Unabhängige Quellen (Oktober 2020)
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 42
, Nummer 4, PK1121
Redaktionsschluss: 27. November 2020 - PDF-Download der Printversion dieses Artikels
Zweifel an Mehrwert von Sacubitril/Valsartan
Das niederländische Geneesmiddelen-Bulletin hält fest, dass der zusätzliche Nutzen von Valsartan/Sacubitril (Entresto®) gegenüber einer optimalen ACE-Hemmer-Therapie bei Herzinsuffizienz nach wie vor nicht überzeugend dokumentiert ist. Valsartan/Sacubitril wird aufgrund der PARADIGM-HF-Studie bei einer Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion als Alternative zu einem ACE-Hemmer oder Sartan empfohlen. Ein Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass in der erwähnten Studie die Vergleichsgruppe nicht mit Valsartan, sondern mit Enalapril (Reniten® u.a.) behandelt wurde. Noch gravierender erscheint es, dass Valsartan/Sacubitril nicht mit der höchsten empfohlenen Dosis von Enalapril (Reniten® u.a.) verglichen wurde – sondern mit einer Tagesdosis von nur 20 mg Enalapril. Zu Recht wird geraten, das vergleichsweise teure Valsartan/Sacubitril erst einzusetzen, wenn die Therapie mit einem ACE-Hemmer vorher wirklich optimiert wurde.
Terbinafin in der Schwangerschaft
Es gibt wenig Daten zur oralen oder lokalen Anwendung von Terbinafin in der Schwangerschaft. In einer grossen Kohorte fanden sich aber keine Hinweise auf ein Risiko von Fehlgeburten oder von bedeutsamen Missbildungen beim Kind. Dies sind die Schlussfolgerungen einer Arbeit, die im britischen Drug and Therapeutics Bulletin zusammengefasst ist. Es handelt sich um die Daten aus einem dänischen Gesundheitsregister, das etwas mehr als 1½ Millionen Schwangerschaften enthält.
Dennoch gilt weiterhin, was in unseren «100 Medikamenten» steht – nämlich dass die Ungefährlichkeit von Terbinafin in der Schwangerschaft nicht definitiv gesichert sei. Wenn sich die antimykotische Behandlung bis nach der Geburt aufschieben lässt, ist es zweifellos sinnvoll, dem ungeborenen Kind ein mögliches Risiko zu ersparen.
Behandlung von Migräneanfällen
In einer kürzlich erschienenen Nummer vermittelt der «Medical Letter on Drugs and Therapeutics» eine Übersicht zur Migränetherapie. Für die Behandlung von leichten bis mittelschweren Migräneanfällen soll primär ein orales Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (Aspirin® u.a.), Paracetamol (Dafalgan® u.a.) oder ein nicht-steroidales Medikament wie Ibuprofen (Brufen® u.a.) eingesetzt werden.
Bei der Anwendung von Triptanen, die grundsätzlich alle ähnlich wirken, ist auf den Wirkungseintritt und die Wirkungsdauer zu achten; im Einzelfall kann sich lohnen, ein nicht befriedigend wirkendes Triptan durch ein anderes zu ersetzen. Triptan-Nasalsprays wirken rascher als orale Präparate. Am raschesten wirkt die subkutane Injektion, die aber auch die meisten Nebenwirkungen verursacht. Triptane sind bei Personen mit einer ischämischen oder vasospastischen Koronarerkrankung und bei zerebrovaskulären Krankheiten kontraindiziert. In den USA sind neu auch Medikamente verfügbar, die wie z.B. Erenumab (Aimovig®) das «Calcitonin Gene-Related Peptide» (CGRP) hemmen, aber zur Akuttherapie der Migräne zugelassen sind.
HPV-Impfung verhindert Gebärmutterhals-Krebs
Die Impfung gegen das humane Papilloma-Virus (HPV) kann gemäss bisherigem Wissen Dysplasien an der Cervix uteri vorbeugen. Das deutsche «arznei-telegramm» vermittelt nun eine Zusammenfassung einer schwedischen Studie, in der die Häufigkeit eigentlicher Zervix-Karzinome bei HPV-geimpften Frauen mit derjenigen bei nicht-geimpften Frauen verglichen wurde. Aufgrund des Bevölkerungsregisters wurden über 1,6 Millionen Frauen erfasst, die im Zeitraum zwischen 2006 und 2017 zehn bis dreissig Jahre alt waren. Geimpft wurde mit der gegen vier Virustypen aktiven Vakzine (Gardasil®, heute in der Schweiz durch Gardasil 9® ersetzt). Etwa ein Drittel der Frauen war geimpft worden, die meisten bevor sie 17-jährig waren. Auf 100'000 Frauenjahre wurden bei nicht-geimpften Frauen 5,27 Fälle eines invasiven Zervixkarzinoms festgestellt, bei den geimpften nur 0,73 Fälle.
Werden weitere Einflüsse berücksichtigt, so errechnet sich bei geimpften Frauen ein nochmals um etwa die Hälfte reduziertes Krebsrisiko. Die besten Resultate fanden sich, wenn die Impfung schon vor dem Alter von 17 Jahren erfolgte.Schmerzmittel für stillende Frauen
Es ist nicht so selten, dass Frauen nach einer Geburt wegen Schmerzen behandelt werden müssen. Zu den Auswirkungen auf das an der Brust gestillte Kind gibt es aber nur relativ wenig Daten. In einer grossen Übersicht hat «La Revue Prescrire» zusammengestellt, was man dazu weiss. Wesentlich ist es, primär nicht-medikamentöse Massnahmen (z.B. häufiges Stillen bei schmerzhafter Brustschwellung, warme Bauchwickel bei Uteruskontraktionen) einzusetzen. Sofern Paracetamol (Dafalgan® u.a.) in niedriger Dosierung (1000 bis höchstens 2000 mg/Tag) eingesetzt wird, kann es als Mittel der Wahl bezeichnet werden. Auch Ibuprofen (Brufen® u.a., in einer Dosis von maximal 1600 mg/Tag) kommt in Frage. Andere nicht-steroidale Entzündungshemmer und die lokale Anwendung an den Brüsten sind zu vermeiden.
Wenn tatsächlich ein starkes Schmerzmittel notwendig ist, kann Morphin in der kleinsten möglichen Dosis als die Option mit dem geringsten Risiko verwendet werden. Bei anderen Opioiden ist die Kinetik und Wirksamkeit weniger gut vorhersehbar. Bei starken Schmerzen muss auch über eine vorübergehende Stillpause diskutiert werden.
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