneimittelinteraktionen mit Alkohol
- Autor(en): Ariane de Luca, Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 23
, Nummer 03, PK261
Redaktionsschluss: 14. Juli 2001
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2001.261 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Update
Alkoholische Getränke gehören bei Jung und Alt in so hohem Masse zur Alltagsrealität, dass eine gleichzeitige Einwirkung von Arzneimitteln und Alkohol wohl sehr häufig ist. Diese Interaktion hat erstaunlich selten offensichtliche negative Folgen, ist jedoch keineswegs allgemein belanglos. Besonders Personen, die mehrere Krankheiten haben und zahlreiche Medikamente einnehmen müssen, sind auch hinsichtlich Alkohol-Interaktionen gefährdet. Wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass metabolische Auswirkungen teilweise davon abhängen, ob eine Person nur gelegentlich oder regelmässig Alkohol konsumiert. Hier folgt eine Beschreibung der bekannten Interaktionsmechanismen und eine kleine Übersichtstabelle.
Mechanismen
Zentralnervöse Dämpfung
Magenschleimhautläsionen
Magenmotilität
Die Bedeutung medikamentöser Einflüsse auf die Magenentleerung wird durch die Tatsache relativiert, dass eine beträchtliche inter- und intraindividuelle Variabilität der Alkoholresorption zu beobachten ist.
Gastrischer "First-Pass"-Stoffwechsel
Gastrointestinale Durchblutung
Hepatischer Stoffwechsel
In der Leberzelle stehen drei verschiedene Enzymsysteme zum Alkoholabbau zur Verfügung. Es handelt sich um die hepatische Alkoholdehydrogenase im Zytosol der Zelle, das "microsomal ethanol oxidizing system" (MEOS) und, von geringerer Bedeutung, die Katalase in den Peroxisomen.(3,6)
Die Alkoholdehydrogenase ist in der Regel das für den Alkoholmetabolismus wichtigste Enzym. Es existieren verschiedene Isoenzyme mit unterschiedlicher Affinität für Alkohol. Die Alkoholdehydrogenase wird durch Alkohol nicht induziert.
Das MEOS umfasst verschiedene Komponenten. Von Bedeutung ist insbesondere das Zytochrom-Isoenzym CYP2E1, das auch für den Metabolismus verschiedener Medikamente eine Rolle spielt. Inhalationsanästhetika wie Halothan, Enfluran (Ethrane®) u.ä., Isoniazid (Rimifon®) und Paracetamol (z.B. Treuphadol®) werden teilweise via CYP2E1 metabolisiert. Dieses Zytochrom wird durch regelmässigen Alkoholkonsum induziert; in diesem Fall erfolgt der Alkoholabbau rascher. Beschleunigt wird aber auch der Metabolismus der Medikamente, die Substrat von CYP2E1 sind und zwar dann besonders ausgeprägt, wenn das induzierte Enzym bei vorübergehender Alkoholabstinenz nicht für den Alkoholabbau "benötigt" wird. So sind toxische Auswirkungen von Paracetamol bei Personen mit chronischen Alkoholmissbrauch besonders dann beobachtet worden, wenn sie vorübergehend abstinent waren. CYP2E1 hat allgemein die ungewöhnliche Eigenschaft, reaktive Sauerstoff-Intermediärprodukte mit toxischen Eigenschaften zu erzeugen und kann z.B. industrielle Lösungsmittel in toxische Metaboliten umwandeln. Auch die hepatozelluläre Toxizität von Methotrexat wird wahrscheinlich durch eine alkoholinduzierte Zunahme der CYP2E1-Aktivität verstärkt.
Antabus-Reaktion
Das primäre Produkt der Biotransformation von Alkohol, Acetaldehyd, ist ebenfalls hochtoxisch und wird normalerweise rasch durch die mitochrondriale Aldehyddehydrogenase weiter umgewandelt. Dieses Enzym fehlt in Asien bei 25 bis 50% der Bevölkerung. Bei diesen Personen können schon kleine Alkoholmengen Flush, Tachykardie, Kopfschmerzen und Brechreiz auslösen. Die Aldehyddehydrogenase-Aktivität ist auch bei Personen mit chronischem Alkoholmissbrauch reduziert, was einen Teil der chronischen Alkoholtoxizität zu erklären vermag. Die Hemmung des Enzyms durch Disulfiram (Antabus®) wird bekanntlich adjuvant bei Alkoholkranken eingesetzt. Die Antabus-Reaktion umfasst die oben erwähnten Symptome; in Einzelfällen kann es jedoch zu einer schweren Hypotonie mit lebensbedrohlichen Folgen kommen. Chlorpropamid (Bestandteil von Diabiformin®) und verschiedene Antibiotika wie Cefamandol (Mandokef®), Cefotaxim (Claforan®) und Metronidazol (z.B. Flagyl®) können ebenfalls Antabus-Reaktionen auslösen.(lit)
Weitere metabolische Interaktionen
Bei Frauen, die nach der Menopause mit Estradiol (z.B. Estrofem®) behandelt wurden, führte ein alkoholhaltiges Mischgetränk (0,7 g Alkohol pro kg Körpergewicht) zu einem starken Anstieg des Estradiol-Plasmaspiegels. Der Mechanismus dieser Interaktion ist nicht bekannt.(8)
Aufgrund von Tierversuchen muss angenommen werden, dass Alkohol bei gleichzeitiger Verabreichung von Metformin (Glucophage® u.a.) das Laktat/Pyruvat-Verhältnis ungünstig verändert und so das Risiko einer Laktatazidose erhöht.
Literatur
- 1) Bedford TA, Rowbotham DJ. Drug Saf 1996; 15: 167-75
- 2) Johnson RD et al. Br Med J 1991; 302: 20-3
- 3) Lieber CS. Clin Liver Dis 1998; 2: 673-702
- 4) Gugler R. Drug Saf 1994; 10: 271-80
- 5) Roine R et al. JAMA 1990; 264: 2406-8
- 6) Oneta CM. Ther Umsch 2000; 57: 220-6
- 7) Kitson TM. Alcohol 1987; 4: 143-8
- 8) Ginsburg ES et al. JAMA 1996; 276: 1747-51
Standpunkte und Meinungen
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