Statine bei älteren Personen: wirksam nur in der Sekundärprävention?
- m -- Cholesterol Treatment Trialists' Collaboration. Efficacy and safety of statin therapy in older people: a meta-analysis of individual participant data from 28 randomised controlled trials. Lancet. 2019 Feb 2;393:407-15 [Link]
- Zusammenfassung: Felix Schürch
- Kommentar: Milo Puhan
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 31. Mai 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Eine Behandlung mit Statinen reduziert nachweislich kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle bei einem breiten Spektrum von Individuen, aber es besteht Unsicherheit über ihre Wirksamkeit und Sicherheit bei älteren Menschen. In dieser Meta-Analyse aus allen grossen randomisierten Statin-Studien (mindestens 1000 Behandelte, mindestens zwei Jahre Behandlungsdauer) wurde die Wirkung in verschiedenen Altersgruppen verglichen.
Was hat man gefunden?
28 Studien mit insgesamt 186’845 Teilnehmenden und einer Verlaufsbeobachtung von durchschnittlich 4,9 Jahren wurden einbezogen. 14’483 (8%) der untersuchten Personen waren zum Zeitpunkt der Randomisierung über 75 Jahre alt. Für alle Altersgruppen der in diesen Studien eingeschlossenen Personen zeigte sich eine Verminderung der kardiovaskulären Ereignisse proportional zur Senkung des LDL-Cholesterins (21% pro 1,0 mmol/L). Bei höherem Alter war der Effekt im Rahmen der Primärprävention weniger ausgeprägt, die Patientenzahlen in dieser Gruppe waren aber zu klein für eine zuverlässige Aussage. Erhöhte Mortalität nicht-kardiovaskulärer Ursache oder häufigeres Auftreten von Krebs wurde in keiner Altersgruppe beobachtet.
Wie wird es gedeutet?
Statine schützen unabhängig vom Alter vor kardiovaskulären Ereignissen. Für die Primärprävention bei Personen, die älter als 75 Jahre sind, ist in den hier analysierten Studien jedoch weniger Evidenz vorhanden.
Zusammengefasst von Felix Schürch
Gast-Kommentar
Die Debatte darüber, ob und bei wem Statine zur kardiovaskulären Primärprävention eingesetzt werden sollen, ist weiterhin hochaktuell. Die Sichtweise hängt stark davon ab, wieviel Gewicht den zu verhindernden Ereignissen und den Nebenwirkungen beigemessen wird. Kardiologische Guidelines schlagen Schwellenwerte von 7,5-10% 10-Jahres-Risiko vor, Guidelines von Hausärzten Schwellenwerte von 20%. Die Werte, über denen der Nutzen die Nebenwirkungen überwiegt, liegen wohl etwa dazwischen, hängen aber stark vom Alter und Geschlecht ab (siehe auch «Der Nettonutzen primärprophylaktisch verabreichter Statine wird überschätzt» in infomed-screen 2/2019). Die hier vorgestellten zwei Studien stärken die Evidenzbasis insbesondere für ältere Menschen. Die sorgfältig durchgeführte Untersuchung von Bezin et al.bestätigt die Resultate einer ähnlichen Studie aus England (BMJ 2018;362:1–4). Auch in der oben beschriebenen Meta-Analyse wurde bei älteren Menschen ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung nur ein kleiner Effekt gefunden. Die Effekte von Statinen nehmen bei zunehmendem Alter ab. Die Gründe dafür (biologisch, Interaktionen mit anderen Medikamenten oder schlechtere Compliance) sind noch nicht klar. Da jedoch das absolute Risiko für Nebenwirkungen mit dem Alter ansteigt, ist wohl Vorsicht im Einsatz von Statinen bei älteren Menschen in der Primärprävention geboten. Die auf dem 10-Jahres-Risiko basierenden Schwellenwerte für eine solche Behandlung liegen mit den nun vorliegenden Daten wohl noch einiges höher als kürzlich bestimmt.
Milo Puhan, Professor für Epidemiologie und Public Health, Universität Zürich / Präsident Swiss School of Public Health
Standpunkte und Meinungen
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