Medikamente und Strassenverkehr
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 30
, Nummer 18, PK247
Redaktionsschluss: 14. Juli 2009
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2008.247 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
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Dass die Fähigkeit zum Lenken eines Fahrzeugs auch von legal erworbenen Medikamenten beeinträchtigt werden kann, ist offensichtlich. Zwar ist die Rolle des Alkohols und diejenige illegaler Drogen wohl von weit grösserer Bedeutung. Es gibt aber eine ganze Reihe von (in erster Linie rezeptpflichtigen) Medikamenten, die an Unfällen mitschuldig sein können. Genaue Zahlen für die Rolle von Medikamenten sind nicht vorhanden. Gemäss einer Übersicht der schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung wird angenommen, dass illegale Drogen und Medikamente in der Schweiz etwa 5% der schweren Verkehrsunfälle verursachen.(1) (Alkoholbedingte Unfälle sind nicht in dieser Zahl enthalten; Alkohol soll bei 15% der Unfälle mitbeteiligt sein.)
Eine australische Übersicht
Im «Australian Prescriber» wurde im April 2008 eine kleine Übersicht zum Thema veröffentlicht, die auch auf die verschiedenen Mechanismen eingeht, die zur Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit führen.(2)
Um ein Fahrzeug gefahrlos lenken zu können, muss man über gewisse Geschicklichkeiten und Eigenschaften («driving skills») verfügen. Diese lassen sich folgendermassen umschreiben: Aufmerksamkeit und Konzentration – Wachsamkeit – Fähigkeit, sich mehreren Aufgaben gleichzeitig widmen zu können («Multitasking») – Normaler Visus und Gesichtsfeld – Koordination von Hand und Auge sowie von Fuss und Auge – Reaktionszeit – Fähigkeit, einer Fahrspur folgen zu können («Tracking»). Von besonderer Bedeutung sind die Wachsamkeit, die Fähigkeit, eine Verkehrssituation richtig beurteilen zu können und das «Multitasking».(3) Praktisch jedes Medikament, das sich auf das Zentralnervensystem auswirkt, kann die «driving skills» ungünstig beeinflussen. Dämpfende Substanzen wirken sich – ähnlich wie der Alkohol – auf die Wachsamkeit, Reaktionszeiten und Fehleranfälligkeit aus. Medikamente, die das Verhalten beeinflussen, können ein unvorteilhaftes Fahrverhalten und die Risikofreudigkeit begünstigen.
In der Tabelle 1 sind wichtige Medikamentengruppen zusammengestellt, die die Fahrfähigkeit beeinträchtigen können. Diese Tabelle folgt im Wesentlichen der australischen Übersicht.(2) Medikamente, die gemäss der offiziellen Zulassung und im Rahmen der verschriebenen Dosen eingenommen werden, spielen in der Regel eine untergeordnete Rolle als Risikofaktoren. Manchmal ist nur während einer initialen Behandlungsphase Vorsicht angezeigt. Die Medikamente, die in Australien am häufigsten im Blut von Verunfallten gefunden werden, sind Antiepileptika und Antidepressiva. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Medikamente notwendigerweise für den Unfall verantwortlich waren. Kombinationen von mehreren Medikamenten oder von Medikamenten und Alkohol stellen ein erhöhtes Risiko dar.
Unter den ärztlich verschriebenen Medikamenten sind die Benzodiazepine am wichtigsten. Diese – wie auch Zolpidem (Stilnox® und andere) und Zopiclon (Imovane®) – werden nicht selten auch missbraucht und illegal beschafft. Gewarnt wird vor den möglichen Folgen einer intravenösen Verabreichung: Personen, die Midazolam (Dormicum®) intravenös erhalten haben, dürfen für 12 Stunden kein Fahrzeug lenken. Bei der Benzodiazepin-Einnahme wegen Angstzuständen ist das Unfallrisiko besonders initial beträchtlich, aber auch nach längerer Anwendung noch erhöht.(4)
Bei den Antidepressiva sind die Auswirkungen von sedierenden Substanzen wie Mirtazapin (Remeron®) und Amitriptylin (Saroten®, Tryptizol®) stärker ausgeprägt als bei den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern. Es wird allerdings diskutiert, ob ein Antidepressivum das Unfallrisiko reduzieren kann, indem es Depressions-bedingte Störungen des Fahrvermögens vorteilhaft beeinflusst.
Unter den Neuroleptika finden sich einige stark sedierende Substanzen wie Clozapin (Leponex® u.a.), Olanzapin (Zyprexa®) und Quetiapin (Seroquel®), andere sind in dieser Hinsicht weniger problematisch.
Medizinisch indizierte Opioide sind allenfalls zu Beginn der Behandlung sedierend, scheinen aber später dank einer Neuroadaptation die Fahrfähigkeit kaum zu beeinflussen. Wegen der Opioid-bedingten Miose kann aber der Visus bei nächtlichen Fahrten reduziert sein.
Antidiabetika beeinträchtigen die Fahrfähigkeit an sich nicht; wenn sie aber Hypoglykämien verursachen, stellt dies ein schwerwiegendes Problem dar.
Nicht in der Übersicht erwähnt, jedoch zweifellos von Bedeutung, ist die Problematik des plötzlichen Einschlafens unter Dopaminagonisten wie Pramipexol (Sifrol®) und Ropinirol (Adartrel®, Requip®).
Schlussfolgerungen
Obwohl auch die Packungsprospekte entsprechende Hinweise enthalten, ist es sinnvoll, in der ärztlichen Praxis und in der Apotheke auf medikamentös induzierte Risiken beim Lenken eines Fahrzeugs hinzuweisen. Dies ist in erster Linie zu Beginn einer Arzneimitteltherapie mit sedierenden Eigenschaften von Bedeutung. Personen mit unregelmässigen Arbeitszeiten oder solche, die in der Nacht fahren müssen, sind zusätzlich gefährdet.
Standpunkte und Meinungen
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