INTERNET CORNER: Was bringt die Zukunft?

Noch kann ich nicht sagen, ob und in welcher Form ich al­lenfalls auch zukünftig zur «medizinischen» Anwendung des Internets schreiben werde – sicher ist jedenfalls, dass dies der letzte «Internet Corner» für infomed-screen ist. Wir haben uns bei Infomed schon früh mit den Aspekten des Internets be­fasst, die Berufsleuten im Gesundheitsbereich nützlich sein können. Viele erinnern sich noch an die «Information Re­trieval»-Kurse, die wir in den ersten Jahren des Webs durch­geführt haben. Wer allerdings meine «Internet Corner»-Texte der letzten zwei Jahre gelesen hat, weiss, dass ich heute auch viele negative Aspekte sehe und die Entwicklungen des letz­ten Jahrzehnts mit grosser Sorge beobachte. Die Digitalisie­rung verändert die Welt in gigantischem Ausmass. So lässt sich heute nicht voraussehen, ob die Web-bedingten Veränderun­gen der Menschheit gesamthaft eine vorteilhafte Nutzen/ Schaden-Bilanz bescheren werden. Statt hier Prognosen auf­zustellen – die sich höchstwahrscheinlich als falsch erweisen würden – möchte ich auf die Regeln hinweisen, die wir im Laufe der Jahrzehnte zur Anwendung der Kortikosteroide (des Wundermittels «Cortison») gelernt haben. Vieles davon lässt sich praktisch zwanglos auf das Wundermittel «Internet» übertragen.

            Ein zurückhaltender, gezielter Einsatz bringt die besten Resul­tate. Die unkontrollierte Anwendung führt dazu, dass die nor­malen biologischen Funktionen des Menschen verkümmern und es längerfristig zu schweren Beeinträchtigungen kommt. Eine «Addison-Krise» der analogen Fähigkeiten kann lebens­bedrohlich sein. Analoge Aktivitäten (z.B. die Mitarbeit in Vereinen, das Lesen gedruckter Bücher, Kino- und Theater­besuche) sollten bewusst gefördert werden.

            Besondere Vorsicht ist bei der Applikation in heiklen Berei­chen angezeigt. Ein «vernetzter» Haushalt (Stichwort: Internet of Things) hat viele schlecht kontrollierbare Eingangspforten für Schädlinge aller Art. Ist es wirklich sinnvoll, die Decken­lampe via App zu steuern? Es lohnt sich, auf gewisse Bequem­lichkeiten zu verzichten.

            Kinder und Jugendliche sind grösseren Gefahren ausgesetzt. Wir sind uns bisher überhaupt nicht im Klaren, wie sich die sogenannten sozialen Medien auf die Psyche junger Leute auswir­ken. Ausser Zweifel steht aber, dass mit den vielen Stunden vor kleinen und grossen Bildschirmen wertvolle Zeit für den Aufbau von echten menschlichen Beziehungen und von Fä­higkeiten im analogen Bereich verloren geht.

Ob wir wollen oder nicht: wir müssen uns alle mit der Digi­talisierung und ihren Konsequenzen auseinandersetzen. Si­cher ist aber auch, dass wir selbst darauf Einfluss nehmen kön­nen und dies auch tun sollten.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!

Etzel Gysling


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infomed-screen 23 -- No. 6
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Was bringt die Zukunft? ( 2019)