Hat der Schellong-Test ausgedient?

  • k -- Juraschek SP, Daya N, Rawlings AM et al. Association of history of dizziness and long-term adverse outcomes with early vs later orthostatic hypotension assessment times in middle-aged adults. JAMA Intern Med 2017 (1. September); 177: 1316-23 [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Häusermann
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 6
    Publikationsdatum: 5. Dezember 2017
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Orthostatische Hypotension (Blutdruckabfall im Stehen um mindestens 20 mm Hg systolisch oder 10 mm Hg diastolisch) ist mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert. Gemäss den amerikanischen Leitlinien sollte die entsprechende Messung drei Minuten nach dem Aufstehen erfolgen, beim Schellong-Test wird bis 10 Minuten nach dem Aufstehen gemessen. Die Aussagekraft einer früheren Messung war bisher unklar und wurde kontrovers beurteilt. In einer prospektiven Kohortenstudie wurde zwischen 1987 und 1989 bei 11'429 Männern und Frauen im Alter von 45 bis 64 Jahren der Blutdruck mit einem automatischen Gerät nach 20 Minuten Liegen und anschliessend fünfmal hintereinander im Stehen gemessen. Der effektive Zeitpunkt der Messungen wurde jedes Mal protokolliert. Alle Personen waren zudem vor den Messungen über Schwindel beim Aufstehen befragt worden. Der weitere Verlauf wurde über eine mediane Zeit von 23 Jahren beobachtet.

Die Messungen Nr. 1 bis 5 im Stehen waren im Mittel nach 28, 53, 76, 100 und 116 Sekunden erfolgt. Bei orthostatischer Hypotension in der Messung Nr. 1, nicht aber in den übrigen Messungen, hatten die Betroffenen signifikant häufiger orthostatischen Schwindel angegeben («Odds Ratio» 1,49; 95% CI 1,18-1,89). Im Langzeitverlauf war eine orthostatische Hypotension in den Messungen Nr. 1 und 2, also innerhalb der ersten Minute, auch nach statistischer Korrektur für multiple andere Risikofaktoren mit vermehrten Stürzen, Frakturen und Synkopen assoziiert. Die Messungen Nr. 3 bis 5, also in der zweiten Minute, brachten keinen Informationsgewinn. Personen mit orthostatischer Hypotension bei Messung Nr. 2 hatten zudem mehr Unfälle mit Motorfahrzeugen als Nicht-Betroffene. Eine orthostatische Hypotension war generell mit einer um etwa 30% erhöhten Mortalität assoziiert. Die Studienverantwortlichen schliessen aus den Resultaten, dass eine Blutdruckmessung im Stehen innerhalb der ersten Minute sowohl zur Abklärung von Symptomen als auch zur Abschätzung der Langzeitprognose genügt.

«Good News» für den Hausarzt oder die Hausärztin unter Zeitdruck: Blutdruckmessungen im Stehen während einer Minute ergeben einen bezüglich der Symptome und der Prognose bereits aussagekräftigen Orthostasetest. Wegen der prognostischen Bedeutung der orthostatischen Hypotension ist die zusätzliche Blutdruckmessung im Stehen bei jeder Vorsorge-Untersuchung und bei den Kontrollen unter antihypertensiver Therapie zu empfehlen. Stürze und Synkopen sind gerade bei älteren Menschen mit einer hohen Verletzungsgefahr verbunden. Ist eine orthostatische Hypotension einmal festgestellt, so sollten wir als erstes nach unerwünschten medikamentösen Einflüssen und Interaktionen fahnden und allenfalls nicht mehr unbedingt notwendige Medikamente, wie z.B. Psychopharmaka, ausschleichen oder absetzen.

Zusammengefasst und kommentiert von Markus Häusermann

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Hat der Schellong-Test ausgedient? ( 2017)